Samstag, 8. Oktober 2016

Traum und Vermächtnis



So nun, ich habe mich so einigermaßen erholt und heute Morgen mit Gunnar alles erledigt, was erledigt werden muss.
Derek war nicht zu sehen und auch sonst niemand anderes half uns dabei von den Büroangestellten. Chefin sein, ist eben nicht immer der leichteste Job.
Meinen Liebhaber sahen wir dann beim Lunch in einer Ecke sitzen mit seiner Mutter Magdalena, seinem Balg und Giselle.
Beim Hereinkommen hatte ich ihn nicht bemerkt. Gunnar wies mich etwas später schweigend, mit einer Geste des Kopfes, darauf hin.
Ich schnaufte und Gunnar sah mir den Frust geradezu an. Aber WAS hatte ich denn erwartet.
„Ich weiß nicht, wie lange das mit Derek und mir noch so weiter geht.“, begann ich mit Gunnar ein Gespräch über meinen Liebhaber. „Zudem scheint er sich im Büro immer weniger zu befleißigen.“
„Vielleicht liegt das ja an mir und dass ich jetzt öfter hier im Zentrum bin. SO hat er sich das alles sicherlich NICHT vorgestellt.“
Ich nickte Gunnar mit ernster Miene zu. „Ich weiß. Aber ich bin glücklich darüber, dass du dich so um unsere Ehe bemühst und womöglich doch eher hier im Zentrum dein zu Hause siehst. Die Hilfe von dir in Firmenbelangen, kommt mir ebenso entgegen. Auf WEN vermag ich mich denn wirklich noch zu verlassen? Außer auf mich selbst, Kevin und dich.“
„Kevin ist eben durch und durch deutsch.“
„Ja. Ich bereue bisher keine einzige Minute, dass ich ihn hier einen Job gegeben habe, welchen er, trotz seiner Behinderung,  pravorös meistert. Er ist einfach ein genialer Mensch, auf den ich mich stets verlassen kann. Komme da was will.“
„Die Komponente des guten Freundes kommt noch hinzu.“, sagte Gunnar augenzwinkert und ich wusste, was er damit meint.
„Ja.“, bestätigte ich, was er im Satz vorher angedeutet hatte. „Uns verbindet noch immer ein besonders Band.“
Gunnar lächelte, neigte leicht den Kopf nach rechts. „Ich weiß.“
„Um ihn musst du dir keine Sorgen machen. Wir respektieren uns nur als gute Freunde.“
Ein kurzes Schmunzeln huschte über Gunnars Gesicht. „Meinst du nicht, dass da noch immer etwas mehr als Freundschaft ist?“
Nun musste auch ich zustimmend lachen. „Ja. Mag sein, dass das so ist. Dennoch ist er, außer mir selbst und dir, der einzige, dem ich vertraue.“
„Derek ist doch ebenso befriedigend in seinem Job. Er muss doch nicht am Wochenende arbeiten. Ist nur ein Angestellter. Das Zentrum gehört ihm doch nicht.“
„Ja. Mit dir war das aber anders.“
Gunnar lachte. „Weil ich dein Mann bin vielleicht, und vor allem“, nun wurde er ernst, „weil es der Traum meiner Mutter war und NUN ihr Vermächtnis ist.“
„Was meinst du wohl, warum ich so darum kämpfe?“
Gunnar nahm meine Hand und drückte sie. „Ich weiß. Deshalb helfe ich dir ja.“
Nach Minuten des stillen Speisens, kam Gunnar noch einmal auf Derek zurück, was mir sagte, dass er noch weiter über ihn nachgedacht hatte.
„Wirst du ihn feuern, wenn ihr nicht mehr zusammen seid?“
„Oh! Gott bewahre. Nein. Zumindest vorerst nicht. Vielleicht später, wenn ich einen adäquaten Ersatz gefunden habe.“
Ich schnaufte und wagte einen raschen Seitenblick zu Derek hinüber. „Ich werde unsere Beziehung aller Wahrscheinlichkeit nach in nicht allzu langer Zeit am besten selbst beenden. Ich denke, es ist besser so. Als Chefin muss ich Vorbild sein. Und wenn er doch jetzt ein Kind mit dieser Frau hat, gedenke ich ihn nicht vehement an mich zu binden, oder mich von ihm vorführen zu lassen. Mag sein, dass er noch immer verliebt in mich ist. Dennoch fühle ich, dass unsere Beziehung auf ein Ende zusteuert. Vielleicht flammt die Leidenschaft gelegentlich noch einige Male auf. Aber ich kenne das aus der Zeit mit Troels. Man mag nicht lassen und weiß dennoch, dass es zu Ende geht. Oder gehen muss, weil….und hier gibt es zahlreiche Komponenten, warum das so ist.“
„Vielleicht suchst du dir einen anderen Mann.“, schlug Gunnar vor. „Dann bist du nicht allein, wenn ich nicht bei dir sein kann.“
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Ich habe genug davon. Ich bin noch nicht einmal in der Lage deine Bedürfnisse zur Genüge zu erfüllen. WAS sollte ich mit noch einem neuen Mann?“
Gunnar zog die Brauen hoch und sah mich prüfend an. „Das bedeutet wohl, dass wir nun doch ein ganz normales, sich liebendes und ehrendes, miteinander lebendes, zueinander loyales Paar werden, wo sich der eine auf den anderen absolut verlassen kann.“ Gunnar lächelte leicht. Seine Worte hatten mich aufhorchen lassen.
„Was hast du vor? Bist du mir fortan treu Und kommst wieder zum mir ins Zentrum? Arbeitest hier?“
„Wow!“ Wow!“ Wow! Wir wollen nicht gleich übertreiben…“
„Das dachte ich mir.“, fuhr ich ihm berechtigt ins Wort.
„Nein. Nein. Das ist schon alles okay. Du siehst doch, wie viel Mühe ich mir gebe. Rea, ich liebe dich tatsächlich über alles und es liegt mir etwas daran, dass wir jetzt und hier zusammen bleiben.“ Er pustete die Luft durch die geöffneten Lippen und.... „Aber hier wieder arbeiten? Darüber reden wir noch.“
„Das tun wir doch gerade. Oder etwa nicht?“ Ich lachte ihm direkt entgegen und sah die Zustimmung in seinem Gesicht.
„Also, kommst du zurück ins Zentrum?“, setzte ich nach.
Gunnar antwortete nicht sofort. Wiegte den Kopf hin und her. „Das kann man nicht so rasch im Augenblick sagen. Warten wir noch und schauen, wie es weiter läuft. Entscheidungen treffen, können wir immer noch.“
„Würdest du denn gerne…“
„Ja. Vielleicht.“
„Was bedeutet das? Vielleicht.“
„Das ich es mir überlege.“ Ein kurzer abwägender Blick zu mir herüber sagte mir, dass dieses Thema noch nicht beendet war. “Bin ich dann dein Angestellter? Oder wie stellst du dir das vor? Dein Büro doch voll besetzt.“
„Das stimmt so nicht. Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann.“
Gunnar breitete die Arme aus und hob die Schultern. „Du hast Kevin.“
„Ja. Und ich möchte ihn nicht mehr missen. Er ist einer der wertvollsten Menschen für mich. Ob geschäftlich oder privat. Aber sieh mal, wen Derek alles einen Job verschafft hat von seinen ehemaligen Kollegen. Ich kenne diese Leute nicht. Mag sein, dass Mike ein Genie ist und Kirsten eine fabelhafte Computerspezialistin. Dennoch vertraue ich ihnen nicht und wenn ich ehrlich bin, Derek ebenso wenig. Er mag mein Liebhaber sein. Aber dennoch ist er ein Fremder.“
Gunnar lächelte. Sein Kopf bewegte sich hin und her, als könne er nicht glauben, was er da hört. „Ich vertraue ihm. So von Mann zu Mann und du kennst ihn nun doch schon einige Jahre.“
„Trotz alledem…..“ Es mochte wirklich so sein, dass Gunnar Derek vertraute. Aber bis wohin?
„Es ist wegen Giselle und dem Kind. Nicht wahr?“, schnitt er mir das Wort ab und riss mich aus meinen Gedanken.
Wozu leugnen? Gunnar hatte Recht. Ich nickte. „ Ja. Ich denke schon. Und ist es nicht stets mit Liebhabern und Konkubinen so? Das sie irgendwann…..verschwinden.“ Bei diesen Worten dachte ich an Alexa und ihr verdammtes Balg von meinem Mann. Wäre das Kind nicht, hätte ich eine ausgezeichnete Chance sie irgendwann doch noch aus meinem Leben zu verbannen. Vor allem aus Gunnars. Und ich bin der Meinung, es würde genau so kommen, wenn da nicht dieses Kind in Alexas Bauch wäre. Erneut wuchs der dringliche Wunsch in mir, sie, und vor allem das Bald loszuwerden. Nur wie?
„Und über Treue sollten wir noch einige Worte verlieren.“ Wechselte ich abrupt das Thema, damit Gunnar nicht in meinen Gedanken sah, welche bösartigen Pläne ich schmiedete.
Er lachte. „Nun ja……“
„Ich weiß, ich weiß, dass ich dich nicht wirklich zufrieden stellen kann…..“
„Ist schon okay. Es gibt schließlich noch Alexa, mit der ich jedoch derzeit ebenso vorsichtig sein muss. Oder Lara.“
„Lara? Nun gut. Du bist dir absolut sicher, dass sie NICHT mit anderen schäft?“
„Ich kann für niemanden die Hand ins Feuer legen. Aber ich denke schon. Deshalb sollte ich sie heute Nachmittag vielleicht einmal besuchen.“ Er zwinkerte mir zu und ich wusste genau, was er meint.
„Ja Tue das nur. Ich weiß, dass die Zeit für Sex kaum reicht, oder ich stets zu müde dafür bin. Auch die Spontanität hat bei mir stark nachgelassen. Das ist mir durchaus bewusst, dass dir UNSER Sex nicht genügt.“
„Ist doch kein Problem. Mit Lara heute. Oder?“
Ein sarkastisches Grinsen bahnte sich seinen Weg zu meinem Gesicht. Was hätte ich schon darauf sagen sollen?
„Nun sei nicht so?“, rechtfertigte er sich. Alldieweil man mir meinen Unmut vermutlich ansah. „Sie ist doch keine Fremde mehr.“

So hat mich Gunnar nun noch nach Hause begleitet und ist dann zu ihr gegangen, wo er im Augenblick noch ist. Anschließend*, merkte er an, wolle er noch zum Krafttraining und zum Schwimmen gehen. Für mich bedeutet das einen Nachmittag ganz allein.