Dienstag, 19. April 2016

Nur ein „Gast“



Gunnar nahm sich letztendlich den gesamten Montag frei und begleitet mich, nach dem gemeinsamen Lunch, ins Büro. Wo er, ohne Widerstand von allen anderen Mitarbeitern, als Gast (?) an unserem Briefing teilnahm. Selbstredend hatte ich in die Runde gefragt, ob das für alle Anwesenden so in Ordnung geht.
Mit Ellen sprach ich über die Inhalte unserer Vorträge hier im Zentrum und welcher Art sie zunehmend sein sollten. Sie wob (als Frau und Lesbe?) allerdings ein, dass wir uns schließlich spirituelles und nicht Frauen Zentrum nennen würden. Dennoch, befand ich, sind die Vorträge über matriarchale Themen gut besucht. Alldieweil wir die Tore dafür öffnen und auch außerhalb des Zentrums dafür Werbung betreiben. Dennoch sind es überwiegen spirituellen Themen, neben vielen anderen, die hier zu finden sind. Und gleichermaßen kommen Musik-Konzerte verschiedenster Art und das Kino hinzu.
Gäste, die wir (ich) ablehnen, wurden ebenfalls angesprochen und weshalb. Daraus ergab sich ein sehr offenes Gespräch mit Imara, VOR all den anderen. Was meinerseits, ein hohes Maße an Diplomatie erforderte. Denn sie fragte unverholen und direkt, ob sie entlassen werde. Schlussendlich waren wir dahingehend übereingekommen, dass sie ihre Arbeitsleistung mehr als zufrieden stellend ist und es in dieser Hinsicht nichts zu tadeln gäbe. Ihr Glaube allerdings, stünde auf einem ganz anderen Blatt.
„Solange ich hier niemand mit einem Tschador oder einem Kopftuch sehe, mag es so sein. Denn genau aus diesem Grunde, lehne ich arabische, bzw. muslimische Gäste ab. Und es ist mir gleich, wie reich sie sind. Hier, innerhalb dieser Mauern, wird es das niemals geben.“, bekräftigte ich mit deutlichen Worten, die jeder verstand. Gunnar legte die Stirn in Falten.....und schwieg. Natürlich blieb er still. Schließlich war er nur ein Gast. Allerdings war mir durchaus bewusst, an was er dabei dachte. An die Freundin seines Bruders. Dalal. So zumindest, deutete ich das Runzeln seiner Stirn.

Im Anschluss an das Briefing, tranken wir einen Kaffee im Restaurant und nahmen im kleinen Saal als Zuhörer an einer Vorlesung über das Volk der Mosuo teil. Genau genommen ist es eine ganze Vortragsreihe. Gunnar war dieses Mal nicht der einzige Mann. Da waren tatsächlich noch drei andere.
Im Anschluss diskutierten wir noch mit der Referentin und anderen Frauen.
Das gemeinsame Dinner wieder im Restaurant. Noch ein Besuch bei Marie und den Kindern und dann endlich.....allein mit Gunnar sein und ausruhen könne. Denn ich war erschöpft. Sex gab es erst heute Morgen. Erneut kurz nach dem Erwachen. Ich schlief noch fast. Aber egal.....Überhaupt empfinde ich Gunnar (nicht nur „derzeit“) als überaus aufmerksam und liebevoll. Und ich vermute, es beruht auf Gegenseitigkeit. Schließlich habe ich gelernt ihn so zu nehmen wie er eben ist, ohne mich übermäßig zu beschweren. Zumindest überwiegend. Und selbstverständlich schätzt er DAS an mir. Gleichwohl mag es nicht SO sein, dass er mir im Gegenzug, eifersüchtiger Weise, keinen Geliebten zugestehen würde. Allerdings bin ICH kaum mehr daran interessiert. 
In jedem Fall gibt sich mein Ehemann große Mühe ein normales Eheleben mit mir zu führen. Ebenso lernten wir den anderen Fehler zu tolerieren und uns miteinander  weiter zu entwickeln.

-------------------------

Ich blieb noch eine Weile liegen, als Gunnar bereits eilig gegangen war.
„Hallo?!“, hörte ich dann plötzlich, kurze Zeit später, eine Stimme sagen und war froh, dass es Dereks war.
„Komm doch herein.“, rief ich ihm zu.
Rasch zog ich meine Kleidung über und er begleitete mich zum Restaurant. Dort gestand er mir, dass am gestrigen Sonntag seine Eltern Giselle an ihren Tisch gebeten hätten. Bevor ich es von anderen erführe, gedachte er es mir selbst zu gestehen.
Nun war mir klar, dass er aus Gewissensgründen zu mir gekommen war.
Und obwohl mich Dereks Geständnis unangenehm berührte, spielte ich es herunter und beachtete es kaum.
„Es ist nicht deine Schuld.“, bemerkte ich dazu mit einem doch recht durchdringendem Blick, der beabsichtigt war.
Um diese etwas heikle und gleichwohl für Derek peinliche Situation aufzulösen, drängte ich darauf, rasch zum Büro zu gehen. Ich wechselte das Thema und erinnerte mit einem Zwinkern daran, wie viel es zu tun gäbe.