Es war
Nachmittag und Gunnar war noch immer nicht zurück. Hatte sich gleichwohl NICHT
gemeldet.
Derek war
nur in zeitlich begrenzten Abschnitten bei mir. In den an Anderen stählte er
seinen body und war bei seinen Eltern. Die Mahlzeiten nahmen wir selbstverständlich
gemeinsam ein und jedes Mal fragte er, ob Gunnar noch nicht zurückgekommen
sein. Des Weiteren sprachen wir über seine Eltern. In diesem Zusammenhang
fragte er mich, ob ich nicht einmal wieder mit zu seiner Mutter kommen würde.
„Zu deiner
Mutter vielleicht. Deinen Vater jedoch, gedenke ich mich nicht auszusetzen.“
Er kratzte
sich am Kopf und ich dachte es sei wegen mir. Jedoch war es doch eher wegen
seinem Vater.
„Meine
Mutter bat mich auch schon ihm zu sagen, dass er gehen soll.“
„Und warum
tut er es nicht?“
„Er gibt an,
dass er nicht ausschließlich ihretwegen hier ist, sondern ebenso seinen Sohn
sehen wolle.“
„Was ist
mit seiner japanischen Frau? Holt er sie her? Oder doch eher nicht?“
„Er
arbeitet nach wie vor daran. Ich hatte bereits versucht, es ihm auszureden, auf
DIE ART, welche du mir geraten hast.“
„Und?“
„Er hat
mir nicht einmal zugehört. Ist meine Bemerkung diesbezüglich einfach
übergangen. Als hätte er sie nicht gehört. Aber Naoko scheint nicht wirklich
hier her kommen zu wollen. DAS ist das Gute daran. Bisher hat sie sich
geweigert nach Schweden zu kommen.“ Derek blieb trotz alldem ernst und greuselte
die Stirn. „ Nicht dass ich sie hier nicht haben wollte. Nein. Aber meine
Mutter würde das nicht verkraften.“
Ich
gedachte nicht weiter nachzufragen. Jedoch beschlich mich der Verdacht, dass
sein Vater ein ziemlicher Egozentriker war.
Zu einem
späteren Zeitpunkt kamen wir auf Kevin zu sprechen. Selbstredend war es Derek
NICHT entgangen, dass ich zuweilen mit ihm flirtete.
„Du liebst
ihn noch immer. Oder?“
„Nun ja,
mag sein ein wenig.“ Ich kürzte hier meine Antwort ab und versuchte auf ein
anderes Thema abzulenken. Derek hatte jedoch erst begonnen. Und es war nicht
nur die persönliche Komponente. Nein. Letztendlich fragte er direkt, warum ich
ihn in die Position des Leiters erhoben und IHN, Derek degradieret hätte. Ein
Hauch von rassistischen Anschuldigungen schwang klang ebenso mit an. Was ich
vehement verneinte. Und hier führte ich als Beweis meine
Halbschwester Marie ins Feld, welche nun eine ähnliche Hautfarbe wie Derek
hatte.
Er ließ
nicht nach immer weiter in unterschiedlichen Varianten die gleiche Frage zu
stellen. Warum ich Kevin an die Spitze des Unternehmens gestellt und nicht ihn
dort gelassen hätte.
„War ich
nicht gut genug in meinem Job?“, fragte er dann.
Ich
schnaufte. Wandt mich wie ein Aal, bis mir plötzlich und glücklicher Weise die
plausibelste und einleuchtenste Antwort einfiel, auf welche er mich nicht mehr der
verschiedenster Vergehen gegen ihn verdächtigen konnte.
Zum
Auftakt schnaufte ich ein wenig, um meiner nachfolgenden Antwort das
angemessene Gewicht zu verleihen.
„Hast du
vielleicht schon einmal daran gedacht, dass ich mich noch immer schuldig daran
fühle, dass Kevin in diesem Stuhl sitzt?“
Ich hatte
es gewusst. Diese Antwort zündete. Stille. Derek war im wahrsten Sinne des
Wortes der Mund offen stehen geblieben.
Einigen
Sekunden später entschuldigte er sich bei mir. „Daran hatte ich nicht gedacht.
Deshalb also.“ Er nickte und sein Gesicht nahm eine nachdenkliche Mimik an. „Du
möchtest, dass er sich gebraucht und besser fühlt? Gibst ihm dadurch einen Sinn
im Leben.“
„Ich sagte
doch. Es ändert sich nichts für dich. Und Kevin tut es gut.“
Wie hätte
ich ihm auch sagen können, dass er als Deutscher und ein guter Freund für mich
viel verlässlicher war als er? Es hätte Derek verletzt und unser ohnehin
bereits angespanntes Verhältnis zusätzlich belastet.
Und hier
greift meine These, dass die Wahrheit nicht immer angebracht ist.
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Am
Nachmittag kam Marie mit den Kindern und fand mich mit Derek vor.
„Ich
dachte Gunnar sei hier.“
„Nein. Er
hat sich auch noch nicht gemeldet. Ich weiß nicht ob er heute kommt. Allerdings
vermute ich es schon.“
Sie blieb
eine Weile und wir redeten miteinander. Hauptsächlich über die bevorstehende
Festlichkeit. Auch Derek beteiligte sich daran. Obgleich die Kinder anscheinend
an ihm einen Narren gefressen haben. Sie mögen ihn.
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Oh!
Erwähnte ich schon, dass Giselle im Restaurant an unseren Tisch heran trat und
mit Derek heftigst flirtete?
Woraufhin
ich sie, im offiziellen Rahmen bat, unseren Tisch zu verlassen, wenn nichts
weiter Wichtiges anliegen würde, was sie ihm zu sagen hatte.
Derek äußerte sich nicht dazu. Sie ging.
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Als Derek
gegen sechs noch einmal bei seiner Mutter und Marie bereits gegangen war, kam
Gunnar zurück. Ich hatte ihn, genau genommen, nicht mehr erwartet. Hatte mich
gefühlt auf Derek eingestellt. Aber egal. Mein Ehemann war mir in jedem Fall
lieber. Am besten ohne Alkohol.
Erklärungen
gab es keine. Zumindest vorerst nicht.
Er
verhielt sich wie immer. Zärtlich, liebevoll und aufmerksam. Küsste mich und
fragte, ob wie essen gehen wollten. Es wäre Zeit dafür. Gerade so, als sei er
vom Büro nach Hause gekommen und es war nichts weiter passiert.
„Was hat
dich so lange davon abgehalten zu mir zurück zu kommen?“, konnte ich mir
schließlich, nach einer Weile, die Frage nicht verkneifen.
Er lachte.
„Ich dachte schon, du fragst nie?“ Noch ein kurzes Schnaufen und dann kam die simpelste
Erklärung, welche ich mir gleichwohl hätte selbst geben können.
„Meine
Brüder und Alexa.“
Ich sah Gunnar
ein wenig grimmig an. Denn ich hatte mehr erwartet als diese vier Worte.
„Was
würdest du denn hören wollen? Es ist die Wahrheit und es war, wie so oft. Das
Eine hetzte das andere. Deshalb komme ich heute so spät zurück.“
„Was ist
das EINE und was das ANDERE?“, ließ ich mich nicht mit Lappalien abspeisen und
Gunnar antwortete.
„Alexa
moniert, das ich zu wenig bei ihr bin. Und meine Brüder sind am Wochenende immer
zusammen unterwegs und hoffen, dass ich sie begleite.“
„War Alexa
dabei?“
„Nein. Sie
hatte keine Lust. Scheint wohl wieder schwanger zu sein.“
Nun blieb
mit doch glatt die Luft weg. Mit stockte mit einem Mal der Atem. „Was?“, quälte
ich mir die Töne zu diesem einen Wort heraus. Was mir Schwierigkeiten
bereitete.
Ich
schluckte. Gunnar sah wie irritiert ich war.
„Was hast
du erwartet? Sie sagte dir doch, dass sie ein Kind von mir möchte. Und wenn man
miteinander schläft, kann das dann eben auch passieren.“
Oho! Wow!
An diesen Gedanken musste ich mich nun erst wieder gewöhnen. Ich hatte gehofft,
dass genau DAS NICHT (noch einmal!) geschieht!
„Und das
sagst du mir einfach so nebenher?“, fragte ich dann die schon längst fällige
Frage, als ich meine Stimme wieder fand.
„Wie hätte
ich es dir sonst sagen sollen? Beim essen?“ Er lachte. Suchte die Situation zu
verharmlosen. Ins Lächerliche zu ziehen. „Stell dir das mal vor. Dir hätte es
doch glatt den Appetit verschlagen.“
„Jetzt
werde nicht sarkastisch! Ohnehin könnte es mir nichts schaden, wenn ich weniger
zu mir nähme. Ich habe ganze zwei Kilo zugenommen. Stell Dir DAS einmal vor!“
„Meinst du
nicht, es liegt auch am Cortison. Du weißt, in welcher Verfassung du vom
Hospital zurückgekommen bist. Womöglich ist das Wasser, was sich eingelagert
hat, noch nicht vollständig wieder verschwunden.“, wendete er sich nun voller Inbrunst
dieser Thematik zu und mir wähnte, er war froh darüber, die Diskussion über
Alexa fallen lassen zu können.
Hier war
sicherlich noch NICHT das letzte Wort gesprochen. Aber WAS hätte ICH schon
gegen ihre erneute Schwangerschaft tun können? Hoffen, dass sie es wieder
verliert?
Den
gesamten Abend hing dieses Thema in meinem Kopf. Klammerte sich an jeden
Gedanken. Ließ mir keine Ruhe.
Und nach diesen
drei Tagen von Gunnars Abwesenheit und Alexas Schwangerschaft war es wohl unnötig, Gunnar zu fragen:
„Gefickt?“
Derek
hatte Gunnars Wagen stehen sehen und rief mich kurz noch einmal an, um sicher
zu gehen, dass es besser jetzt nicht mehr zu mir kommen sollte.
„Tut mir
leid.“, entschuldigte ich mich mit trauriger Stimme, die schon ein wenig der
Wahrheit entsprach. Obgleich ich ebenso glücklich darüber war, dass Gunnar
zurückgekommen war.
„Nun, dann
habe ich mehr Zeit für meine Eltern und das Fitnessstudio.“
Wenn es
denn die Wahrheit war, was ich bezweifle, fand ich es recht wünschenswert und
angenehm, dass er es SO sehen konnte.
Gleichwohl
MIT IHM, wären die Karten nicht besser gemischt gewesen. Auch ER hatte eine Bekannte,
die ein Kind von ihm erwartete.
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Es dauerte
eine kurze Weile, bis ich mich wieder an Gunnars Anwesenheit gewöhnte. Und ich
erinnerte mich, wie es früher gewesen war, wo ich noch von Mann zu Mann reiste.
Es ist mir stets schwer gefallen, mich immer wieder aufs Neue umzustellen.
Dieses schale Zwischen-zeit-gefühl war mir stets unangenehm. Es war
immer da gewesen. Es brauchte zumeist einige Stunden, bevor ich mich mit dem
anderen Mann wieder vollends wohl zu fühlen vermochte. Obwohl ich
jeweils beide Männer liebte. So wie jetzt auch.
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Alexas
erneute Schwangerschaft ließ mir keine Ruhe.
„Wie
stehst du dazu?“, fragte ich schlicht und einfach aus dem Nichts heraus, als
wir am Abend gemeinsam auf der Couch Platz genommen hatten.
„Phhuu!“
Gunnar wirkte ernst. „Was soll ich sagen? Es ist ihr Körper. Wenn sie es
möchte, kann ICH nichts daran ändern. Oder ganz und gar etwas dagegen tun.“
„Will sie
das Kind VON dir, oder MIT dir?“, was für mich einen erheblichen Unterschied
darstellte.
Gunnar stutzte.
„Was bedeutet das jetzt?“, fragte er zurück.
„Ach
komm’. Du bist doch sonst nicht so naiv.“, sagte ich zu ihm. Ich wusste genau,
Gunnar hatte sehr wohl verstanden.
Nun drehte
er seinen Kopf zu mir hin und ich sah, wie er seine linke Augenbraue hob. „Marie
habe ich doch auch nicht geheiratet. Oder?“
„M-a-r-i-e
und ihre Kinder sind etwas ganz anderes!“, wurde ich ein wenig lauter.
„Ja.
Zugegeben. Ihre Zeugung hatte einen spirituellen Hintergrund und Charakter.“
„Mit Alexa
ist es allerdings nicht so“, warf ich ungeduldig ein. Alldieweil ich sah, wie
er schmunzelte. Offensichtlich dachte er an die ungewöhnlichen Umstände der
Zeugung von Óðinn
Asger und Inula Castanea.
Nun atmete
Gunnar einige Male hörbar ein und aus. „Womöglich hofft sie mit einem Kind auf
mehr als nur meine gelegentliche Zuneigung.“ Bei diesen Worten schien er
nachdenklich zu sein. „Klar ist mir DAS auch schon in den Sinn gekommen. Aber
WAS soll ich tun?“ An dieser Stelle hob er die Schultern und breitete die Arme
aus. „Ihr raten, es abzutreiben? Wohl
kaum. Ich gab ihr bisher immer wieder ausdrücklich zu verstehen, dass ich dich,
Rea, liebe und mich niemals von dir trennen werde. Ich glaube, sie hat es
verstanden. Wenn sie trotz alledem noch immer ein Kind VON mir will.....sei es
drum. Ich kann es nicht ändern.“
Gunnar
hatte Recht. Wir beide konnten nichts an Alexas Entscheidung ändern.
So,
nun habe ich zwei Männer, die mit jeweils einer anderen Frau ein Kind bekommen.
In diesem
Augenblick fiel mir Kevin ein. Und auch, dass ich erneut zu Alexa Freundschaft
heucheln muss, wo keine ist.
Aber wer
weiß.......Schließlich ist noch nicht aller Tage Abend. Und gleich wie schlimm
es auch noch kommen mag, ICH gedenke mir nicht die zukünftigen Tage und Nächte
mit derlei zu beschweren.
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Trotz
aller guten Vorsätze, nicht weiter darüber nachzudenken, vermochte ich nicht zu schlafen. In meinem Kopf kreisten die
Gedanken um Alexas Schwangerschaft.
Gunnar
suchte mich zu beruhigen.
„Mach’ dir
doch bitte nicht so viele Sorgen. Er ist noch nicht einmal sicher, dass sie
tatsächlich schwanger ist.“
„Hat sie
es denn nicht getestet?“, fragte ich ihn.
„Nein.
Davon sage sie nichts.“
Ich
empörte mich. „Wie kommt sie dann darauf, dass sie schwanger ist?“
„Ihre
Regel sei überfällig. Sagte sie mir mit einem breiten Lächeln. Was ich dahin
gehend deutete, dass sie wieder schwanger ist.“
„Nur DAS
hat sie dir gesagt?“
„Ja.“
„Und du
glaubst daran, dass sie schwanger ist?“
„Ja.“
„Sprachst
du deine Vermutung ihr gegenüber aus?“
„Ja.“
„Und was
hat sie dir geantwortet?“
„Dass sie
glücklich darüber wäre, wenn es so ist.“
„Also ist
es bei Weitem noch nicht sicher?“
„Nein.“
Wieso
hatte er es dann in unserem Gespräch erwähnt?
„Entschuldige.“,
sagte Gunnar, der in meinem Kopf gestöbert und gelesen hatte, was ich dachte.
„Es ist mir nur so raus gerutscht. Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht.
Oder besser, ich ließ meinen Gedanken und Vermutungen freien Lauf in deiner Gegenwart.
Hätte ich DAS nicht tun sollten?“
„Doch.
Verzeih!“, ruderte ich zurück. „Du hast selbstverständlich Recht. Ich war nur
so entsetzt darüber.“
Gunnar
schmunzelte. Legte den Arm unter meinem Kopf, drückte mich fest an sich heran
und küsste meine Schläfe.
„Ist doch
alles halb so schlimm. Selbst WENN es wieder so wäre. Es ändert sich
zwischen uns doch nichts. Wir bleiben Frau und Mann.“ Kannte ich diesen einen Satz
nicht irgendwoher? Hatte ich ihn nicht selbst erst vor kurzem Derek entgegen
gebracht (um ihn zu beruhigen)? Wusste Gunnar womöglich mehr als er mir sagte?
War die Abmilderung seiner Worte vielleicht ausschließlich zu meiner Beruhigung
gedacht?
Nein! Gunnar sagte mir stets DAS was er wirklich fühlte
und dachte. Ich glaubte ihm.
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Heute
Morgen ausschlafen und Sex. Und keine weiteren Debatten über Alexa und ihre
eventuelle Schwangerschaft..
Ich
monierte ausschließlich noch, dass er seit Donnerstag fort gewesen wäre. Gute
zweieinhalb Tage. Er rechtfertigte es mit seinen Brüdern und vor allem auch
Alexa, die er nach wie vor noch immer liebe. Nur eben auf eine ganz andere Art
und Weise als mich. Mit mir sei es viel intensiver und gehe tiefer als mit
irgendeiner anderen Frau. Und wieder die Erwähnung der Seelenpartnerschaft.
Dass wir schon ewig füreinander bestimmt sind und uns hatten finden müssen.
(Ließ sich mit der Seelenpartnerschaft eigentlich alles erklären? Seine immense
Liebe zu mir bekräftigen? War es ein „Schlag“-wort, mit welchem man (alle)
Zweifel (an seiner grenzenlosen und universalen Liebe zu mir) ausräumen konnte?
Oder in der Tat Wahrhaftigkeit?!)
„Daran
gibt es nichts zu rütteln. Wir gehören zusammen. Nicht nur in diesem Leben.“,
sagte Gunnar mit einem gesetzten, unwiderlegbarem und selbstsicheren, Gesichtsausdruck.
Der so viel Gewissheit ausstrahlte, dass ich nicht mehr zu zweifeln wagte.