Donnerstag, 28. April 2016

Unkonstanten



Nun war überhaupt keine Gelegenheit für mich gewesen, Alexa nach ihrer Schwangerschaft zu fragen. Gleichgültig. Unwichtig. Es wird Andere geben.

Ich saß im Büro und dachte darüber nach, was ich nun tun sollte. Allemal war es bereits Zeit für den Lunch. Nur gedachte ich zuerst die unangenehmen Dinge hinter mich zu bringen, bevor ich mich zum Restaurant begab. Da waren noch einige Termine zu ändern. Was ich tat. Und dann......


Nachdem ich nun all meinen Mut zusammen genommen, und mich mit einem Kuss (im Büro) von Derek verabschiedet hatte, ging ich zu meinem Haus, wo ich Gunnar und Alexa erwartete. Aber niemand war dort. Auch Alexas Wagen stand nicht mehr vor dem Haus. Infolgedessen vermutete ich, dass sie zurück nach Stockholm gefahren und Gunnar bei seinen Kindern war. (Damit lag ich richtig.)  Also nahm ich den Weg zu Marie und Henriks Haus, welches nicht weit von dem Unseren steht.
Gunnar begrüßte mich fast euphorisch. Kam auf mich zu, drückte mir inbrünstigst einen Kuss auf die Lippen und fragte, wo ich war.
„Das nächste Mal hinterlässt du wenigstens eine Zeile, damit ich weiß, wo du bist. Wir...ich habe mir sorgen gemacht. Warum bist du nicht an dein iPhone gegangen?“
Ich antwortete nicht. Stellte stattdessen eine Frage und war ins geheim froh, dass er diesen, genau genommen, belanglosen Vorfall so kulant überging. Warum hätte er sich ereifern sollen. Schließlich gilt noch immer gleiches Recht für alle. Im Allgemeinen war ER derjenige, der sich dergleichen Episoden erlaubte.
„Hättest du dich nicht bei Kevin erkundigen können? Er wusste wo ich war.“
Gunnar hob die linke Augenbraue. „Ja. Das habe ich schlussendlich auch getan. Nur heute Morgen wollte ich schon wissen, ob du zurückkommen wirst.“
Aus welchem Grund? Dachte ich so und er antwortete selbstverständlich darauf. Alldieweil er die Frage in meinen Gedanken gelesen hatte.
„Weil ich dich liebe, mich um dich sorge. Dir sagen wollte, dass Alexa gegangen ist und dass es ihr Leid tat, dich verärgert zu haben. Nur wusste sie nicht mit was. Sie war ganz verstört gewesen, als du nicht mehr zu Hause warst.“

„Gunnar.“, sagte ich mit entschiedener Stimme und wurde ungeduldig. „Wie oft sagte ich dir, NICHT in meinem Haus UND NICHT in (m)einem Bett zu dritt. Trenne das mit uns beiden, wenn du sie schon behalten willst.“
Gunnar hüstelte und sah sich kurz um. Alle starrten uns an und warteten offenbar auf Gunnars Reaktion.
Er griff nach meiner Hand und küsste sie. Zog mich zu sich heran. „Rea, ich weiß. Aber sie denkt, du bist ihre Freundin und kann solche Reaktionen von dir nicht verstehen. Vielleicht wäre es gut ein wenig umgänglicher mit ihr zu werden.“
Ich löste mich mit etwas Nachdruck aus seinen Armen und schüttelte mit dem Kopf. „Weißt du, ich gebe mir in der Tat alle Mühe sie freundlich zu behandeln. Aber es ist mir schlichtweg unangenehm, sie in meiner Nähe zu haben. Gegen dieses Gefühl vermag ich nichts zu tun. Es ist wie es ist. Selbstredend kann sie uns besuchen. Aber für mehr, reicht mein Verständnis nicht. Es tut mir leid. So geht es nicht. Deshalb bin ich gestern gegangen. Verstehst du das? Ich fühlte mich nicht gut dabei, euch beide, so (schmusend und verliebt) eng beieinander und selbstverständlich in meiner Nähe zu sehen.“

Die angenehmen Stunden mit Derek wurden nun mit einem Gefühl der Traurigkeit überlagert. Aber egal! Gunnar war zum Glück genauso großzügig wie ich es stets, bis auf wenige Ausnahmen, war und bin. Er nickte mir entgegenkommen mit Liebe in seinen Augen freundlich zu. War verständnisvoll, versöhnlich und in jedem Fall vorurteilsfrei. Was wollte ich mehr? Genau DAS hatte ich von ihm erwartet! Nicht mehr und nicht weniger.
Phhhuuu! Das war geschafft!
Ich blieb noch eine Weile und Gunnar begleitete mich dann ins Restaurant zu einem (sehr) späten Lunch.

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Als ich/wir fertig waren mit dem essen, fragte ich Gunnar, ob er mit mir ins Büro kommen wolle.
„Warum nicht.“, erwiderte er lächelnd.
Ich dachte, er hätte Skrupel, wegen Derek. Aber Männer sind da offenbar anders gestrickt als Frauen.
Im Büro angekommen begrüßten sich die beiden recht freundschaftlich und offen, wie es Männer nun einmal tun. Es war in diesem Augenblick schon eigenartig für mich dies mit anzusehen. Ich musste innerlich grinsen.
„Warum hast nicht wenigstens Bescheid gesagt, dass du bei ihr bist.“, sagte Gunnar zu Derek. „Ich habe mir Sorgen gemacht.“
Der sah zu mir herüber. Wusste anscheinend nicht wirklich, was er anworten sollte und gab die Verantwortung an mich ab. „Rea sagte, ich solle mein Handy abschalten.“
Gunnar grinste. Offensichtlich dachte er, der scheint alles zu tun was sie sagt. Aber ich war mir hier nicht sicher. Ich deutete es nur aus seinem Blick und seinem Lächeln heraus.
Die beiden Männer standen sich ohne jeden Groll aufeinander gegenüber, als wäre es das normalste dieser Welt. Hier hatte Gunnar mir etwas voraus. Er war auf Derek nicht eifersüchtig, wie es schien. Und wenn ja, dann zeigte er es nicht. Allerdings wusste er ebenso, dass er sich meiner sicher sein konnte. (Konnte er das?) Wusste ich das von ihm? Laut DEM, was er mir stets beschwörend sagte,...JA. (Aber war ich das?) Unkonstanten gab es immer.
„Aber das nächste Mal, bitte, sagt Bescheid.“, mahnte Gunnar noch einmal und sah von einem zum anderen.
Ich beäugte die beiden und lächelte so vor mich hin. Gunnar sah zu mir herüber und merkte an: „Siehst du. Wir Männer verstehen uns doch auch.“ Was bedeuten sollte: Sei nicht so eifersüchtig. Sei gut Freund mit Alexa. Ich bin es mit Derek doch auch.
„Was gibt es denn an meinem Verhalten zu tadeln? Ich bin doch freundlich zu ihr. Bin weder ihr, noch dir kram. Akzeptiere, dass es eben so ist. Und ich sagte dir bereits vor eine Weile, und auch ihr, dass ich es besser fände, wenn wir das, mit uns beiden, trennen. Es kümmert mich nicht wesentlich, wenn sie uns besucht. Aber bei uns schlafen....das mag ich tatsächlich nicht. Derek schläft schließlich gleichwohl NICHT mit uns in einem Bett.“, plädierte ich noch einmal und tat Gunnar meine Meinung kund, wie schon zuvor bei Marie.
Stille.
Kevin war herein gefahren. „Oh! Störe ich vielleicht?“
„Nein. Natürlich nicht.“, antwortete ich ihm. „Alles, was wir hier besprechen, kannst auch du hören. Ich habe keinerlei Geheimnisse vor dir. Das weißt du doch.“ Ich zwinkerte ihm zu und er verstand.

Gunnar verließ uns nach einer Weile. Er hatte vor schwimmen zu gehen. Und ICH wies noch einige Bestellungen an. Neue Bettwäsche wurde gekauft, und Schals für unserer Geschenke-Shop (Presentaffärer). Inventur und Bestellungen für unsere Apotheke wurden besprochen. Sowie der Unterhaltungsplan für die kommende Woche.
Erst gegen sechs, als Derek, Kevin und all die anderen gegangen waren, rief ich Gunnar an, der bereits bei Marie und seinen Kindern war. Gleich anschließend trafen wir uns allesamt im Restaurant, um das Dinner einzunehmen.

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Der Abend war, als wäre nichts weiter geschehen.
Meine Eltern riefen an und teilten uns mit, dass sie Morgen zu uns kommen würden.
Wir versprachen, selbstverständlich, sie am Flughafen abzuholen.
Zu später(er) Stunde läutete Gunnars iPhone. Es war Alexa. Sie hatte sich Sorgen um mich gemacht. Das ich ihr böse sei, ect....., und fragte, wie es mir ging. Es hatte ihr offenbar keine Ruhe gelassen.
Ich nahm das Gespräch nun selbst in die Hand und.......entschuldigte mich bei ihr dafür, dass sie um meinetwillen bekümmert war.
„Ich versprach Gunnar bereits, euch das nächste Mal zu informieren, wenn ich derartig rasante Entscheidungen treffe.“
Oh Gott, wie süß sie rüber kam. War dies nun echte Sorge, oder geheuchelt? Ich vermochte es nicht wirklich zu sagen. Ihre Augen sprechen stets und im Allgemeinen, wenn sie mir gegenüber steht, eine warmherzige, wohlmeinende und freundschaftliche Sprache.
Selbst mein eigenes Bauchgefühl wähnt bei/mit/in ihr nichts Böses. (Kann ich ihm glauben?)

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Sex vor auf der Couch vor dem Fernseher, kurz bevor wir schlafen gingen. Einfach so gänzlich spontan. Warum nicht.
Dann endlich.....schlafen.....heute Morgen bis acht. Die Klempner, die im Haus neben uns arbeiteten, hatten uns wach gemacht.
Gunnar stand auf und ging ins Bad und ich tat etwas recht ungewöhnliches. Nahm mir aus dem Regal, welches neben meinem Bett steht, ein Buch heraus und las. Es war mein persönliches Horoskop in den verschiedensten Varianten mit allem drum und dran. Allerdings ist die Schrift kaum noch zu sehen. Bedauerlicherweise......egal. Danach legte ich mich noch einmal kurz hin, um die Muskeln in meinem Nacken wieder zu entspannen. Denn ich hatte auf der Bettkante gesessen, das Buch gehalten und nach unten gesehen.

Manchmal denke ich darüber nach, dass niemand nachempfinden kann, wie ich mich in meinem kränklichen Körper fühle. Wie ich alle möglichen Handlungen wahrnehme und vor allem den Sex empfinde. Er ist anders als zuvor. Bevor ich krank geworden bin. Denn genau an dieser wichtigen Stelle sind die Nerven betroffen. Missempfindungen und Schmerzen, auch dort, sind die Folgen. Daher schätze ich einen sanften, liebevollen Partner, der Verständnis aufbringt.
(Und warum musste gerade ICH einen Mann bekommen, den man innerhalb einer Sekte verdarb? Sogar noch sexsüchtig machte? Warum? Warum? Warum?
Selbst früher, als ich noch konnte, wie ich wollte, wäre mir Gunnars Verlangen zu viel gewesen. Und jetzt....so wie so. Welche Wahl bleibt mir dann, als ihm andere Frauen zuzugestehen, wenn ich nicht kann. Wenn ICH es NICHT vermag, ihn zufrieden zu stellen? Natürlich bin ich eifersüchtig. Jedoch weiß ich so mittlerweile auch, dass er mich keineswegs verlässt. Dass er mich liebt, und alle anderen Frauen, bis auf wenige Ausnahmen, nur Randerscheinungen, Glossen sind, die ausschließlich zu seiner sexuellen Befriedigung dienen.) Alles in allem ist Gunnar ein überaus ansehnlicher Mann. Und ungeachtet seiner Neigungen und Gelüste, kann ich mich auf ihn verlassen, ihm vertrauen und ich weiß, dass er mich liebt.

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So, nun harren wir der Dinge, die da kommen.
Marie und Henriks Hochzeit werden unseren Hochzeitstag bei weitem überstrahlen. Aber ich gönne es ihr. Sie hat es allemal verdient! Hat sie es sich doch so sehr gewünscht. Und auch, wenn diese Hochzeit auf Umwegen zustande gekommen ist, geschieht es JETZT.
In wie weit sich die Gästeliste auf Alexa und Derek ausdehnen wird, vermag ich nicht zu sagen. Dies liegt nun in Maries Hand. Nach wie vor bin ICH jedoch der Meinung, dass weder Alexa noch Derek auf unseren Familienfeierlichkeiten etwas zu suchen haben. Jedoch vermute ich stark, dass beide anwesend sein werden.
Mit Kevin liegt die Sache ein wenig anders. Unsere Familien in Deutschland kannten sich. Und als Deutscher (an dessen Unfall ich mich nach wie vor schuldig fühle und weswegen er nun in einem Rollstuhl sitzt), ist er ohnehin herzlich willkommen. Wie Gunnar dies sehen mag, kann ich nicht sagen. Immerhin war ein einmal EINER der drei Männer, mit denen ich gleichzeitig, ganz offen, hier im Zentrum, ein Verhältnis hatte. Zusammen war.

WER war der Dritte? Wird jetzt manche fragen, die hier noch nicht so lange liest. Es war IAN. Der Musikus, für den ich damals eigens ein Tonstudio bauen ließ. So sehr seine Leidenschaft zur damaligen Zeit auch für mich erblüht sein mochte, war er doch ein überaus unbeständiger Mann, auf welchem ich mich nicht verlassen konnte und ich erinnere mich noch gut an das Gespräch, welches meine beiden anderen Männer (Gunnar und Kevin)  miteinander führten, als ich krank geworden war. Gunnar merkte seiner Zeit bereits an, dass kein Verlass auf Ian sei. „Wir können sie ihm nicht überlassen. Er hat keinerlei Verständnis dafür, wie krank sie jetzt ist. Und denk’ nur daran, sollte es noch schlimmer werden, lässt er sie ohnehin irgendwann fallen. Dann besser jetzt.“, war damals Gunnars Einschätzung der Situation. Ähnlich war es mit Josh. Welcher seinerzeit ebenso, nebenher, ein Thema war. „Stell dir nur vor“, sagte er zu Kevin, „wie dieser Beachboy Rea im Rollstuhl am Strand durch den Sand schiebt. Das wird nie etwas werden.“ An diese Worte erinnere ich mich nur noch zu gut. Schon damals dachte ich, NEIN (!), DAS wird NIEMALS geschehen, dass ICH jemals in einem Rollstuhl sitze!
Aber genug der Erinnerungen. Es wird Zeit, sich der Gegenwart zuzuwenden. Die kommenden Tage werden mehr als anstrengend sein und ich vermag nicht zu sagen, in wie weit ich hier etwas schreiben kann.
Frau...wird sehen. Smile.......