Samstag, 29. Oktober 2016

Neue Bekanntschaften und alte Debatten



Während ich noch schrieb, am späten Freitagnachmittag, war Gunnar nach Stockholm gefahren, um Kurt abzuholen, damit wir gemeinsam zu Erik in den Zauberwald aufbrechen konnten. Ein wenig spät. Ich weiß. Schließlich war es bereits sechs Uhr am Abend. Jedoch hatte es noch einiges zu tun gegeben, für mich im Büro, um die Woche abzuschließen und das Selbige ebenso.
Gunnar war bereits vor Stunden los gefahren. Genau genommen hatte man Kurt noch im Hospital behalten wollen. Gunnar musste infolgedessen zuvor noch mit den Ärzten reden, damit diese ihre Zustimmung für die Entlassung gaben.
Als Gunnar dann endlich mit Kurt ins Zentrum kam, um mich mitzunehmen, fand er mich noch immer in meinem Büro.
„Komm‘, ich fahr dich zum Haus.“, sagte Gunnar zu mir. „Dort kannst du deine Sachen packen. Ich nehme an, das hast du noch nicht getan.“
Kurt kam mit mir und nahm derweil im Wohnzimmer Patz. Brabbelte etwas vor sich her und war offenbar froh darüber, endlich diese schändliche Hütte, namens Krankenhaus, wie ich ihn sagen hörte, hinter sich zu lassen. Gunnar verschwand und ich dachte mir, er wird zu Alexa gehen, um sich zu verabschieden. Infolgedessen packte ich meine Sachen allein und unterhielt mich ein wenig mit Kurt.
Aus seinen Worten hörte ich Widerstand gegen DAS, was ihm widerfuhr. Er nahm die Tatsache krank zu sein, schlichtweg nicht ernst. War sich der Tragweite der Diabetes bei Weitem nicht annähernd bewusst und dass es zukünftig für ihn eine Lebensveränderung bedeutete. Von all dem wollte er nichts wissen. Ihm fehle nichts. Es wäre doch alles wieder in Ordnung. Argumentierte er.
Gunnar kam zurück und die beiden Männer gingen zum Wagen vor. Ich zog mir den Mantel über, die Schuhe an, nahm meine Tasche und schloss hinter mir ab. Als ich allerdings die hintere Tür des Wagens öffnete, vorn saß Kurt, fand ich Alexa dort vor.
Noch augenblicklich ließ ich meine Tasche fallen. Patsch! Weigerte mich einzusteigen. Gunnar begann zu diskutieren. Ich wendete und ging zurück zum Haus. Gunnar kam mir hinterher. Hielt mich am Arm und wir debattierten weiter. Ich beharrte darauf, eben NICHT mehr mit zu fahren.
„Das ist nicht dein ernst.“, fragte Gunnar noch ein wenig ungläubig lächelnd.
„Warum denn nicht? Ich dachte wir wollten es trennen. Deine Konkubine und mich. Und JETZT fährst sie mit zu Erik? Was soll das werden?“ Ich war wütend und begann zu schreien.
„Es ist wichtig Rea.“ Gunnar wirkte fast verzweifelt. Ich wusste, er ließ NICHT von IHR ab. Und ich NICHT von meiner Entscheidung, hier zu bleiben.
Gunnar schnaufte. „Okay. Dann bleib hier, wenn das dein Wunsch ist. Ich komme Morgen wieder hier her, bringe Alexa mit und DU kommst dann mit mir zu Erik zurück.“
Ich nickte und ging schweigend zum Haus, wo ich alleine blieb. Denn es war mitnichten meine Absicht gewesen, Derek anzubetteln, der vermutlich so wie so andere Pläne hatte und bei Giselle oder sonst wem war.
Was Jason betraf, fehlte mir der Mut. Ich hatte keinerlei Verlangen wie Lara zu enden. Und ich gedachte auch niemand anderes zu bitten, bei mir zu sein.
So sah ich eine Weile lang fern und ging dann schlussendlich, gegen halb eins, zu Bett.

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Heute Morgen gab es unerwartet viel zu tun im Zentrum. Nur gut, dass ich bereits zeitig aufgestanden war, alldieweil ich dachte einkaufen gehen zu müssen. Allerdings allein, nach Stockholm, wollte ich dann doch nicht gehen und dachte darüber nach, wen ich mit mir nehmen konnte. Rief dann schlussendlich Ryan an, ob er jemand passendes für mich finden konnte. Als Bodyguard so zu sagen.
Am Ende entschied ich mich für Greg Hagen. Er hatte mir noch Sasha Fließe, Troels und Clive Gråbøl vorgeschlagen, nachdem ich ihm meinen Widerwillen Derek gegenüber zum Ausdruck gebracht hatte.
„Schließlich hat er ebenso Verpflichtungen. Mutter, Frau und Kind.“
Ryan hatte sich ausschließlich daraufhin geräuspert und nicht weiter nachgefragt.
Ebenso hätte ich mich für Paul Bradley oder Josh Summerhead entscheiden können, die mir Ryan gleichermaßen als Begleiter offerierte. Meine Wahl fiel jedoch auf Greg Hagen.
Warum? Ja, warum? Weil ich neugierig auf ihn war. Insbesondere nach unserem ersten Gespräch, als wir zusammen an einem Tisch im Restaurant gegessen hatten. Vermutlich war es so. Und nein, ich hegte keinerlei Gelüste auf ihn. Schließlich bin ich nicht mein Mann. Es war ohnehin bereits schwierig genug, diesem Greg zu erklären, worin seine Aufgaben bestanden und das ich keinerlei privates Interesse an ihm hätte. Diese Äußerung war, meiner Einschätzung nach nötig, nach ein paar eindeutigen Anspielungen. Denn wirklich vertraulich, gedachte ich mit ihm nicht zu werden.
Greg Hagen verstand erstaunlich zügig, dass ich offenbar NICHT DIEJENIGE war, für die mich wohl viele hielten.
Später, als wir zurück im Zentrum waren, hatte ich ihn gebeten mir noch weiter behilflich zu sein. Mit mir ins Lager und hinüber in das zweite Areal zu gehen. Dort war ich teilweise sogar gezwungen mit anzupacken und Greg war erstaunt darüber. Dann noch viel mehr, als er erfuhr, wie krank ich eigentlich war. Er staunte nur so und bestätigte mir noch einmal mit ernstem Ton, dass alles, was man über mich erzählte, nicht der Wahrheit entsprach.
Anstatt Begierde, sah ich nun Respekt in seinen Augen. Ich lächelte ihm milde zu. Bat ihn dann sogar noch mit mir zu speisen. Er sagte zu.
Wirkliche Ruhe, gab es für mich allerdings auch dort nicht.
Als erster kam Troels und trug mir Beschwerden der Gäste an. Es ging um Lisa Anekelea. Bei dieser Gelegenheit, bat ich Troels Jason zu uns an den Tisch zu holen. Mit Jason allein hätte ich nicht geredet und mich somit dem eifersüchtigen Wahnsinn seiner Frau ausgesetzt. Jedoch SO, saßen noch zwei andere Männer mit an meinem Tisch. Das konnte, selbst in Lisas Augen, weder auffällig noch Intimität mit ihrem Manne gelten.
Ich redete kurz mit Jason in gewohnter gebieterischer, selbstbewusster Art. Und erneut sah ich Gregs anerkennende Blicke aus dem Augenwinkel.
An diesem Tag war mir Greg ziemlich nahe gekommen und hatte viel Geschäftliches, Privates und sogar Intimes von mir gehört. So konnte er sich zumindest eine ganz eigene Meinung von mir bilden. Fern ab vom allgemeinen Klatsch und Tratsch.
Und zu guter Letzt, kam auch noch Gunnar an unseren Tisch. Er sah mich an und dann zu Greg. Stutze und ich wusste, was er dachte.
„Ich bin nicht du.“, sagte ich nur und er wusste, was ich meinte.
„Du hast Alexa zurück gebracht?“, fragte ich ihn in einem herrischen Ton.
„Ja.“
„Einen Augenblick noch. Ich esse fertig, dann können wir fahren.“
Gunnar räusperte sich und ich wusste, DAS bedeutete nichts Gutes. Ich sah es an seinem Blick und seinem Verhalten, dass da noch etwa in petto lag. Fragte folge dessen hastig nach.
„Was ist? Hat sich etwas geändert? Fahren wir nicht?“
Er schmunzelte ein wenig und senkte den Kopf und sah mich dann wieder, verschmitzt lächelnd an. „Doch, doch. Aber ich wollte dir sagen, dass Alexa wieder mit uns kommt.“
Ich rang nach Luft. Wollte nicht begreifen. Was sollte das nun?
Greg saß noch immer an unserem Tisch und schien nun gehen zu wollen. Vielleicht war es ihm unangenehm in einen Streit zwischen Eheleuten zu geraten. Und da ich ihn nicht beachtete, hatte er keine Chance, mich etwas zu fragen, oder sich von uns zu verabschieden. Infolgedessen wurde er Zeuge unserer ehelichen Auseinandersetzung. Da diese offenbar eine Zeit lang andauerte, was ich aus der Aufregung heraus kaum bemerkte, kam dann sogar noch Alexa dazu und es wurde noch heikler. Allerdings dachte ich eben nicht daran, mir eine Blöße zu geben. Und genau dazu war es gut, dass Greg noch nicht gegangen war. Denn ich hatte nicht die geringste Absicht vor ihm zu entgleisen. Trotz der angespitzten Lage. (Was mir wohl noch mehr Ehrfurcht bei ihm einbrachte.)
Nach kurzen lauten Sätzen beruhigte ich mich stets ganz beherrscht von selbst. Gunnar und ebenso Alexa gegenüber stellte ich klar, das man mich weder belächeln noch mich tätscheln konnte wie ein Kind. Ich blieb ruhig und sachlich. Sprach über alles, was es meiner Meinung nach zu sagen gab und Greg hörte mit. (Vielleicht war das auch gut.)
Gunnar gab nicht nach mich zu bedrängen, das sich mit ihnen kommen soll. Obgleich ich doch mehr als deutlich war mit meinen Worten, dass ich unter diesen Umständen eben NICHT beabsichtige, hier weg zu gehen, sofern uns Alexa begleitet.
Auch mit Alexa hatte ich geredet. Darüber wie SIE sich fühlt, als zweite Frau, wo sie doch wusste, dass Gunnar mich nie verlies.
Ich fand es gut, die beiden mit diesem Thema zusammen zu konfrontieren. So erhielt ich zumindest die Gelegenheit ihre Mimik und die Blicke, welche sie austauschten, zu studieren. Ob da etwas war, was mir vielleicht Sorge bereiten sollte. Aber ich konnte nichts wirklich Besorgniserregendes finden.
Gunnar ließ gleichwohl vor Alexas Augen keinen Zweifel daran, dass ICH, seine Ehefrau war und sie auch bleiben würde. Kind oder nicht.
MIR jedoch suchte er die vor allem magische Bedeutung des Kindes klar zu machen.
„Ist sie jetzt Mutter Maria mit dem heiligen Kinde?“, ließ ich eine Spitze fallen. Gunnar reagierte nicht. Alexa presste die Lippen aufeinander.

Um all dem ein Ende zu bereiten, kapitulierte ich. Gab Gunnars Wunsch schlussendlich nach. Mein Augenmerk richtete sich jedoch bereits auf die kommenden Feiertage, Familienfeste und die Geburt von Gunnars Kind, wo ich mir in meinem Inneren vorbehielt, womöglich doch allein, oder mit wem auch immer, weit weg zu verreisen. Denn ich hatte genug von den Demütigungen!
(Von meiner derzeitigen Erschöpfung, aufgrund der Anstrengungen heute Morgen, und meiner angeschlagenen Gesundheit einmal ganz abgesehen.)


Alexa, mit ihrem dicken Bauch, saß selbstverständlich vorn neben Gunnar. Ich hinten. Was ich eher Zähne knirschend hingenommen hatte. Allerdings ließ ich mir weder vor Gunnar, noch vor Alexa irgendetwas anmerken. Ich lächelte geruhsam und weise vor mich hin, als müsse alles so sein, wie es eben gerade so war.
Was hatte ich denn für eine Wahl? Gleich, wie ich mich auch entschied, schoss ich mich selbst ins Aus. Worüber ich bereits im Restaurant, in Gregs und Alexas Gegenwart,  mit Gunnar sprach. Gab ich Gunnars Wunsch nach, kam es einer Demütigung gleich und Alexa hatte gewonnen. Gunnar so wie so. Sein Ziel blieb nach wie vor die große Familie, wo alle friedlich zusammen waren. Selbstredend  MIT Alexa. Er selbst hatte es zugegeben. Wenn Alexa das magische Kind erst geboren hat, gehört sie selbstverständlich zu uns (uns?!).
Nur mit ihr war es anders, als mit Marie. Und immer wieder mein Erstaunen darüber, dass Gunnar zwei Kinder mit meiner Halbschwester hat, was ich ebenfalls zu tolerieren habe. Zudem sie uns genau zu den Tagen der Geburt des dritten Kindes besuchen werden.
Gunnar Äußerte in diesem Zusammenhang ebenfalls, dass es KEIN Zufall gewesen sein konnte, dass Alexa das erste Kind verlor.
„Ich mach‘ mir jetzt keine Vorwürfe mehr. Es musste wohl so sein.“, hatte er gesagt. Und vermutlich hatte er sogar Recht damit und all meine magischen Wünsche, von damals und heute, verpufften im Nichts.
Setzte ich mich nun allerdings durch und folge Gunnars Wunsch eben NICHT, überlies ich Alexa das Feld. Das ewige Dilemma. Wo ich stets nur die Arschkarte zog. In beiden Fällen. Man möge mir meine Ausdrucksweise verzeihen.
Also, gleich welchen Weg ich wähle, er ist beschissen. Selbst, wenn ich das Äußerste nähme. Mich von Gunnar zu trennen,….was ich mitnichten will.

So, nun vergrabe ich mich in meinem Zimmer bei Erik im Zauberwald und schreibe. Entziehe mich (bisher) allem……….was selbstverständlich nicht so bleiben wird.
Und dann erneut, gute Miene zum bösen Spiel. Oder kann ich mich zum Selbstschutz womöglich doch überwinden, schlicht und einfach sogar ein wenig glücklich damit zu sein, wie hier, auch MIT Alexa, alles ist?
Gunnar kommt ab und an herein. Schaut nach mir. Liebkost mich gelegentlich und frag mich, ob alles in Ordnung sei. Ich nickte. Bleibe ernst dabei. Er schaut mich an mit zweifelndem Blick. Ich werde wütend und erwidere: „Was soll ich anderes sagen?! Du weiß genau, dass es mir nicht gefällt, wenn Alexa in meiner Nähe ist UND, dass es sie überhaupt für dich gibt.“ In diesem Moment vermochte ich mich nicht mehr zu beherrschen. Nun gut, in Alexas Gegenwart hätte ich meine Worte abgemildert, oder dergleichen nicht erwähnt. Gunnar jedoch sollte es wissen.
Er sah mich entsetzt an und zog die linke Braue nach oben. Seine Reaktion war mir so was von egal! Ich war und bin zornig! Würde am liebsten einen Mord begehen!