Trotz
alledem das Gunnar sich frei genommen hat und hier im Zentrum ist, sahen wir
uns gestern kaum. Jeder ging seiner eigenen Wege. Ich ließ mich in der Manie-
und Pediküre pflegen. Die übrige Zeit war ich im Büro. Gunnar hingegen in der
Sauna und schwimmen. Danach bei Marie und den Kindern. Den Lunch nahmen wir
gemeinsam ein.
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Kurz bevor
Gunnar mich zur Abfahrt nach Stockholm mahnte, um meine Eltern vom Airport
abzuholen, hatten wir drei, Kevin, Derek und ich ein Gespräch in meinem Büro. Im
Wesentlichen kreiste es um geschäftliche Belange. Doch dann wurde es ebenso
privat. Begonnen hatte es damit, dass ich Derek fragte, ob ihn Marie bereits
eingeladen hatte. Was er verneinte. Wir witzelten noch darüber, wie Kevin mit
Anzug und Fliege aussah. Und er meinte, er hätte doch so wie so stets im Büro
einen an. Er würde nicht viel anders aussehen. Wir lachten.
„Es wird
für Marie sicherlich selbstverständlich sein, dass du kommst.“, sagte ich zu Derek
und wendete mich dann wieder Kevin zu. „Was dich betrifft, steht es außer
Frage. Du bist selbstverständlich eingeladen.“, ich zwinkerte ihm zu.
„Schließlich gehörst du fast zur Familie. Meine Eltern kennst du sicher noch.“
Kevin
nickte. „So la, la.“
Wir
redeten noch ein paar Sätze über Deutschland, über Kevins und meine Familie und
dann sprach ich noch einmal die Verschwiegenheitsklausel an, die jeder von uns
einzuhalten hatte. Insbesondere Kevin mit seiner Frau und Derek mit seinen
Eltern, sowie seinen Freunden. (Bei
Derek, fand ich, bestand die größere Gefahr, dass sich Informationen Fehlverbreiteten,
welche nicht nach außen gehörten.) Was Gunnar betraf rechtfertigte ich mich
damit, dass er so wie so vor geraumer Zeit der Boss hier war. Zudem sei er mein
Ehemann und mir gehöre schließlich das Ganze. So liegt es in meinem eigenen
Ermessen, wie viel ich ihm sage. Über geschäftliche Dinge rede ich mit Gunnar
ohnehin nicht viel. Und auch wenn er für eine andere Firma tätig ist, ist es
doch die meines Vaters. Genau genommen kann es in diesem Falle keine
Sicherheitsrisiken geben. Es bleibt alles in der Familie.
Ich
betonte noch einmal, dass ich Kevin, nicht nur in dieser Hinsicht absolut
vertraue.
„Trotz
alledem hat Janina nichts von dem zu erfahren, was wir hier besprechen.“
Und wenn
sich Derek eines Tages doch für Giselle, aus den verschiedensten Gründen
heraus, entscheidet“, und an dieser Stelle gedachte Derek mich zu unterbrechen.
Jedoch ließ ich es nicht zu. „ist er ebenfalls angehalten darauf zu achten, was
er ihr erzählt.
„Warum
sollte ich mich denn für SIE entscheiden?“, kam seine Frage an mich ein wenig
halbherzig heran. Wie mir schien.
„Du bist
ein Ehrenmann“, argumentierte ich, „und sollte es tatsächlich dein Kind sein,
dann wirst du sicherlich, aus deinem Gewissen heraus, eine Entscheidung treffen,
die NICHT in unserem Sinne ist. Zudem bleibt unbestritten die Tatsache
bestehen, dass ich verheiratet bin. Überdies werden dich deine Eltern nötigen,
die Konsequenzen zu ziehen. Was der dritte Grund wäre.“, veranschaulichte ich
ihm seine etwaigen Motive (mich letztendlich doch zu verlassen).
„Du wirst
mich feuern, sollte ich mich jemals für eine andere Frau entscheiden.......müssen.“
(Seine Antwort sagte mir, dass er es tatsächlich bereits in Betracht, in
Erwägung gezogen hatte.)
Ich
lächelte milde. „Nein. Werde ich nicht. Auch DAS wird nichts an deiner Position
ändern. Du bleibst wo du bist. Genau hier.“, versicherte ich ihm. Obwohl ICH
selbst, diesbezüglich, noch im Zweifel mit mir lag.
Ich
pustete die Luft durch meine Lippen und sah Derek an. „Es ist in mancher Hinsicht
sicher schwierig für mich und wir sprachen schon einmal darüber, dass man genau
genommen Geschäftliches von Privatem trennt. Aber das können wir trotz alledem
weiterhin gut handeln. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür. Gerade in Familienbetrieben,
wo niemand diese Stich geradlinig zu ziehen vermag.“
Späterhin
kam das Gespräch auf Dereks Familie. Sein Vater sei noch immer hier und er
gedenke vorerst nicht abzureisen. Im Gegenteil. Er hätte nun endlich seine
japanische Frau soweit überredet, dass sie ebenfalls hier her kommen würde.
Ich
erboste mich über das Unverständnis seines Vaters, was die Krankheit seiner
Mutter betraf. War sie nicht gerade vor ihm weggelaufen und hier her zu Derek
gekommen? Nun holte er sie bereits wieder ein. Unglaublich, der Mann.
In diesem
Zusammenhange kam mir eine Idee.
„Solange
Gunnar hier im Zentrum ist, könnte deine Mutter in unserem Apartment wohnen.
Dann hätte sie zumindest Ruhe und Zeit für sich. Ohne andauernd von deinem
Vater aufgewühlt zu werden. Vom Friseur bis zum Bäcker wäre alles innerhalb
dieses Gebäudekomplexes. Sie müsste nicht einmal nach draußen gehen. Allerdings
würde ich zuvor erst gern mit Gunnar darüber reden.“
Auch Derek
sah anscheinend ein, dass die Anwesenheit seines Vaters, auf längere Zeit, für
seine Mutter zu anstrengend war. Zumal beide in einer Hütte wohnten. Was
offenbar in dem Gedankengut seines Vaters gewachsen war. Er schien zudem noch
geizig zu sein. Was nun wahrlich nicht nötig war. Und obendrein sollte
gleichwohl noch diese andere Frau hier wohnen? Ich wusste genau und vermochte
es Magdalena nachzufühlen, wie unerträglich dies für sie sein musste.
„Mag sein,
dass mich deine Mutter nicht mag“, sprach ich weiter, „aber ich kann gut mit ihr fühlen, was es für
sie bedeutet, wenn noch eine zweite Frau in ihr Haus einzieht. Vielleicht wäre
es doch gut, wenn sie sich bis nächste Woche eine Auszeit von deinem Vater nimmt.
Und dann sehen wir weiter. Es brächte allerdings wenig, sie hier im Zentrum, in
einer anderen Hütte unterzubringen. In Stockholm ist sie weniger erreichbar für
ihn. “
In diesem
Augenblick hatte mein iPhone geläutet. Es war Gunnar.
„Kommst du
mit zu Flughafen? Oder nicht?“
„Oh Gott!“
Ich schrak hoch. „Das hatte ich doch glatt vergessen. Ich komme sofort.“
Ein paar
Sätze flogen noch zwischen uns dreien hin und her, bis ich mich eilends
verabschiedete und da stand Gunnar bereits in der Tür und mahnte zur Eile.
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Auf der
Fahrt zum Airport sprach ich kurz das Thema mit unserem Apartment und Dereks
Mutter an. Gunnar zuckte mit den Schultern und hatte nichts dagegen, wie es
schien.
„Wenn wir
ihr so helfen können. Warum nicht.“, sagte er.
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Das
eigenartige mit meinen Eltern, die nicht meine Eltern sind, denn eigentlich bin
ich wohl mittlerweile ein Waisenkind, ist, dass sie sich mir nie wirklich (mit
all ihren Gefühlen) zugewandt haben. Wie auch, wenn sie nicht wirklich meine
Eltern sind. Ihnen war zumeist, oder beinahe immer, das System der Belohung
wichtig. Gutes Kind bekommt. Böses Kind wird gemieden. Gestraft. Gut und Böse
richteten und richten sich nach wie vor nach dem Ermessen meiner Eltern. Im
Augenblick ist Marie die Begünstigte, die sie bisher nie wirklich als ihr Kind
angesehen hatten. Wie auch? Sie ist Mulattin. Da hatte sich meine Tante Ellen,
die eigentlich meine Mutter ist, mit einem Schwarzen einzulassen und obendrein
noch ein Kind von ihm zu bekommen. Selbstredend wurde das Kind (der Schande) evakuiert.
In den tiefsten Süden. Nach New Orleans. Ihre Herkunft wurde verleugnet,
verschleiert und ihr eine andere, passendere Ziehmutter, Ruby Jane, gegeben.
Als Kinder spielten wir so oft zusammen und wussten doch nicht, dass wir
Schwestern sind.
Infolgedessen
dreht sich nun alles um Marie und spielt sich alles bei ihr ab. Sie ist glücklich
darüber, dass sie mir endlich einmal überlegen ist und für eine kurze
Zeit in der absoluten Gunst meiner Eltern steht. Daher bekommt sie alles, was
sie sich wünscht. Die Hochzeit wird selbstredend von meinen Eltern
ausgerichtet. DAS sind sie Tante Ellen, meiner eigentlichen Mutter, offenbar
schuldig. Ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber, kann und konnte ich jedoch nie
in meiner Eltern Handlungen und Absichten entdecken. Stets wurde Ellen, wenn
überhaupt erwähnt, ausschließlich als verruchte Person dargestellt, die sich
nicht um ihre Kinder kümmert und stattdessen lieber ihr Leben genießt. Sprich
Party feiert. Vom Arbeiten hielt sie offenbar ebenso nicht viel. (DAS muss an
mir hängen geblieben sein!) Meinen Eltern jedoch war und ist die Arbeit stets das
Wichtigste. Wie Deutsche nun einmal, im Allgemeinen, sind.
Im Grunde
bin ich glücklich damit. Weil es mich entlastet. So habe ich doch die Muse
anderes zu tun. Denn selbst Gunnar ist im Haus von Marie.
Die Kinder
sind ebenso ein Mittelpunkt. Enkelkinder, die ICH ihnen niemals mehr
schenken kann und werde. Daher noch ein Plus für Marie, die nun endlich anerkannt
ist, in unserer Familie. Was sie über glücklich macht.
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Mit Gunnar
sprach ich noch einmal über Alexa.
„Hast du sie
eingeladen?“, fragte ich ihn unverblümt und einen scharfen Ton.
Gunnar
antwortete nicht. Sah mich stattdessen Schuld bewusst an und grinste.
Ich
schnaufte. „Was sagt Marie dazu?“
„Was soll
sie dazu sagen? Sie kennt sie schließlich. Und alle anderen doch auch. Derek
wird, meines Wissens, sicherlich ebenso anwesend sein.“
„Ich weiß
es nicht. Hier lasse ich Marie entscheiden.“, die sich tatsächlich kurze Zeit
später bei mir meldete und sagte, dass ich doch bitte all ihre und meine
Bekannten einladen soll.
„Du weißt
aber schon, dass auch Alexa kommen wird?“, fragte ich noch einmal nach.
„Eine
Person mehr oder weniger. Darauf kommt es doch nun auch nicht mehr an. Meinst
du nicht?“, erwiderte sie lapidar.
„Darum
geht es nicht?“
„Ich weiß.
Aber Gunnar hat.....“
„Ahhhhh.
So ist das also. Okay. Dann wird Derek ebenfalls anwesend sein.“
„Sage ich
doch.“ Sie lachte.
Und gleich
darauf rief ich Derek an und überbrachte ihm die frohe Kunde.
„Aber ich
hätte eine Bitte.“, hörte ich Derek sagen.
„Sprich
sie aus.“, kam ich umgehend und gerade heraus zur Sache.
Räusper,
hüstel usw... „Meine Mutter und.......“
„.....dein
Vater“, sprach ICH an seiner statt
weiter, „würdest du ebenso gern dabei haben wollen?“
Räusper, hüstel,
usw.... „Wenn es keine Umstände macht. Und wenn sie Marie und Henrik willkommen
wären?“
„Aber
selbstverständlich!“, erwiderte ich frei heraus. „Sie sagte ohnehin, dass all
ihre Bekannten eingeladen wären und es auf ein, oder zwei Personen mehr nicht
ankommen würde. Also dann. Warum nicht? Aber bitte“, nun wurde meine Stimme
noch ein wenig fester und gebieterischer, wie sie ohnehin bereits war, „Dein
Vater soll sich mäßigen. Ist das klar?“
Ich hörte
Derek pusten. „Pffffff....Huuuu WOW! Du bist heute sehr direkt und klar.“
Ich
lachte. „Du meinst rigoros und despotisch? Sprich es ruhig aus.“
„Okay. Ich
werde es ihm sagen.“
„Hat deine
Mutter sich schon wegen des Apartments geäußert?“
„Oh! Ja.
Sie meint, es sei nicht nötig.“
„Nun gut.
Der Grund dafür, mag bei ihr bleiben. Sie wird schon wissen, was sie tut.“
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Ich hatte
ohnehin den ganzen Abend und gleichwohl am Morgen, an Derek gedacht. Hätte am
aller liebsten bei IHM sein wollen. Seine attraktive Erscheinung kreiste in
meinen Gedanken und sein schönes Gesicht schwebte mir unaufhörlich vor meinem
inneren Auge umher. Gunnar hatte es selbstredend bemerkt.
„Wieso
denkst du an Derek? Ich dachte du bist froh darüber, dass ich endlich hier bei
dir bin.“
„Ja! Bin
ich doch auch. Aber es ist mir zu viel Trubel. Diese andauernden Unkonstanten
wachsen mir über den Kopf. Bringen mich aus dem Gleichgewicht. Maries Hochzeit
und alles, was damit zu tun hat, einschließlich, oder vor allem, dem Besuch
meiner Eltern, ist für mich wie auf glattem Eis zu gehen.“
„Du bist
doch nicht wesentlich involviert. Man lässt dich doch weitestgehend in Ruhe. Da
man weiß, wie krank du bist.“
„Meidet
man mich deshalb? Lässt man mich aus diesem Grund außen vor?“, wurde ich fast
noch hysterisch. Und ich konnte selbst nicht verstehen warum.
Gunnar stutzte.
Zog die linke Augenbraue hoch. „Ich dachte, du bist froh darüber?“
„Ja! Bin
ich doch auch!“
„Pffhhuu!“
Er breitete die Arme aus und hob die Schultern. „Also, WAS willst du denn nun?“
Gunnar
lenkte jedoch umgehend ein. Kam auf mich zu und wurde leiser. Umarmte mich und
drückte meinen Körper an den Seinen. Strich mir über den Rücken und küsste
meinen Hals. „Ich weiß. Es liegt an der Art deiner Eltern, die dich immer
wieder verletzt.“
Es tat so
gut jemand zu haben, der einen versteht..........
Entsprang
etwa der Gedanke, bei Derek sein zu wollen, meinem Bedürfnis, dem allen zu
entfliehen? Vertraute ich ihm tatsächlich so sehr, dass ich ihn als Anker für
mich sah?
Nun,
zumindest gelegentlich wird das wohl so sein.
Was nicht
bedeutet, dass Gunnar es minder wäre. Gleichwohl in seinen Armen finde ich die ersehnte
Geborgenheit. Nur in diesem Fall ist ER gleichermaßen involviert. Diese Hektik,
dieser Druck, den ich verspüre, bereitet mir Kopfschmerzen.
Aus diesem
Grunde mag ich dergleichen nicht!