Derek war wieder
einmal enttäuscht. Denn ich verbrachte ausschließlich den Nachmittag und den
Abend, jedoch nicht die Nacht mit ihm, wie ich, wie wir es eigentlich dachten.
Gunnar kam widererwarten schon am späten Abend zurück. Und er war, man höre und
staune, nicht betrunken.
„Es waren nur drei
oder vier Bier, den ganzen Nachmittag über. Nicht mehr.“, sagte er stolz.
Sex gab es
keinen, bis hier her. Weder für Gunnar noch für mich. Am Abend war ich zu
erschöpft und heute Morgen passte es irgendwie nicht.
Während wir uns
auf den Tag vorbereiteten, sprachen wir noch einmal über den Vorfall vom Tag
zuvor. Vor allem über die Ursache dessen. Also, wie es begann. Und an dieser
Stelle kam erneut Alexa ins Spiel.
„Natürlich würde
sie es gern sehen, wenn wir heiraten.“
„Doch aber nicht
zu diesem Preis? Das würde selbst sie nicht wollen, nehme ich an. Und bei dir,
Gunnar, bin ich mir sicher, dass du nicht einmal darüber nachdenken wirst. Weil
du genau weißt, dass es niemals eine Option für uns sein kann. Es ist eine
absolute Unvorstellbarkeit und würde alle Beteiligten fünfhundert Jahre zurück
versetzen.“, begann ich mich erneut in diese Thematik hinein zu steigern, alldieweil
ich das alles so unmöglich fand. Gleichwohl auch nur darüber zu reden.
Gunnar bremste
mich aus. „Beruhige dich. Ich nehme an, Alexa wird nicht einmal darüber reden.
Hat den Vorfall und seinen Anlass womöglich schon längst aus ihren Gedanken
gestrichen.“
„Nun, das wirst
du sicher bald erfahren. Nehme ich an.“
„Ja. Da ich
gestern Abend meinen Sohn nicht zu Bett bringen konnte, werde ich jetzt gleich
einmal nach ihm sehen.“
„Und nach Alexa
selbstverständlich.“, merkte ich ein wenig missmutig an.
Gunnar nickte
lächelnd. „Ja. Und ich dachte“, hier schnitt Gunnar eine forschende Grimasse, „vielleicht
suche ich gleich anschließend Lara auf.“
Ich räusperte
mich. „Wenn du denkst. Du hältst es offenbar doch nicht aus.“
„Was willst du
denn?“ Gunnar breitete die Arme aus. „Ich bin gestern nicht in der Stadt
geblieben. Kam und wollte auch zurück zu dir und war noch nicht einmal
betrunken. Hielt mich um deinetwillen mit dem Alkohol zurück.“
Er hatte Recht.
Ich entschuldigte mich. Meine Augen fluteten reumütige Blicke nach außen hin.
Ich schlang meine Arme um seinen Hals und kuschelte mich fest an meinen
Ehemann. Ihm schien das zu gefallen. Denn auch er schloss seine Arme um meine
Hüften und genoss die Nähe unserer Umarmung mit einem genüsslichen „Hhmmmmm….“
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Während ich ins
Büro gegangen war, hatten sich Gunnar zu seinen zwei anderen Frauen begeben. Zumindest
nahm ich das an. Denn ich hatte gehört, wie Gunnar, kurz bevor wir das Haus verließen,
mit Lara via Handy gesprochen hatte. Sie fragte, ob er komme könne.
Wie ich so in
meinem Büro auf meinem Drehstuhl saß, vor mich hin sinnierte und genau genommen
dabei an Derek dachte, kam Kevin herein gerollt.
„Briefing? Oder
was?“ Er schien irgendwie gereizt.
„Am Nachmittag.“,
erwiderte ich ohne mich viel zu bewegen, oder meine Beine vom Hocker zu nehmen.
„Gunnar ist noch nicht bereit.“
Kevin zog mit
fragendem Blick die Brauen hoch. „Erfahre ich auch warum?“
Ich musste
lächeln. „Aber ja. Da er gestern beim Fußball war…..“
„….ist er heute
noch betrunken.“, vervollständigte Kevin meinen Satz und lachte.
„Nein.“,
widersetze ich mich. „Er kam gestern Abend nüchtern zurück.“
Nun machte Kevin
große Augen. „Ach was?“
„Ja. Er sagte,
es wäre ihm wichtig bei mir sein. Er hätte an mich gedacht und mich vermisst.“
„Und das glaubst
du ihm? Denkst du wirklich, nach fünf Jahren verzehrt er sich noch nach dir wie
am ersten Tag?“
„Nein.“ Ich
winkte ab und stellte nun doch die Füße auf den Boden. Drehte mich ein Stück zu
ihm hin. „Das nicht. Aber wenn ich die letzten fünf Jahre mit Gunnar
überschaue, ist er zwar nun nicht mehr ganz so leidenschaftlich wie zu Beginn.
Das mag vielleicht sogar so sein. Jedoch wurde unsere Beziehung seither
beständig stabiler. Er gibt sich mehr Mühe denn je, seine vielen Eigentümlichkeiten,
insbesondere der sexuellen Art, auszubügeln, die er von Sektenzeiten
mitgebracht hat. Und das in Eigeninitiative. Was ich ihm doch einiger maßen
hoch anrechnen muss. Meinst du nicht auch?“
„Ein besseres
Plädoyer hätte auch ich nicht erstellen können, um meinen Klienten zu
verteidigen. Du bist gut darin.“, spöttelte er.
Ich antwortete nicht
darauf. Wusste, dass er diese Worte aus der Eifersucht heraus sprach. Denn am
aller liebsten würde ER mit mir zusammen sein. Das war
mir klar.
Kevin schien zu
schmollen. Rollte hinaus. Mit einem lauten Wumms schloss sich die Tür hinter
ihm. Und ich….rief Derek an.
„Hey.“, säuselte
ich mit betörender Stimme ins iPhone. „Wie geht es dir?“ Am liebsten hätte ich
fragen wollen: `Wo bist du? Kommst du her?´
„Es geht mir
gut.“, antwortete er und als hätte Derek meine unausgesprochenen Fragen gehört,
beantwortete er sie. „Ich sitze hier im Büro und starre auf die Monitore. Wenn
du magst, komme ich kurz mal rüber zu dir.“
Ich grinste vor
mich hin. War glücklich mit seinen Worten.
„Aber ich muss
vorher noch mal zu meiner Mutter gehen. Ist das okay? Oder besser danach?“
Wow! Dachte ich
so. Nach zwei Jahren der fortwährenden (Demütigung) Frustration, Dieser und
Jener Kränkung, konnte er noch immer ein charmanter Gentlemen sein. Alles in
allem war Derek doch DER gute Mensch, den ich anfangs in ihm sah. Auch wenn es zwischendurch
zu Spannungen, zu so manchen Kontroversen kam. Offenbar scheint die Liebe, die
wir zueinander empfinden, doch groß genug zu sein, uns wieder und wieder, nach
Streitigkeiten und Konflikten, zu verbinden.
Derek kam und
ging. Er arbeitet noch immer Doppelschichten mit Seven. Erst Morgen kommen
Sarah und Ryan zurück. Dann wird es wieder leichter für ihn.
Kurz darauf
erschien Gunnar, um mich zum üblichen späten Lunch abzuholen.
Ich schmunzelte.
Er roch geduscht. Gedachte zu wissen, wo er gewesen war und was er getan hatte.
Jedoch lag ich falsch damit.
„Nein! War ich
nicht.“, antwortete Gunnar auf DAS, was ich dachte, alldieweil er meine
Gedanken las.
Ich stutzte. „Du
warst nicht bei Lara?“, fragte ich ihn.
„Ich war bei
Alexa und dem Baby und als ich zu Lara kam, war Charlie dort. Ihr schien es
nicht recht zu sein. Die Situation überforderte sie scheinbar und dann wurde es
dramatisch. Sie warf sich mir an den Hals, währenddessen Charlie erwähnte, dass
sie verabredet waren. Was sollte das? Dachte ich mir, löste ihre Arme und ging.“
„Tja nun? WO
warst du dann?“
„Joggen. Eine
Runde um den See und dann im Fitnesscenter.“
Ungläubig kniff
ich die Augen zusammen. „Tatsächlich?“ Ich kratzte mich am Kinn.
Gunnar lachte. „Ja.
Glaubst du mir etwa nicht? Warum sollte ich lügen?“
„Ich dachte, du
brauchst den Sex.“, sagte ich leise und sah ihn abwartend an.
Gunnar
schmunzelte. „Und ICH dachte, ich kann ihn mit Muskel stählender Bewegung
kompensieren. Einen Versuch war es allemal wert. Schließlich bin ich auf dem
Weg dir treu zu sein.“
DAS erstaunte
mich doch über die Maßen. „Du versuchst es tatsächlich. Oder?“ Ich sah Gunnar
zweifelnd an.
Der lachte entwaffnend.
„Ja. Seit geraumer Zeit. Ich dachte du wüsstest das?!“
„Nach fünf
Jahren Ehe, wo andere Paare auseinander gehen, liebst du mich noch immer so,
wie zu Beginn und versucht nun in der Tat mir treu zu werden. Obwohl wir beide
um deine Sekten- und Altlasten wissen.“, suchte ich mich noch einmal bei meinem
Ehmann zu vergewissern, damit ich sicher gehen konnte, dass ich verstand.
Ein entwaffnendes
„Ja“ kam bei mir an. „Liebst du mich nicht auch mehr denn je?“
„Ja. Natürlich!“,
gab ich Gunnar wahrheitsgemäß zurück. „Aber ist es nicht bei Männern umgekehrt?
Kühlt ihre Liebe, zur DER Frau, welche sie einst so heiß begehrten, nicht beständig
ab?“
„Vielleicht bin
auch ich
anders als andere?“ Gunnar gab mir einen bedeutsamen Blick. Trotz alledem
zweifelte ich noch.
Nun schüttelte
er mit dem Kopf. „Vertrau‘ mir doch einfach mal! Das sagte ich dir doch schon.“
Nun gut. Dachte
ich. Dann soll es eben so sein.
Er nahm mich in
den Arm. Drückte mich fest an sich und so eng umschlungen verließen wir mein
Büro. Die Anwesenden schauten sich um. Offensichtlich erstaunte es sie, uns so
zu sehen. Und ein Seitenblick zu Kate verriet mir, dass sie missgünstig war.
Keshia Berggren hingegen blickte eher verlegen zu Boden.
Alles in allen kann
man sagen was man will. Ich bin eine tolerante Frau meinem Mann gegenüber. Liebe
(unendlich) und nehme hin. Noch erstaunlicher ist jedoch, und das
führe ich ebenso auf meine Beharrlichkeit zurück, dass ich Gunnar dazu bewegen
konnte und kann, sich seinen Neigungen und Bedürfnissen zu stellen, mit mir darüber
zu besprechen und einzuwilligen, etwas dagegen zu tun.