Dienstag, 8. November 2016

Alles völlig NORMAL



Tja nun, WAS ist gestern noch geschehen?
Während sich Gunnar über uns vergnügte, arbeitete und unterhielt ich mich mit Kevin. Und ich ließ es sogar zu, dass selbst Mike Privates von mir erfuhr, während ich mit Kevin über Gunnar sprach. Ohnehin wissen die meisten, was Gunnar, neben mir und Alexa, gelegentlich so treibt. Wobei ich Gunnar beinahe noch verteidigen muss. Wo er sich doch solche Mühe gibt,…in letzter Zeit und ich hoffe, er lässt nicht nach damit. Aus diesem Grund war ich ihm gleichwohl nicht böse, als er weit nach dem Lunch, welchen ich mit Kevin eingenommen hatte, (frisch geduscht) zu uns kam, mich froh gelaunt umarmte und küsste. Was ich mit einem Lächeln hinnahm und geschehen ließ.
Kevin hatte die Augen zusammen gekniffen. Fragend war sein Blick. Ich machte ein bedauerndes Gesicht. Presste die Lippen aufeinander und zwinkerte zu ihm hin. Was so viel wie `alles in Ordnung´ bedeuten sollte, und er selbstredend verstand. Er neigte den Kopf ein wenig und setzte zum Schütteln an. Lächelte aber dann.
„Alexa war hier und suchte dich.“, sagte ich schließlich zu meinem zufrieden ausschauenden Ehemann. „Ich sagte ihr, sie solle dich gegebenenfalls eine Etage höher suchen. War sie da?“
„Nein.“
Da er meine ausgesprochene Vermutung, dass er  den Vormittag über im oberen Stockwerk war, nicht monierte, gab er mir damit (s)eine Bestätigung. Später gestand er mir dann ebenso, mit WEM er dort gewesen war. Lara natürlich, Waris Björnsdottir und Ailin Zai. Nach noch mehr zu fragen, war mir nicht. Denn DAS genügte mir.

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Gunnar hatte übernommen und war für den Nachmittag im Büro geblieben, während ich nach Hause ging. Entspannte, ein wenig meditierte, zwei, drei Übungen absolvierte, schrieb und im Internet surfte. Er kam gegen halb acht zu mir ins Haus. Entschuldigte sich und sagte mir, dass er noch kurz bei Alexa gewesen wäre.
„Bitte sei so nett, ich will sie heute hier nicht sehen.“, bat ich meinen Mann.
Gunnar zog die Brauen hoch. Offenbar hatte er bereits geplant sie her zu holen. „Dann muss ich aber später noch einmal nach ihr sehen.“
„Meinetwegen.“
Das Dinner ließ ich mir bringen, und Gunnar dann ebenfalls.

Ein geruhsamer Abend hätte mir bevor gestanden, wäre da nicht der Anruf von Alexa gewesen. Es war so gegen halb ein. Wir hatten uns gerade von der Couch gelöst und entschlossen zu Bett zu gehen. Ich war bereits im Bad, um meine Zähne zu putzen, als plötzlich Gunnars Handy läutete. WAS konnte, um der Götter Willen, SO wichtig sein? Dachte ich so.
Offenbar war sie unzufrieden über den Zustand des Alleinseins und bat Gunnar nun zu ihr zu kommen, wenn SIE schon nicht bei ihm (uns)  sein konnte. Gunnar haderte. Startete den Versuch mich zu überreden, dass sie doch bei uns schlafen kann. Ich sagte, mit aller Konsequenz, NEIN. Also ging er schlussendlich gegen ein Uhr zu ihr hinüber, nachdem es zwischen uns eine scharfe Diskussion gegeben hatte. Und ICH,…..rief Derek an.
„Bist du allein? Bist du zu Hause?“, waren meine ersten beiden Fragen.
Derek war selbstredend verschlafen und daher dauerte es verständlicher Weise eine kurze Zeit, bis eine Antwort kam. Zuerst jedoch ein Räusperer und die Frage: „Rea, bist du das?“
„Ja.“
„Ist etwas passiert?“
Ich schnaufte. „Nein. Nicht wirklich und nichts Ungewöhnliches. Ich wollte dich nur etwas fragen. Erlaubst du es mir?“
Ein erneutes Räuspern auf der anderen Seite und ein gequältes Stöhnen dazu. Offenbar richtete er sich auf.
Dann die erste, klare Antwort. „Ja. Ich bin allein. Und ich bin zu Hause. Worum geht es denn?“
„Würdest du zu mir herüber kommen?“
„Pfffff….ja. Wo ist dein Mann?“
„Na wo wird er wohl sein? Bei Alexa natürlich. Jetzt eben gegangen.“
„Okay. Aber möchtest du nicht vielleicht zu mir herüber kommen?“
Ich zögerte mit der Antwort eine Weile lang, alldieweil ich genau genommen eben NICHT beabsichtig hatte, noch einmal nach draußen, in die Kälte zu gehen.
„Okay. Warum nicht.“, gab ich dann nach und dachte darüber nach, ob es ihm wohl ähnlich ging wie mir, der Kälte wegen. Oder war doch noch eine andere Ursache zu finden. Späterhin klärten wir das
warum.

Infolgedessen schlief ich diese Nacht bei Derek. Intim wurden wir allerdings NICHT. Es war das leidliche Thema, genau wie bei Gunnar und mir. Zwar hätte ich schon ein gewisses Verlangen verspürt mit Derek zu schlafen, war jedoch zu müde dafür und schlief umgehend in seinen Armen ein. Am Morgen dann eher die Eile. Denn zumindest gedenke ich auszuschlafen ohne das Klingeln eines Weckers zu hören. Diesen Luxus genehmige ich mir….als Chefin. Und als kranke Frau. Zudem machte sich Unruhe in mir breit. Trotz alledem absolvierte ich rasch ein paar Übungen. Ein bisschen Atmen, ein bisschen Dehnen und Chi Gong.
„Ich gehe mal eben zum Haus hinüber, um meine Medikamente zu holen.“, sagte ich zu Derek, der gerade vor dem Spiegel stand und sich rasierte. „Begleitest du mich?“
Er drehte sich zu mir um. „Wenn du wartest, komme ich mit.“
Also wartete ich auf ihn. Und da beklagen sich Männer über Frauen, wie lange sie brauchen, bevor sie gehen können? Ich kenne das eigentlich nur umgekehrt. Obwohl Gunnar für gewöhnlich nicht (mehr) so eitel ist und sich stundenlang im Bad aufhällt. Nur ab und an. Gelegentlich, wenn ein besonderer Anlass vorliegt. Sonst doch eher nicht.
Aber egal.
An Haus angekommen beeilte ich mich. Rannte die Verandatreppe nach oben, öffnete die Tür und ging dorthin, wo der Medizinschrank hängt, um mir meine Medikamente heraus zu nehmen. Derek war mir bis zur Tür gefolgt und stand nun in deren Rahmen. Wartete auf mich. Aus dem Augenwinkel heraus hatte ich eine Bewegung im Schlafzimmer wahrgenommen und schrak auf.
„Ist da wer?“, hörte ich Gunnar fragen.
Ich ging zur Tür und öffnete sie ganz. Musste offenbar recht verdutzt drein geschaut haben, als ich ihn und Alexa in unserem Bett sah. Denn Gunnar begann zu lachen.
„Was ist?“, fragte er.
„Ich dachte du bis bei ihr?“
„Ob ich nun hier oder dort bin, spielt doch keine Rolle.“
Natürlich nicht. Was dachte ich nur?
„Dann sag‘ mir, WIESO du dich entschlossen hast, doch noch hier MIT IHR zu schlafen?“
„Frau!“ Gunnar schnaufte und setzte sich auf. „Weil hier einfach mehr Platz ist. Und du hättest es doch sicherlich nicht bemerkt, wenn wir gekommen wären, als du bereits schliefst.“
Ahh! So war das also.
Ein kurzes, zynisches Lachen huschte über mein Gesicht. Ein enttäuschter Blick traf meinen Ehemann. Traurigkeit. Aber WAS erwartete ich denn? Es war nun einmal wie es ist. Hatte ich es noch immer nicht kapiert? Oder was?
„Komm, bleib hier.“, forderte mich Gunnar mit versöhnlicher Stimme zum Bleiben auf, da ich offenbar keine Bereitschaft zeigte, abzuleben.
Ein (zu) trotziges „Nein.“, entfuhr mir in diesem Augenblick. „Ich möchte Frühstücken gehen.“
Gunnar breitete die Arme aus. Was offenbar bedeuten sollte, was ist los mit dir? Alexa war nun gleichfalls wach, hatte sich ein Stück hoch gerappelt und lächelte mich an.
SIE lag mit MEINEM Mann in UNSEREM Ehebett und sah mich grinsend an!!! Ein Affront für mich! Aber so war es eben und es nutzte nichts, sich da noch weiter aufzuregen. Alles völlig NORAL!
Ich atmete tief durch, wendete und ging.

Im Restaurant die nächste Infamität. Giselle echauffierte sich darüber, dass Derek mit mir zusammen war. Begann einen Streit und ich bat Derek bitte unseren Tisch MIT IHR zu verlassen.
Da sie sich allerdings nicht zu beruhigen gedachte, mitten im Restaurant stand und mit Derek lauthals stritt, bat ich mit einem lautlosen Nicken Sarah Sjögren, die gerade dort in der Nähe saß, ein wenig zu schlichten. Denn einige der Gäste schauten bereits ein wenig genervt drein. DIES war völlig unakzeptabel!
Sarah stand auf und ging zu Derek und der keifenden Giselle hinüber. Mischte sich (auf meine Anweisung hin) ein und forderte sich auf ruhig zu sein, oder besser nach draußen zu gehen, um ihren Streit auszutragen, damit die anderen Gäste nicht gestört würden durch sie.
Auch Derek wurde nun ein wenig resoluter Giselle gegenüber. Er packte sie am Arm und führte sie zu ihrem Tisch, wo das Kind begonnen hatte zu schreien.
„Kümmere dich um unsere Kind.“, wies er sie an. „DU wolltest es. Hörst Du nicht, dass es schreit.“
Anstatt der trotzigen Giselle nah nun Derek das Kind und wiegte es in seinen Armen. Die meisten der Gäste beobachteten das. Und ich sah, wie die Männer anerkennend nickten. Eine allgemeine Zustimmung Dereks Verhalten gegenüber machte sich offenbar breit. Sieh einer an. Dachte ich so. DEREK, als Vater, erfährt Würdigung für sein Tun, von den anwesenden Männern. Also konnte er doch nicht SO schlecht sein…..
Die Lage beruhigte sich und offenbar auch Giselle. Wenn auch nur augenscheinlich. Derek übergab das Kind an sie und kam zurück an unseren Tisch und wir begannen ein Gespräch darüber, warum unsere Beziehung so ist wie sie ist. Und ich stellte fest, dass er zwar, in gewissem Maße, ein Gigolo war, aber dennoch ein recht anständiger Mann, der mich immer noch liebt, und dem es zusagen würde, mich wieder öfter zu sehen.
„Du fehlst mir.“, hatte er gesagt, mit einem sehnsüchtigen Blick der mich rührte. Und ICH, hatte gedacht, es sei besser, ihn nicht mehr zu sehen. Oder, ihm zumindest aus dem Weg zu gehen. Und ich gestand ihm auch, dass ich ihn am aller liebsten wieder im Büro, bei mir hätte.
Derek lachte. „Ich glaube, das macht keinen Sinn, jetzt nochmal zu wechseln. Ich fühle mich wohl, wo ich jetzt bin.“


Derek begleitete mich noch zum Büro und ging dann zu Ryan, für seine Einteilung zum Dienst. Denn er hatte nun, meinetwegen,  bereits die halbe Frühschicht versäumt. Was ich natürlich, mit einem kurzen Anruft am Morgen mit Ryan geklärt hatte. Ein kurzer Satz der Verwunderung wurde von ihm ausgesprochen und dann das okay. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte die öffentliche Meinung der Gerüchteküche bereits entschieden, dass mein Verhältnis zu Derek beendet war.
Schon eigenartig, was das die Leute so interessiert.

Gunnar ist soeben gerade erschienen. Schön, dass Mann sich DAS als Chef so leisten kann........ (Vermutlich hat ihm diese Disziplinlosigkeit gefehlt.)
Das eigentlich gestrige Briefing, wird heute, gleich nach dem Lunch, nachgeholt.
Gunnar strahlt. Er kommt beschwingt auf mich zu. Zügelt jedoch seine Überschwänglichkeit ein wenig, da wir schließlich im Dienste sind. Umarmt mich. Küsst mich….dennoch. Warum auch nicht?
„Wie geht es Alexa?“, frage ich ihn.
Er sieht mich erstaunt an. „Du sorgst dich um sie?“
„Wieso nicht?“
Gunnar grinst. Küsst mich wieder, hält mich mit beiden Händen bei den Schultern und sieht mich Freude strahlend an. „Es freut mich, dass du nach ihr fragst. Wir waren gemeinsam frühstücken und ich habe sie dann nach Hause gebracht. Es geht ihr wieder gut.“
„War sie böse meinetwegen?“ Oh Gott! Was tat ich denn da?! Selbst ich war erstaunt über meine Worte und Gunnar erst. Er war ein Stück zurück getreten und sah mich zweifelnd an. „Ähhh….nein. War sie nicht.“
„Ich dachte nur, weil ich vorhin ein wenig patzig war.“
Gunnar schüttelte den Kopf. „Schon okay. Ich hatte ihr erklärt, dass es dich vermutlich stört, dass wir beide doch noch zurück ins Haus gekommen sind und du nichts davon wusstest. Das du wahrscheinlich geblieben wärst, wenn ich es dir gesagt hätte.“ Er machte ein bedauerndes Gesicht. Sprach jedoch sogleich und zügig weiter in entschuldigendem Ton. „Und es tut mir auch leid. Ich dachte, du wärst allein. Hatte auch deshalb Alexa gebeten mit mir hinüber ins Haus zu gehen. Und natürlich auch des Platzes wegen.“ Nun zwinkerte er mit beiden Augen zu.
„Ich dachte du wolltest mit Alexa allein sein.“, erwiderte ich nun.  „Allerdings wollte auch ich nicht allein bleiben und rief eben Derek an. Hätte auch sein können, dass er anderweitig beschäftigt gewesen wäre. Ich meine, was hätte ich sonst tun sollen?“ Warum fühlte ich mich eigentlich schuldig und hatte das Bedürfnis mich zu rechtfertigen??? War ER es nicht, der mit seinen ständigen Liebschaften Unfrieden zwischen uns brachte?
Gunnar schnaufte und fuhr sich mit der Hand übers Kinn. „Vielleicht sollten wir das mal zukünftig besser absprechen. Damit es keine Missverständnisse diesbezüglich mehr gibt.“
Wo er Recht hat, hat er Recht.