Montag, 18. April 2016

Ein Wiegenfest mit Hindernissen - Oder: Vergessen wir das Ganze



Auf dem Weg von Marie und den Kindern zum Restaurant, wo wir unser Frühstück einzunehmen gedachten, trafen wir eine „alte Bekannte“ von Gunnar, die er vor zwei Jahren hier her gebracht hatte. Wir blieben stehen und sie unterhielt sich eine Weile mit ihm. Offenbar hatte sie nur auf eine Begegnung mit meinem Mann gewartet. In ihren Augen, ihrer Mimik, Gestik und wie sie ihren Körper bewegte, sah ich, dass sie mit ihm flirtete, während ICH neben ihnen stand. Was sie nicht zu stören schien. In jedem Fall ist sie jünger als ich. Ich schätze sie auf etwa sechsundzwanzig Jahre. Langes, blondes Haar. Der Inbegriff einer attraktiven Schwedin. Und offensichtlich turnte ihn ihre Ermutigung tatsächlich an. Ich sah es in seinen Augen. Wie er sie ansah und befürchte, dass eine bereits erloschene Flamme erneut aufzulodern begann. Margot ist ihr Name. Gunnar hatte sie damals auf einer Geburtstagsfeier von Siv kennen gelernt und ihr späterhin im Zentrum einen Job verschafft.
Bedauerlicher Weise vermochte ich ihrer und Gunnars Unterhaltung nicht längere zu folgen, alldieweil mein iPhone läutete. Es war Kevin. Just in diesem Moment fiel mir ein, dass er Geburtstag hatte. Ich gratulierte ihm und ER lud mich und Gunnar, für den Nachmittag und sicher gleichwohl für den Abend, auf seine Feier ein.

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Auf dem Rückweg vom Restaurant gingen wir noch ein Stück spazieren. Ich fragte nicht weiter nach dieser Frau, obgleich sich mir ihr Gesicht in mein Hirn zu brennen schien UND Fragen aufwarf.
Gunnar forschte offensichtlich in meinen Gedanken. Blieb jedoch still. Sagte nichts.
Und ICH suchte in seinem Kopf nach Indizien für das Vorhaben eines erneuten Betrugs. Wollten sie sich womöglich treffen? Hatte Gunnar sich etwa sogar mit ihr verabredet, während ich mit Kevin sprach? Oder waren es ausschließlich meine eifersüchtigen Gedanken, die bunte Bilder auf eine Bühne malten? Wer weiß? Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken.

Der Spaziergang dauerte nicht lange an.
Wir kleideten uns um und ich suchte nach einem Geschenk für Kevin. Hatte genau genommen keines parat und befand nichts, was hätte in Frage kommen können, für würdig. Gunnar sah meine Verzweiflung und brachte mir eine Uhr, welche er irgendwann einmal gekauft hatte, jedoch kaum trug.
„Das ist es. Nehmen wir sie“, sagte ich erleichtert zu meinem Ehemann. Der grinste.
„Was ist mit unserem Lunch?“, fragte ich ihn.
„Wir können noch einen kleinen Happen essen, wenn du magst. Und dann gehen wir zu Kevin.“
„Meinetwegen. Ich weiß, es ist spät. Aber ich muss auf meine Medikamentenzeiten und –abfolgen achten.“

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Auf dem Weg zu Kevin rief mich Ellen an.
„Wäre es nicht gut, sich den Vortrag dieser beiden Männer noch einmal anzusehen? Wir haben ihn zum Glück aufgezeichnet. Ich lade Emilia Stephansdottir und die beiden Frauen dazu ein.“
Ich schnaufte. „Wie sind zu Kevins Geburtstagsfeier unterwegs.“
„Oh! Tut mir leid. Also soll ich das dann für Morgen anberaumen. Aber heute ist eine Entscheidung gefragt.“
„Ich dachte du sprachst mit den Männern und hast ihnen klar gemacht, dass es keinen Auftritt mehr gibt.“
„Ja. Heute Morgen.“
„Und?“
„Meine Worte schienen sie zu belustigen und sie sahen es offenbar als Zurückweisung. Der Vertrag besage klar und deutlich, dass es heute noch einmal ein Referat geben würde.“, entgegneten sie mir.
„Und schon hast du deinen Beweis, dass sie Frauen nicht ernst nehmen. Nicht respektieren.“, sagte ich feststellend zu ihr. „Ich lasse Derek diese Sache regeln und wir treffen uns gleich mit den Frauen im Büro.“
Wir waren bereits an Kevins Hütte angelangt und Gunnar hatte geläutet.
Ich wartete mit meinem Vorhaben noch, bis man uns empfangen, wir ihm, face to face, gratuliert und das Geschenk überreicht hatten.
„Kevin. Gunnar. Ihr beiden. Ich muss noch einmal rasch ins Büro. Ellen wartet dort mit zwei Frauen. In einer halben Stunde bin ich wieder hier. Ist das okay für euch?“
Kevin stutzte.
„Um was geht es denn?“, fragte Gunnar.
„Es geht um den Vortrag der Männer, welcher von Emilia und den beiden Frauen moniert worden war. Ellens Worte scheinen die nicht zu akzeptieren. Sie hatte sie heute Morgen auszahlen wollen und ihnen einen weiteren Vortrag untersagt. Was sie allerdings nicht akzeptierten. An diesem Verhalten sieht man, wie viel Respekt sie Frauen entgegenbringen.“
„Soll ich mich dieser Angelegenheit annehmen?“, fragte Gunnar in ritterlicher Art und Weise.
„Ich hatte an Derek gedacht.“
„Oh!“, sagte Kevin. „Der ist bereits auf dem Weg hier her.“
Am Ende einigten wir uns auf Derek und ich ging für etwa eine Stunde ins Büro. Traf mich mit Ellen, Emilia und den beiden Frauen. Der Rest des Tages und des abends gehörten Kevin und seiner Geburtstagsfeier.

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Selbstredend trank ich ein Glas Wein. Wenn auch nicht viel. Trotz alledem bemerkte ich erneut, dass es in der Tat besser ist, keinen Alkohol mehr zu trinken. Es tut mir definitiv NICHT gut! Am späten Abend, als ich zur Ruhe kam, vibrierte mein ganzer Körper. Womöglich war es auch ein wenig die Aufregung. Denn da war die Auseinandersetzung mit den beiden Männern, welcher sich Derek bravourös stellte. Wir Frauen sahen uns indes die Aufzeichnung des Vortrags an und ich muss gestehen, dass ich mich ebenso erboste, wie Emilia und die beiden anderen Frauen. Wie hatten wir nur diese Männer hier her einladen können?
„In ihrer Bewerbung stand lediglich etwas von Verschwörungstheorie.“, rechtfertigte sich Ellen.
„Das wäre durchaus in Ordnung gewesen. Da hast du selbstverständlich Recht.“, sagte ich zu Ellen, die sich nun anscheinend Vorwürfe zu machen schien. „Das konntest du natürlich nicht wissen.“, gab ich ihr noch Worte der Beruhigung mit und nickte ihr freundlich zu. (Auch SIE war einst eine Konkubine meines Mannes, bis sie sich letztendlich als Lesbe outete. Aber DAS spielte nun keine Rolle mehr......zwischen uns beiden. Ich erinnere mich nur gelegentlich daran, wenn ich sie vor mir sehe.)
Diese beiden Männer waren Vertreter der Telegonie und der Rita-Gesetze (Sekte???), von denen ich in der Tat noch nichts gehört hatte. Allerdings, nachdem ich mir deren These anhörte, war mir und ebenso den anderen Frauen klar, dass SOLCHERLEI (Auslegung, sprich: MIST) ausschließlich den verdrehten Hirnen von Männern entspringen kann. Punk!

Die zweite Aufregung bezog sich auf meinen Ehemann. Allerdings war es eine Leise. Die nur IN MIR stattfand.
Auf Kevins Party befanden sich nicht wirklich viele Leute. Trotz alledem schien  Gunnar zu denken, dass ich die Übersicht verlor. Irgendwann, so zwischendurch, fehlte er eine Stunde. Ich wusste nicht, wo er war. Und auch die anderen nicht, welche ich fragte. Das konnte nur ein erneuter Streifzug von ihm sein.
Nach einer Weile hörte ich auf, die Anwesenden zu fragen. Niemand musste wissen, was da wirklich geschah. ICH konnte es mir denken. Womöglich/Sicherlich ein Treffen mit einer anderen Frau.
In der Zwischenzeit hielt ich mich an Kevin. Allerdings achtete seine Janina permanent darauf, dass ich ihm nicht ZU nahe kam und nicht all zu sehr mit ihm flirtete. Nun, in diesem Fall, wendete ich mich Derek zu, der bereitwillig meine Bekleidung mimte und recht glücklich damit war.
Er fragte nicht nach Gunnars Abwesenheit. Schien sich offenbar selbst seinen Reim darauf zu machen. Schließlich wusste auch er um dessen Begehrlichkeiten.

Natürlich fragte ich Gunnar wo er gewesen war, als er gut gelaunt und unschuldig schauend, wie ein Kind, zur Tür herein kam. Und ohne Scham und weiter Umschweife gestand er mir: „Ich war bei Margot in ihrer Hütte.“
Ich hatte es mir gedacht. Allerdings vermochte ich diese Tatsache nicht gänzlich so dezent wegzustecken, wie es mir, und sicherlich auch Gunnar, lieb gewesen wäre. Ich versuchte es. Nickte ein wenig ernst, damit Gunnar wusste, dass ich seine Worte verstanden hatte. Und ich wünschte, sie hätten mich nicht wirklich tangierte. Dennoch schlug ich mich tapfer. Und am Ende, sah ich über seine erneute Verfehlung schlicht und einfach hinweg.
Ein paar Worte verlor ich trotz alldem noch dazu. Denn ich wollte sicher gehen, dass es ausschließlich eine einmalige Angelegenheit war.
Gunnar lachte. Legte seinen Arm um meine Schulter und drückte mich fest. „Aber ja. Es war nur ein kurzes, triviales Abenteuer. Eine Spielerei, so zu sagen. Nicht mehr. Ich habe nicht vor, mich öfters mit ihr zu treffen.“ Na wie beruhigend. Dachte ich so.
Gunnar kam nun mit seinen Lippen ganz nah an mein Ohr. „Und ich habe nicht einmal wirklich mit ihr gefickt.“
Ich trat ein Stück zurück und sah ihn mit zusammen gekniffenen Augen fragend an.
Und erneut trat er näher und seine Lippen berührten mein Ohr. „Ich habe es ihr mit meinen Fingern besorgt und sie hat sich gleichermaßen auf Handbetrieb eingestellt.“
Wieder tat ich einen Schritt zurück und sah ihn zweifelnd an.
Gunnar grinste. Hob die Schultern und breitete die Arme aus. „Was ist? Ich gebe mir Mühe, wie du siehst und alles ist im Lot.“ Und noch einmal hauchte seine Stimme mir Worte ins Ohr. „Wenn man es genau nimmt, habe ich dich nicht einmal wirklich betrogen. Mein Schwanz war IN keiner anderen Frau.“ Gunnar grinste mich an. „Kannst du dir vorstellen, wie sehr ich dich liebe?“
Ja. In der Tat. Gunnar hatte schon seine ganz eigene, verdrehte Sicht auf die Liebe. Was kein Wunder war. Angesichts seiner langjährigen Sektenzugehörigkeit. Und aus seiner Sicht, stellt sein Verhalten tatsächlich einen Vorschritt dar.
„Und es wird mit ihr auch nicht wieder geschehen. Es war das einzige Mal. Mein Appetit auf sie ist gestillt.“, setzte er seine Plattitüde fort.  
„Das soll ich dir etwa glauben?“
„Ja. Das kannst du ganz beruhigt.“, sprach es und ich glaubte ihm tatsächlich (weil ich ihm glauben wollte).
„Und wie sieht sie das Ganze?“, fragte ich noch, um sicher zu gehen.
„Genau wie ich.“, antwortete Gunnar kurz und knapp und ich bemerkte, dass er nicht weiter darüber zu reden gedachte. Was offensichtlich so viel bedeuten mochte wie, ....vergessen wir einfach das Ganze! Es hat keine Bedeutung für uns.

Gegen halb eins dankten wir Kevin und verabschiedeten uns von ihm und seiner Lebensgefährtin.
Bereits einige Zeit vorher, hatte ich Derek Gute Nacht gesagt und IHM für seine Willigkeit gedankt, bei mir zu sein.

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Wir sprachen nicht mehr über Margot Olsson. Wozu? Im Gegensatz zu den vielen anderen Kurzgeschichten, hatte er sich tatsächlich Mühe gegeben. Um meinetwillen? Um MIR etwas zu beweisen? Oder vielleicht sich selbst? Arbeitet er in der Tat an sich? Wie es schien, wollte er DAS auch selbst. Was doch auf eine (groteske? besondere Art und Weise, bemerkenswert war.
Womöglich wurde er aber auch nur (altersbedingt) vernünftiger und/oder vorsichtiger. Obgleich er wieder und wieder betonte, dass er sich stets mit den gegebenen Mitteln schützte. Und ich wusste, dass er es tat und sich regelmäßig untersuchen ließ. In diesen Dingen war er tatsächlich besonders eigen und gewissenhaft. Das musste ich ihm zu Gute halten. Bei all den Liaison. Oder gerade deswegen. Und vor allem fand ich es auch mit gegenüber doch recht verantwortungsvoll. Und ich erwartete das auch von ihm! Das wusste er.

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Heute Morgen verlegte ich, per iPhone, ENDGÜLTIG das Briefing auf die Zeit nach dem Lunch. Derek monierte nicht. Kevin sei auch ein wenig später gekommen. Sagte er.
„Nimm dir frei!“, bat ich meinen Mann.
Der lachte. „Wenn es nach dir ginge, hätte ich Dauerurlaub.“
„Wäre das nicht das Beste?“
Und auch er entschuldigte sich für den Vormittag.