Donnerstag, 7. April 2016

Magische Menschen



Die Magie dieses Ortes und der Menschen hier, färbt auch auf mich ein wenig ab.
Es ist angenehm, mit diesen ausgeglichenen Zauberern und alten Seelen, wie Mary, Rodney, Adam und Erik, zusammen zu sein.
„Denkst du an Camille?“, fragte Mary grinsend.
Ich lächelte zurück. „Ja. Manchmal.“
„Wenn du wieder in New Orleans bist, wirst du sie besuchen.“
„Ich denke daran.“
„Ich sehe eine Schlange in dir aufsteigen.“, sagte sie dann plötzlich zu mir. „Sie ist derzeit überaus präsent und dein zweites Gesicht. Die Bärenschwester steht ein wenig hinten an. Aber das ist nicht schlimm. Über dir sehe ich auch noch eine Eule. Sie wacht über dich.“
„Oh! Dann habe ich offenbar DREI Tierhelfer, die mir zur Seite stehen.“
„Nicht nur. Hast du es schon vergessen, was da noch ist? Ich glaube, ich sagte es dir schon. Oder war es Sara gewesen?“
Ich legte die Stirn in Falten und sah Mary mit großen Augen an. „Was meinst du denn?“, fragte ich sacht.
Sie lachte sanft. „Tief in die drinnen schlummert noch eine alte Weise. Großmutter Schildkröte, „keha“ genannt. Und ich kenne eine alte Frau, bei uns in den Black Hills, die würde dich gerne einmal treffen. Wenn du uns das nächste Mal besuchst, möchte sie dich sehen.
„Ist sie wie Sarah Black Moonfeather? Oder vielleicht wie ihre Schwester Grandma Kathy?
„Ja. So ähnlich.“

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Die Kinder sind beinahe zur Normalität geworden. Geradeso, als gehörten sie zu Gunnar und mir. Was von Gunnars Seite gleichwohl so sein mag, als Vater der beiden. Nur ich hatte bisher damit meine Schwierigkeiten. Wer hätte es gedacht, dass ich mich doch verhältnismäßig rasch (wenn ich denn muss) an den Umgang mit den Zwillingen gewöhne? Nun, alles in allem ist es für mich wichtig, dass eine Nanny bei uns ist. So ganz allein, bewältige ich das selbstverständlich nicht. Und Alexa hatte und werde ich die beiden nur ungern überlassen. Obgleich sie die Kinder anscheinend mag. Was man von mir, im Allgemeinen, was Kinder betrifft, nicht unbedingt sagen kann. Allerdings hat sich mein Verhältnis zu Inula Castanes und Óðinn Asger doch ungemein  geändert. Insbesondere in den letzten Tagen. Auch mich scheinen sie zu mögen.

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Heute haben wir die „Neumondin“. Für mich die Zeit der Menses und extrem belastend. Für Gunnar sicherlich noch mehr. Insbesondere hier, wo ihm keine andere Frau zur Verfügung steht. Ein Wunder, dass er das so schafft. Was allerdings an dem Ort und dem immer wieder positiven Einfluss von Erik liegen mag.

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Kevin rief mich an.  Ein Mann hätte sich bei ihm vorgestellt und suche einen Job.
„Er scheint sehr gebildet, sprachgewandt und selbstbewusst zu sein und seine Ausstrahlung ähnelt ein wenig der Deinen.“
„Was bedeutet das denn bitteschön?“, sagte ich zu Kevin. Was natürlich sarkastisch gemeint war.
„Er kommt ein wenig majestätisch rüber. Mit seiner aufrechten Haltung, seinem erhobenen Kopf und seiner direkten Art. Gerade so, als wäre er es gewohnt, Chef zu sein.“
„Wie sieht er denn aus?“, fragte ich.
„DAS war ja klar, dass du das fragst.“
„Jetzt verstehe das doch bitte nicht falsch. Ich meine ja nur.“, entschuldigte ich mich bei Kevin.
„Er ist groß und scheint recht muskulös zu sein. Was ich unter seinem Anzug nicht gut sehen konnte.“ Man merkte Kevin an, dass er mir diesen Mann nur ungern beschrieb. „Dunkle, kurze Haare und ein längliches Gesicht. Seine Augen habe ich mir jetzt nicht so genau angesehen.“, erwiderte er doch recht abeneigt.
„Qualifikationen?“, fragte ich sogleich, um Kevin ein wenig von seinen eifersüchtigen Gedanken abzulenken.
„Er hat eine Bewerbung hinterlassen. Sagte, dass er in den nächsten Tagen wieder kommt und hofft DICH zu sehen.“
„Wie bitte? Mich? Ist es ihm nicht genug, wenn er mit dir über eine Einstellung spricht?“
„Anscheinend nicht. Er ist schon irgendwie seltsam außergewöhnlich und bestimmend obendrein. Legt den Termin, wann er wieder kommt, selbst fest und wünscht dazu noch die Chefin zu sehen. Das fand ich alles doch recht anmaßend. Ich meine, WAS, um Himmels Willen, bildet der Kerl sich eigentlich ein?“ Oho! Kevin erboste sich. Das verhieß nichts Gutes.
„Ja. Das finde ich auch.“, stimmte ich ihm schnell zu. „Aber andererseits macht es ihn interessant. Und ich glaube er weiß das auch.“
„Genau DAS scheint der Sinn dahinter zu sein. Vielleicht will er das ja. Schon mal daran gedacht?“
„Ja. Gut möglich. Nur von DEM, was du mir bisher von ihm berichtetest, hat er bereits bei mir sein Ziel erreicht. WIE finden wir das?“
Ich hörte, wie Kevin sich räusperte. „Zielstrebig, in jedem Fall und arrogant?“
„Vielleicht? Aber, welchen Grund hat er, sich auf diese Art und Weise Vorzustellen und anzubieten? Ist es tatsächlich nur der Wunsch nach einem Job?“
„Wieso fragst du? Denkst du vielleicht noch an etwas anderes?“
„Ich kann es nicht sagen. Nur als du von ihm sprachst, beschlich mich so ein merkwürdiges Gefühl. Darauf sollte ich hören, denke ich. Ich werde ihn mir selbst ansehen.“
„Okay. Dann bekommt er ja was er möchte. Denn er wollte dich unbedingt persönlich kennen lernen.“
„Seine Wünsche sind vorerst irrelevant. Ich muss ihm in die Augen sehen. DAS ist für mich das Wichtigste. Als WAS erwartet er denn eingestellt zu werden?“
„Im Büro selbstverständlich. Es war, als hätte er gewusst, dass wir, so ganz ins Geheim, nach einem passenden Mitarbeiter suchen.“
Ich dachte kurz nach. „Gedenkt er etwa Imaras Stelle einzunehmen?“
„Womöglich schon. Wir hatten doch ohnehin Magnus Karlsson erwogen. Aber woher WUSSTE er davon? Und Magnus hat sich bisher noch nicht bei dir gemeldet?“
„Nein. Aber ich habe da so eine Idee, mit diesem Mann. Er wird mich treffen.“
„Und dann?“, fragte Kevin.
„Vielleicht sollte ich dabei nicht gänzlich alleine sein. Wir haben doch im Augenblick magischen Freund zu Besuch, welche mir in diesem Fall sicherlich zur Seite stehen können mit einer Beurteilung.“ Ich musste grinsen und Kevin hörte ich lachen.
„Ahhh! Du meinst deinen indianischen Besuch?“
„Ja. Und Erik vielleicht noch dazu. Er wird ein Team vorfinden, welches ihm auf den Zahn fühlen wird. Oder besser gesagt, ihm in die Seele sieht.“
„Das ist gut. Das ist sehr gut. Ich freue mich drauf und bin schon gespannt. Werden sie dir auch tatsächlich helfen?“
„Ja. Ich denke schon. Adam ganz bestimmt. Mary und Rodney sicherlich ebenso. Ob Erik die Zeit aufbringt, vermag ich nicht zu sagen. Aber Gunnar ist Erik in magischen Belangen doch beinahe ebenbürtig. ER wird auf jeden Fall bei mir sein.“
„Vielleicht sollten wir ihm nicht wirklich so viel Aufmerksamkeit schenken und diese Ehre SO offensichtlich erweisen?“
„Ja. Da hast du allerdings Recht. Er könnte denken, dass wir in ihm etwas Besonders sehen, genau SO, wie er es wünscht. Aber womöglich durchschaut er uns so wie so.“
„Wir werden sehen. Rede doch gleich mit Erik und den anderen darüber. Wenn du schon einmal bei ihnen bist.“
„Okay. Werde ich tun.“
Am Ende sagten sie allesamt zu und wir schmiedeten einen Plan.
Alle anderen gleichermaßen schienen von dieser Energie erfasst. Aber von WELCHER? War es DIE zu ergründen, wer dieser mysteriöse Mann war? Oder war es eine Andere, welche er aussandte (um interessant zu erscheinen? Womöglich war er das auch. So zumindest mein Gefühl.)? Da war etwas! Und das spürten wir alle.
„Es geschieht nichts zufällig.“, sage Rodnay und zwinkerte zu mir hin.
Sie schienen in der Tat allesamt daran interessiert zu sein mir beizustehen UND gleichermaßen für mich in diesen Mann hinein zu sehen. Was ICH gewiss ebenso vermochte. Aber unser aller Diagnose war besser als nur die Meine.
Womöglich war es auch nur ein Spiel für sie. Was nun durchaus NICHT abwertend zu sehen ist. Denn solchen Menschen sind es nicht. Sie denken stets nur das Beste.


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Gunnar sehe ich kaum. Er ist die ganze Zeit mit den anderen Männern beschäftigt. Es scheint ihm zu gefallen.
Gelegentlich muss ich den Frauen in der Küche helfen. Was nicht bedeutet, dass die Aufgaben für Männer und Frauen klar verteilt sind. Erik, der sonst kocht und bäckt,  hat nur im Augenblick wenig Zeit. Er kümmert sich um die Männer. Ist viel mit ihnen draußen. Keine Ahnung, was sie da so alles treiben.
Aber auch Viggo hilft ab und an beim Schälen der Kartoffeln. Beim Gemüse putzen und Entzünden des Feuers. Und Joseph brät das Fleisch für die Herren.

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Während ich heute Morgen begann den Post zu schreiben, rief mich Kevin noch einmal an.
„Wir haben hier Probleme mit dem Geld. Und die Lieferung für unsere Apotheke ist noch nicht eingegangen.“
Ich stöhnte. „Soll ich kommen?“
Stille....eine kurze Zeit. „Ein wenig Hilfe könnte ich schon brauchen. Da hast du Recht. Zumal es um die Reparaturkosten für deinen Wagen geht. Wieso lässt du das über die Firma laufen?“
„Wieso denn nicht?“
Infolgedessen sagte ich Gunnar Bescheid, der selbstredend nicht erfreut darüber war.
„Du kommst aber gleich wieder?“, mahnte er.
„Genau DAS habe ich vor.“

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Im Büro angekommen, sah ich mir die Bewerbung an. Überfolg seine Biographie und als was er zu arbeiten wünscht. Er gab an Kanadier zu sein. Seine Eltern sind allerdings Russen. Geboren wurde er jedoch in Tel Aviv. Was mich stutzig machte. Aber okay. Das musste noch nichts bedeuten. Oder vielleicht auch alles. Wer weiß? Er spricht Hebräisch, Französisch und Russisch, neben Englisch. Eine ganze Menge (für einen Mann), finde ich. In Kanada hat er Geschichte studiert.
„Weißt du was?“, sagte ich zu Kevin, der neben mir saß und mich mit einem durchdringenden Blick beobachtete, während ich die Seiten las. „Ich werde ihm vorschlagen im Sicherheitsteam zu arbeiten.“
Kevin grinste. „Das ist gut. Mal schauen, was er dazu sagt.“
„Aber andererseits sagt mir mein Gefühl, dass es noch gefährlicher wäre, ihn dort arbeiten zu lassen.“, rutschten mir die Worte, so ganz intuitiv, heraus.
Ich sah, wie Kevin die Augen zusammen kniff und die Arme ausbreitet. „Jetzt sag’ mir endlich, was das mit diesem Gefühl auf sich hat.“
Ich blies die Luft durch meine angespitzten Lippen. „Ich habe da so eine Ahnung, dass es KEIN Zufall ist, dass er bei uns nach einem Job nachfragt.“
Kevin schüttelte leicht mit dem Kopf. „An WAS denkst du dabei?“
„Mit denken hat es nichts zu tun. Wir sollten ihn auf Probe einstellen (auf die Probe stellen) und überaus aufmerksam sein. Ich werde diesen Mann von unserer Detektei durchchecken lassen. Möglicherweise finden Hannes und Vincent irgendetwas, was meinen Verdacht bestätigt.“
„WELCHEN Verdacht. Verdammt noch mal.“ Kevin grinste. „Sei doch bitte nicht so kryptisch und geheimnisvoll!“
„Er kann nur ein Maulwurf sein.“
„W-A-S? Von wem?“
„Genau DAS gilt es herauszufinden.“
Kevin legte die Stirn und Falten. Kratzte sich am Kopf und wechselte rasch das Thema. „Okay. Dann machen wir das so. Und jetzt zum Geld.“ Er grinste, rollte an mir vorüber zu seinem Arbeitsplatz hin und griff kurz nach meiner Hand. Drückte sie.
„Aha. Deshalb sollte ich kommen.“ Ich zwinkerte ihm zu. „Na komm. Küss mich schon. Es ist ohnehin niemand mehr hier außer uns beiden.“, sagte ich und beugte mich zu ihm hinunter. Und er nahm diese Gelegenheit mehr als wahr. Legte seine Hand um meinen Nacken und hielt mich fest.
„Komm. Setzt dich doch auf meinen Schoß.“ Ein verlangendes Schmunzeln überzog sein Gesicht.
Ich ließ mich zu ihm auf den Rollstuhl fallen.
Er hielt mich eine Weile und sah mir tief in die Augen dabei. Dann küssten wir uns wieder.
„Ich glaube, ich sollte noch rasch die Überweisung tätigen von meinem Konto aus. Um die fehlende Bestellung kümmert ihr euch Morgen. Das war heute nicht mehr möglich. Aber vielleicht ist sie bis dahin schon da. Und danach.....gehe besser.“, sagte ich dann.
„Auch so ein Intuition?“
„Allenfalls kommt gerade deine Lebensgefährtin hier vorbei. Wäre doch peinlich, wenn sie mich auf deinem Schoß vorfindet.“
Kevin lachte. „Na wenn schon.“
Seine Worte verwunderten mich. „Du legst es doch nicht etwa darauf an?“
Nun schnaufte er ein wenig und wurde ernst. „Nein. Selbstverständlich nicht.“
Über Derek sprachen wir nicht.
Ich erledigte noch einige Kleinigkeiten. Nahm noch ein paar Kleidungsstücke mit und fuhr zurück in den Zauberwald. Auf der Fahrt dorthin, rief mich Derek an. Er informierte mich darüber, dass er mir nächste Woche wieder zur Verfügung stand. Er blieb sehr kühl, was ich von ihm nicht kannte.
„Was ist mit dir?“, fragte ich gerade heraus.
Er räusperte sich, was mir sagte, dass er nicht allein sein konnte.
„Vielleicht reden wir später darüber, wenn du zurückgekommen bist.“, schlug ich ihm vor.
„Ja. Das werden wir tun.“, blieb er kurz und bündig.

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Gunnar erwartete mich bereits. War weder böse, noch fragte er nach. Umarmte mich nur und drückte mich an sich. „Ich liebe dich.“, flüsterte er mir ins Ohr.