Per iPhone klage ich Wanja mein Leid,
und dass ich doch am liebsten mit ihm geflogen wäre. Hatte eben nur keinen Mut.
„Auf was hättest du Lust?“, fragte er
mich.
„Keine Ahnung. Was schlägst du vor?“
„Ich komme noch einmal zurück und hole
dich in Stockholm ab. Wir fliegen nach Frankreich und sehen uns die Finals der
French Open an. Was meinst du dazu?“
Ich dachte nicht lange nach und sagte
zu. Denn ich wusste genau, dass es ihm mehr als ernst damit war. Gunnar kam so
wie so erst am Sonntag, oder ganz und gar am Montagmorgen zurück. Denn ich
vermute einmal, dass er seine geliebt Alexa noch zum Flugzeug bringen wird.
So nun. Und wie stelle ich das mit
Derek an?
„Ich fahre nach Stockholm in die
Wohnung. Vielleicht ist Gunnar dort.“, sagte ich so beiläufig wie möglich in
Dereks Gegenwart.
Er horchte auf. „Soll ich dich
begleiten?“
Ich wandt mich ihm zu. Legte meine
Arme strahlend um seinen Hals und küsste ihn. „Nicht nötig. Ich schaff das
schon.“
So suggerierte ich ihm, ohne zu
lügen, dass ich doch zu Gunnar fuhr. Oder zumindest nach Stockholm, um ihn zu suchen.
Warum sollte ich diese (zweite)
Chance nicht nutzen? Wenn sie mir schon geboten wurde.
Dennoch hatte ich ein schlechtes
Gewissen Derek gegenüber.
-------
„Jetzt reißt du mir aber nicht mehr
aus!“, sagte Wanja und kam im Airport auf mich zu. Nahm mein Gesicht zwischen
seine Hände, küsste mich und drückte mich an sich. „Ich muss die Chance doch
nutzen. Wer weiß, wann ich einmal wieder alleine hier sein kann.“
Wir flogen nach Paris, sahen uns gestern
das Finale der Frauen, zumindest das, was noch davor übrig war, und das
Herren-Doppel Finale an. Speisten, redeten, kuschelten.....fickten. Keiner von
uns beiden vermochte sich mehr zu beherrschen. Wir sehnten uns beide so sehr
danach! Das der Eine in der Anderen ist.
Wir sahen uns an, so verliebt, wie lange
nicht. Wanja ist in der Tat ein überaus attraktiver Mann. Seine Reh braunen
Augen sind so sanftmütig und stehen in der Divergenz zu seinen „Beruf“. Wo er
doch genau genommen ein eiskalter und draufgängerischer Kämpfer sein müsste.
Ein Kämpfer ist er allemal. Jedoch mit Esprit und Intelligenz.
Wanja schnauft und sieht mir verzehrend
in die Augen. „Es ist vielleicht noch nicht zu spät, wenn du magst.“
Erstaunt sah ich ihn an. „Ich dachte,
der Zug ist abgefahren?“ Ich lächelte warmherzig und blickte forschend in seine
Augen.
„Vielleicht noch nicht ganz.“ Ein
(Mut machendes) Strahlen überzog sein Gesicht.
„Hmm. Bist du vielleicht jetzt doch
nicht der Vater des Kindes?“
Wanja stotterte. „Ja schon. Denke
ich. Sie hat es mir zumindest so gesagt.“
„Wie kannst du denn wirklich sicher
sein, dass nicht auch andere Männer in Frage kämen? Vielleicht solltest du
einen Vaterschaftstest machen lassen.“
„Na ja. Ich weiß nicht. Ich will
nicht, dass sie denkt, dass ich ihr nicht vertraue. Aber ich denke darüber
nach.“ Wanja senkte den Kopf und schien nachdenklich zu werden.
„Was ist jetzt mit dem ZUG,....der
noch nicht abgefahren ist?“, erinnerte ich ihn lächelnd und legte so viel
abwartende Hoffnung in meine Worte wie ich nur konnte, um Wanja zu suggerieren,
dass ich Interesse an seiner Antwort hatte.
„Hast du denn überhaupt noch so viel
Verlangen nach mir?“
Und in diesem Moment sah ich in seine
fragenden, flehenden Augen und.....oh! Verdammt! „Ich liebe dich!“
Wanja starrte mich an. Sein Mund
stand offen und ich sah, wie sich die Muskeln seines Gesichts bewegten.
Offensichtlich wusste er nicht, was er sagen sollte. Aber dann doch: „Meinst du
das auch wirklich ernst?“
„Ja.“ Hauchte ich.
„Ich dachte, du liebst deinen Mann?“,
wich er noch einmal aus und legte für einen Moment den Rückwärtsgang ein.
„Ja. Das tue ich. Zweifellos. Nur mit
seinem Verhalten zerstört er Stück für Stück meine Liebe zu ihm.“
Ich sah, wie es in Wanja arbeitete.
Da keimte offenbar erneut die Hoffnung auf ein Zusammensein mit mir.
„Aber das haben wir doch schon einige
Male festgestellt. Du bist immer wieder zu ihm zurückgekehrt.“
Wanja zweifelte. Und das sicherlich
zu Recht. Denn bisher war es schließlich stets so gewesen, dass ich mich
letztendlich immer wieder für Gunnar entschied.
„Meinst du wirklich, es gibt noch Hoffnung
für uns?“ Wanjas Augen durchdrangen forschend die Meinen.
Ich biss mir auf die Unterlippe. „Ich
denke schon.“
„Das ist mir zu wage.“, warf er ein. Er
fuhr sich mit der Hand übers Kinn. Schien nervös zu sein. Setzte einige Male
zum Reden an. Stoppte dann jedoch wieder und räusperte sich.
„Keine Lügen mehr! Keine Eventuelles.
Keine Ungewissheit. Verstehst du?“ wurde er ernst und fordernd. „Ich will eine
Entscheidung. Und diese Entscheidung muss endgültig sein. Ich will, dass du dir
sicher bist. Wenn ich JETZT etwas ändere und Helena vor den Kopf stoße, gibt es
kein zurück mehr für dich. Also, überlege gut, was du tust.“
„Selbst wenn ich mich jetzt für dich
entscheide, steht sie dann, mit dem Kind, nicht immer zwischen uns?“
Wanja schien verzweifelt. Dem
Ersehnten so nahe und doch unerreichbar.
„Vielleicht ist es tatsächlich NICHT
dein Kind.“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen.
„Dann warten wir, bis es da ist und
entscheiden dann. Sonst gibt es wieder nur Probleme und Verwicklungen wie damals,
als du mich das erste Mals verließt.“
Ich senkte den Blick. Wanja schob
seine Hand zu mir herüber und griff nach der Meinen. „Jetzt haben wir so lange
gewartet. Da sind sechs Monat ein Kinderspiel. In der Zeit, können wir uns
sehen, wann immer du willst. Ich komme! Versprochen!“
„Und was ist nach diesem halben Jahr?
Wenn es doch dein Kind ist?“
„Wenn du mich dann wirklich und immer
noch ernsthaft willst......“
„Und ich stehe in dieser Zeit in der
Warteschleife.“
„So wie ich, die letzten Jahre.“
Er hatte Recht.
Würde ich JETZT „JA“ sagen......Aber
das Kind war mir ein Dorn im Auge. Wenn es tatsächlich Wanjas ist, hätte ich
keine Chance und wäre womöglich und letztendlich, sagte ich JA, wieder nur die
„zweite Frau“, oder eine Konkubine. Womöglich gleichwohl....gar nichts mehr.
Es steht und fällt alles mit dem
„Kind“.
„Nun gut.“, versuchte ich mich heraus
zu winden. „Wir warten ab. Ist es zweifellos DEIN Kind, dann wirst du so wie so
zu ihm und somit auch zu ihr stehen. In dieser Hinsicht kenne ich dich doch. In
diesem Fall, hätte ich an deiner Seite nichts verloren.“
Wanja zuckte mit den Schultern. „Ich
freue mich auf das Kind.“
„Ja. Ich weiß. Ein Kind verändert
ALLES. Ebenso in diesen, unseren Fall.“
Eine kurze Weile der Stille trat ein,
bis Wanja die Unterhaltung mit einem Impuls der Beschleunigung des Verfahrens
fortsetzte. „Es gibt die Möglichkeit des pränatalen Vaterschaftstestes. Dann
hätten ich, hätten wir Sicherheit. Nur würde ich dies anberaumen, gäbe es mit
Sicherheit Zank und Streit.“
„Und ist es dann dein Kind. Was
dann?“, brachte ich meinen übergeordneten Gedanken zum Ausdruck.
„Okay. Wir legen jetzt fest, dass du
ernsthaft an mir interessiert bist, mich liebst und mit mir zusammen sein
willst. Stimmt das so?“
Ups!! Ich schluckte. Nägel mit Köpfen?
Nein. Dazu war ich, ungeachtet der derzeitigen Gefühlswelle FÜR Wanja, noch
immer zu unentschlossen. Aber sagte dennoch „JA.“
Wanja blieb ernst. Es schien gerade
so, als bohrten sich seine Augen in meinen Kopf, um zu erfahren, was dort
tatsächlich vor sich ging.
„Wenn ich jetzt zu ihr zurück fliege,
bestehe ich auf den pränatalen Vaterschaftstest.“
„Und was dann.“, unterbrach ich ihn.
„Bin ich nicht der Vater, lasse ich
dich noch am selben Tage zu mir bringen und sie darf gehen. Bin ich der
Vater......“, Wanja Atmete schwer und ich sah, wie er mit sich rang.
„....übernehme ich die Verantwortung und wir, werden uns besser nicht mehr
wieder sehen.“
Jetzt schnappte ich nach Luft.
Dennoch war mir mehr als bewusst, dass Wanja diese Variante wählte. Denn, er
ist ein „Ehrenmann“.
„Und ich.....bleibe bei meinem
derzeitigen Ehemann.“, beendete ich, eher kleinlaut, diese aufreibende Debatte.
Wanja sah mich so liebevoll an, dass
ich am aller liebsten aufgesprungen und ihn um den Hals gefallen wäre. Was
nicht ging, heute Morgen im Restaurant.
Was führen wir auch so eine wichtige Diskussion
in einer so reservierten, verhaltenen Umgebung?! Wo man keine emotionalen
Ausbrüche zeigen darf. Dies war mir schon immer unheimlich und verhasst,.... in
dieser „gehobenen“ Gesellschaft.
Well, nun wird es Zeit für den Lunch
und das Herrenfinale.
Und Gunnar, hat sich bis jetzt nicht
gemeldet........