Donnerstag, 13. Oktober 2016

Der „Große Bruder“



Gunnar kam spät. Allerdings hatte ICH bis dahin keine Langeweile. War noch im Netz unterwegs.
Und genau genommen, erwartete ich eine Diskussion um all die Dinge, die ich in Alexas Anwesenheit an- und ausgesprochen hatte. Jedoch nichts dergleichen. Nicht ein Wort. Offensichtlich war er (letztendlich) mit allem einverstanden. Zumindest deutete ich es so. Oder wollte es SO sehen.
Er fragte nur, was es noch geschäftliches zu besprechen gäbe. Hier ließ ich ihn die Worte wissen, welche ich in Mikes Kopf gesehen hatte, als es um Derek ging.
„Was soll ich davon halten?“, fragte ich ihn. „Kann ich Mike weiterhin vertrauen? Was waren diese Leute früher. Derek inbegriffen.“
Gunnar setzte eine bedeutungsvolle Miene auf. „Vielleicht eine Sonderkommission der Polizei, die im Geheimen operierte. Das schweißt Menschen, die in einem Team arbeiten, zusammen. Denn jeder muss sich auf den anderen verlassen können. Ich nehme an, dass es das ist.“
„Mag sein.“
„Mike ist einfach nur loyal zu seinem ehemaligen Teamkollegen. Ist das nicht ganz normal?“
Ich räusperte mich leicht und tat einen tiefen Atemzug. Neigte den Kopf ein wenig und nickte dann. „Ja. Ich vermute, du hast Recht. Wäre es nicht dennoch besser, sie zu trennen?“
Gunnar faltete seine Stirn und zog die lieke Augenbraue hoch. Verstand er, was ich sagen wollte?
Nun pustete er hörbar die Luft durch seine angespitzten Lippen. Ich vermutete, er sah in mein Hirn. „Ich denke nicht, dass sie Läuse uns unserem Pelz sind. Sie sind eben nur kollegial und verschwiegen. Das hat man ihnen offenbar gelernt. Nicht Schlimmes wie ich finde. Und mit das mit Derek hat sich doch ohnehin erledigt. Oder etwa nicht?“
„Ja. Schon.“
„Aber was?“
Ich zögerte. So ergriff Gunnar erneut das Wort.
„Du tust es wie besprochen. Verhältst dich völlig normal. Verabredest dich nur nicht mehr mit ihm. Hast keine Zeit und so. Schließlich bin ICH nun ständig hier.“
„Und WAS ist mit DEN Abenden, den Nächten, in denen du bei Alexa bist? Soll ich dann alleine sein?“
Gunnar hob die Schultern und breitete die Arme aus. „Willst du wieder mit ihm schlafen.“
„Vielleicht NUR schlafen. Damit ich nicht alleine bin.“
„Fordert er nichts ein?“
„Im Allgemeinen nicht, wenn ich nicht will.“
„Hmm. Das must du entscheiden. Aber denke an die Sicherheit.“
„Das tue ich doch.“
„Wenn es AUSSCHLIßLICH darum geht, nicht allein zu sein, wenn du bei einer anderen bist, könnte ich jeden halbwegs zuverlässigen Mann aus dem Sicherheitsteam wählen.“
Gunnar lachte. „Ist das nicht noch gefährlicher? Derek kennst du. Andere nicht. Sind schlecht abzuschätzen.“
„War doch nur ein Witz…..“, sagte ich zu ihm und blieb dennoch ernst dabei.
„Das denke ich nicht.“
„Dann war es eben nur ein Gedanke. Denn ich finde es überaus ungerecht, was du tust.“
„Tut mir leid, wenn Derek nun doch nicht DER Mann ist, für den du ihn bisher gehalten hast. Dafür kann ich nichts.“
„Das weiß ich doch.“
„Also, was willst du tun?“, fragte Gunnar.
„Mich ganz normal verhalten. Wie wir es besprochen hatten. Ich muss schließlich nicht intim mit ihm werden. Insbesondere jetzt, wo ich weiß, dass er doch noch andere Frauen hat, mit denen er offenbar schläft. Okay. Mit Giselle tut er es, laut der Detektive. Aber noch andere? Ich weiß nicht Recht. Ich vermag es noch immer nicht zu glauben, dass er ein Verführer, ein Lebemann ist. Wo er doch so überaus liebenswert sein kann und mir schwört, dass ICH die Einzige für ihn bin.“
„Rea, bitte. Sei nicht so naiv.“
„Okay. Okay! Ich weiß. Aber vieles in mir sträubt sich, das alles zu glauben.“
Die Unterhaltung, über noch vieles andere, setzte sich noch Stunden fort. Bis wir schließlich, nach zwei Uhr, zu Bett gegangen sind.

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Müde, müde, müde, heute Morgen.
Ich wachte stets zur selben Zeit auf, gleich, wann ich zu Bett gegangen bin.
Trotz alledem zelebrierte ich einige Übungen und genau genommen, hätte mir eine Schüssel Weitrauben zum Frühstück genügt. Aus Gewohnheit aber dann doch der Hirsebrei. Ich weiß, keine Rohkost, die man mir so nahe legte. Dennoch bekommt mir Gekochtes besser. Was nicht bedeutet, dass ich nicht willig bin, womöglich so allmählich ein wenig auf Rohkost umzustellen. Es scheint mir der neuste Trend zu sein. Selbstredend ist mir jedoch ebenso bewusst, dass unbehandelte Nahrung mehr Energie liefert, als sie beim Verdauen kostet. Lichtnahrung mag Rohkost noch NICHT sein. Jedoch ist man damit auf dem Weg dorthin. Alldieweil sie lebendig(er) ist und daher ein Energiespender und kein Energieverbraucher ist. Ich weiß…..Seufz……
„Kommst du gleich mit mir ins Büro.“, fragte ich Gunnar, als ich mit mein Schüsselchen leer gegessen hatte. „Ich gedenke die frohe Botschaft deiner Rückkehr ins Zentrum den Büroangestellten kund zu tun. Was sagst du dazu?“
„Okay. Ich freue mich drauf.“ Und wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich bei diesen Gedanken irgendwie ein flaues Gefühl. Obwohl ich es mir doch so sehr wünschte, dass Gunnar endlich wieder gänzlich bei mir im Zentrum ist.
„Du wirst Derek dort treffen. Was wirst du tun? Und wie dich verhalten? Vielleicht erkundigst du dich noch einmal vorab bei der Detektei, über seine Aktivitäten der letzten Nacht.“
„Ja. Das werde ich tun und ich denke, ich verhalte mich wie abgesprochen. Als sei nicht gewesen. Als wäre ich ahnungslos.“
Der Chef der Detektei erzählte mir, dass Derek gestern bei seinen Kumpanen MIT dieser jungen Frau übernachtet hätte. Näheres war nicht bekannt. Bedauerlicherweise. Das Gebäude war gesichert und die Aufnahmen und Geräusche die man empfing, konnten von jeden der dort Anwesenden sein. Denn es waren noch andere Frauen dort. Dereks Freundin war NICHT die Einzige.
So nun stand die Frage an, ob man ihn weiterhin beschatten soll. Ich sagte nein. Im Zweifelsfall gibt es gleichwohl unsere eigenen Detektive, denen ich diesen Fall übergeben könnte, für einige Zeit, gerade hier im Zentrum. Allerdings frage ich mich hier, WEM gegenüber sind sie loyal? Derek als Mann, oder mir als Chefin. Zu alledem hatte ich mir so wie so  vorgenommen, bei passender Gelegenheit, Derek zur Rede zu stellen. Denn ich kannte mich und wusste, dass ich den Mund eben NICHT würde halten können.

Nun gut, Gunnar kam gleich nach dem Frühstück mit mir ins Büro. Ich hatte bekanntlich vor, den anderen dort mitzuteilen, dass er zukünftig wieder bei uns (arbeiten) sein wird…..als Chef, selbstverständlich.
Jedoch gab es vorerst einige Anrufe zu tätigen, die erledigt werden mussten. Zu stornieren. Zu bestellen. Derek begrüßte ich, als sei nie etwas geschehen. Als wüsste ich nichts und siehe da, es fiel mir leicht-er als gedacht…..über seine (vermutlichen?!) Verfehlungen hinwegzusehen. (Nun gut, die mit Giselle ist bewiesen.) Womöglich habe ich Überung darin. Und wenn ich denke, WAS soll ich OHNE ihn tun? War er nicht immer für mich da wsenn ich ihn brauchte? Schnauf…….ich vermute, ich werde mit ihm reden und dann weiter sehen. Jedoch am aller liebsten, möchte ich es weiter laufen lassen, wie bisher. Vor allen in jenen Stunden, in denen Gunnar bei Alexa, oder Lara ist. Wir (mir – oder ihm) das möglich sein?

Meine Büroangestellten waren nicht erstaunt darüber, was ich ihnen zu sagen hatte. Sie wussten, oder ahnten es bereits. Wie sie jedoch tatsächlich zu diesem Sachverhalt standen, konnte ich ausschließlich in ihren Gedanken sehen.
Derek blickte eher missmutig drein. Gunars Anwesenheit gefiel ihm nicht wirklich, was ihm deutlich anzusehen war. Und was sich daraus ergeben wird, bleibt vorerst im Dunklen.
Von Mike der Seitenblick zu Derek hin. Dann zu Gunnar und dann zu mir. Da verbarg sich etwas hinter seiner Mimik, was ich als eine gewisse Ergebenheit Derek gegenüber deutete. Als wäre er der große Bruder, der ihn beschützt und der das Sagen hat.
Imara schien genervt. Womöglich ahnte sie, welch Abstieg ihr Beschieden ist.
Ellen Parker schien es egal zu sein. Ich vermochte nichts Negatives in ihren Augen zu lesen.
Kate Austin-Nobel grinste nur. Ihr war es sicher recht.
Amaya Ji schien mir einen doch eher abfälligen Blick zu Gunnar hin zu werfen. Sie nahm eine Art Abwehrhaltung an.
Alle anderen nahmen es offenbar mehr oder weniger gleichmütig hin. Bei Kirsten war ich mir nicht sicher. Sie lächelte nur. Gerade so, als würde sie sich freuen. Was ich mir, um ehrlich zu sein, nicht wirklich vorstellen kann.

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So nun hatte ich die Absicht, mir Derek vorzuknüpfen. Nur WANN und WIE? Bisher gab es noch keine passende Gelegenheit. Womöglich heute Abend. Denn Gunnar wird bei Alexa sein und Derek ist offenbar genau deswegen heute wieder hier. Er weiß um die Donnerstags-Frau.
So denn……spannend bleibt es allemal.