Dienstag, 14. Februar 2017

Ambrosius für meine Seele



Den ganzen Tag über, bis in den Abend hinein, war ich mit Charlie zusammen. Wir sahen fern und unterhielten uns. Vertieften, so zu sagen, meine nächtlichen Bemerkung.
„Meintest du das wirklich ernst, dass du dich womöglich in mich verliebt hast?“
„Ja.“
„Einfach nur ja?“
„Ja.“
Er kratzte sich am Hals, direkt unterm Kinn und lächelte mich an. „Okay.“
Und dann kam ein leichtes Spiel von was wäre wenn?
Am Ende führte es nicht wirklich wohin. Nur dazu, dass wir beide wussten, dass es tatsächlich erst(-er) werden könnte, WENN es weiter geht mit uns beiden. Die Frage, die immer im Raum stand, war meine Ehe. War Gunnar. Schließlich war ich verheiratet. Und ein zweiter Derek wollte er nicht sein.

Halb elf kam Derek vorbei. Charlie öffnete die Tür und bat ihn herein.
„Heute ohne deine Freunde?“, fragte ich ihn.
„Ja.“ Derek nickte verlegen. Kniete dann direkt vor mir nieder, nahm meine Hand und küsste sie. „Es tut mir so leid. Verzeih mir bitte. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war, dich so zu beleidigen. Ich war nicht ich selbst.“
„Was hattest du denn eingeworfen?“, fragte Charlie aus dem Hintergrund.
„Keine Ahnung, was sie mir gegeben hatten.“
Für einen kurzen Augenblick hielt ich den Atem an. OH! „Was meinst du damit? Was sie dir gegeben hatten.“
„Sie hatten mir tatsächlich etwas in den Drink. Dachten es wäre dienlich für den Mut, welchen ich bräuchte, dir das anzutun.“
Ich nickte. Hatte ihm schon längst vergeben, wenn ich ihn so vor mir knien sah mit Reue in den Augen. „Nennst du diese Männer tatsächlich deine Freunde?“, fragte ich Derek in einem ruhigen Ton, der nicht vorwurfsvoll klang und klingen sollte.
Der sah mir in die Augen. Hob und senkte den Kopf dabei. Jedoch nicht zu sehr bejahend. Doch eher aus der Feststellung einer gemeinsamen Vergangenheit heraus, die er mit diesen Männern hatte.
„Wie du meinst.“ Sanft strich ich Derek mit meiner Hand über seinen Kopf. Ich konnte die Haaransätze an meiner Handinnenfläche spüren und sie auch sehen. Er hatte seinen Schädel sicherlich tagelang nicht rasiert. Alles andere an ihm, war makellos perfekt.

Nun, um es abzukürzen, Derek wollte nicht mehr gehen. Und da er sich nicht gedachte aufzudrängen, stand er mehrmals an der Tür und war bereit hindurchzugehen. Tat es jedoch nicht.
Den Rest des Abends redeten/diskutierten die beiden Männer miteinander. Sie konnten sich nicht entscheiden, wer nun bleibt und wer gehen sollte. Und auch ICH traf diese Entscheidung nicht. Am Ende blieben beide.
Für Charlie offenbar eine durchaus ungewohnte Situation, die er bravourös meisterte. Dasselbe gilt für Derek.

Wir entschieden uns dafür, alle drei in einem Bett zu schlafen. Es geschah nichts weiter, als das wir nebeneinander lagen. Und es war einfach nur erstaunlich und angenehm, diese beiden fabelhaften Männer (denn in diesem Augenblick waren beide einfach nur unbeschreiblich!), rechts und links an meiner Seite liegen zu haben. Das hob Gunnars Demütigungen der letzten Tage auf.

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Der Morgen darauf, wurde noch bemerkenswerter.
Als ich erwachte, sah ich in Charlies Augen.
„Du bist eine überragende, eine großartige und beeindruckende Frau. Weißt du das Rea?“
Ich war verwundert. Konnte darauf nichts sagen. Hatte damit nicht gerechnet und konnte mir nicht wirklich denken, wohin diese Reise führt.
Auch Derek war bereits erwacht und stimmte Charlie wohlwollend zu.
„Ich hatte keine Vorstellung, welche Größe du besitzt.“, sprach Charlie weiter. „Man erzählt sich so viel Sonderbares, Billiges und auch Anstößiges über dich. Diese Leute kennen dich nicht UND sie sind im Unrecht damit. Da ist nichts Ruchloses, Schändliches an dir. Ich sehe nur eine Königin mit einem großen Herzen.“
„Wow!“ Ich war erstaunt. „Vielen Dank. Ich freue mich, dass du das so siehst. Aber wie…..“
Charlie ließ mich die Frage nicht zu Ende formulieren. „Da ist nur Erhabenheit, gepaart mit Herzlichkeit. Ehre, Würde, ohne jeglichen Makel.“
„Übertreibe es nicht, mein Lieber. Das bin ich doch nicht wirklich. Ich bin wie jeder Mensch, weder gut noch böse und kann mich in jedem Augenblick entscheiden, WIE ich sein will.“
„Sieh nur, wie schnell du Derek vergeben hast.“
„Ja. Weil ich ihn liebe.“, kam meine prompte Antwort durch mein Herz gesprochen in die Außenwelt. Ohne Scham oder Eitelkeit zu fühlen.
Charlie lächelte. Er war nicht eifersüchtig. „Und für mich beginnst du gerade erst so zu fühlen.“
Was war nur los an diesem Morgen? Dachte er wirklich SO von mir? Das war überaus erstaunlich! (Nach so kurzer Zeit.)
„Wir drei liegen in diesem Bett und es ist nichts Schmutziges passiert.“
„Ja. Sähe das jemand, würde man wer weiß was denken.“, steuerte Derek s-einen Satz dazu.
„Die Menschen sind zumeist charakterlich verdorben, so wie die zutiefst patriarchal geprägte Gesellschaft um sie herum.“
Charlie lächelte und sprach weiter. „Aber du Rea, erhellst das Ganze durch deine Anwesenheit und machst uns beide glücklich. Ohne Missgunst, Neid und Anstößigkeit. Ohne Gier und Lüsternheit. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Ohne Sex zu haben, mit einer Frau und vor allem noch einem Mann in einem Bett zu liegen, ohne dass es schäbig wirkt.“
Die beiden Männer strahlten mich an, als hätten sie Ambrosius getrunken. Ich war über die Maßen überrascht…..und glücklich (dass Charlie so eine hohe Meinung von mir hat…und wohl auch Derek).

Ich orderte das Frühstück und noch bevor es kam, klopfte es an der Tür und Kevin rollte zu uns herein. Wunderte sich über die Dreisamkeit und grinste.
„Oh! Heiße Nacht?“
Und wie aus einer Kehle antworteten wir drei mit einem „NEIN.“

„Komm, setzt dich doch mit zu uns. Wir frühstücken gemeinsam.“, sagte ich zu Kevin. Derek rückte einen Stuhl zur Seite, damit Kevins Rollstuhl in die Lücke passt.
„Ja. Ich bin eigentlich wegen der Bestellung gekommen. Sie MUSS JETZT raus. Gunnar ist offensichtlich noch nicht wieder zurück.“
„Er wird heute kommen.“, und kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, öffnete sich die Tür und Gunnar kam herein.
Rums! Ließ er seine Tasche fallen und sah lächelnd in die Runde. Die Züge seines Gesichtes drückten Verwunderung aus. „WOW!“, sagte er und nickte lächelnd. „Darf ich mich zu der Party dazu gesellen, oder werde ich nicht gebraucht?“
„Nun“, ergriff ICH das Wort (wie es mir in diesem Augenblick gleichwohl gebührte), „womöglich magst du zu Alexa und deinem Sohn Ragnar gehen. Die brauchen dich in diesem Augenblick womöglich dringlicher als ich.“
Ich machte eine kleine Pause. Beobachtete Gunnars Mimik und Gestik ganz genau und sprach dann weiter.
„Aber es wäre schön, wenn du im Ganzen bleibst. Denn wenn sich diese Runde für heute auflöst, würde ich DICH brauchen.“
Die vier Männer starrten mich allesamt an mit offenen Mündern. Als hätten sie einen Geist gesehen.
Es waren wohl nicht so sehr die Worte, die ich sagte, sondern das WIE. Mit Erhabenheit…………die offenbar, schlicht und einfach nur, meiner Natur entspricht.