Aufgrund von Wanjas „Besuch“,
vermochte ich mich noch immer nicht meinen „Clan-Schwestern“, oder zumindest
denen, die es werden wollten, zuzuwenden.
Bis zum Mittag survte ich im
Internet. (Um mich abzulenken.) Wollte genau genommen nicht wirklich über Wanja
nachdenken. Was hätte ich ihm schon sagen sollen? Das ich mich NICHT von Gunnar
scheiden lassen und NICHT mit ihm gehen werde? Ich hatte den gesamten Morgen
schreckliche Furcht ihm face to face gegenüber zu sitzen und ihm genau DAS
sagen zu müssen.
Es war so wie so unvermeidlich
gewesen, dass er irgendwann wieder hier her kommt, um mir eine Entscheidung
abzuringen.
Seine Zeit in Haft gedachte ich nicht
anzusprechen. Wer weiß, wie viel Schlimmes er dort erlebte, woran er besser
nicht erinnert werden will.
Sollte ich ihn ausschließlich
anstarren? Oder ihn um den Hals fallen.
Letztendlich tat ich beides nicht.
Kaum, dass ich dachte, mein Umfeld
würde sich nun so allmählich beruhigen, war mein Körper erneut in Aufruhr.
Zumindest hatte uns Emilia verlassen, und ich würde sie hoffentlich alsbald
nicht wieder sehen.
Gunnar war im Zentrum unterwegs. Vermutlich
arbeitete er im Office. War schwimmen oder zu seinen Kinder gegangen.
Und beide warteten wir auf Wanjas
Erscheinen.
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Nach dem Lunch kam Wanja zu uns,
Sprach zuerst kurz mit Gunnar und dann setzen wir uns alle drei zusammen um den
Tisch in unserem Haus.
„Gunnars sagte, du weißt von seinen
Seitensprüngen und würdest sie tolerieren?“, begann Wanja sogleich in die
Offensive zu gehen.
Ich räusperte mich und wartete einigen
Sekunden, bevor ich unsicher nickte.
Wanja holte ein Schriftstück aus
seiner Jackentasche und hielt es mir unter die Nase. „Ein von mir beauftragter
Detektiv hielt alle seine außerehelichen Aktivitäten der letzen Wochen hier
fest. Nimm und ließ.“, forderte er mich auf.
Sollte ich mir das jetzt tatsächlich
antun? Wusste ich nicht bereits von allem? Oder doch nicht?
Ich griff NICHT nach dem Papier, und
sagte stattdessen: „Ja. In der Tat, ich weiß, dass sich Gunnar auf Grund seiner
Neigungen mit einer anderen Frau trifft. Überdies weiß ich von Natalja und
Ellen Parker, und dass er des Nachts oft einige Stunden mit ihnen verbringt,
während ich schlafe. Und ebenso von der Liaison mit Elena, Kate und Marie, die
er ohnehin nicht liebt. Es war nur Sex.“
Wanja war irritiert, dass ich seine
„Beweis“ nicht entgegennahm und zog seine Hand samt Papier zurück und faltete
es auf. Er schien nun eher ärgerlich zu werden und las mir vor, was dort
geschrieben stand. „Weißt du auch von Paula Diaz, Cara Holm und der verärgerten
Akuma Li? Oder von seinen Gelegenheitsficks mit Margot Olsson, Amanda Sjöval, Sylvia Romero, Claire Mc Lachlin,
Mathilda Nyborg, Ming Bei und Sui Chen? Und seit kurzem treibt er es auch
mit Lara De Wit?“
Ich sah zu Gunnar, der es offenkundig
nicht für nötig hielt sich dagegen zu verwehren oder sich zumindest zu
verteidigen. Er schien sich sogar zu amüsieren.
Wanja wurde ungeduldig und schüttelte
verständnislos mit dem Kopf. „Was ist eigentlich los mit dir Rea? Hat er dich
verhext? Oder was?“, fragte er allen ernstes. „Wegen einer einzigen Frau hast
du mich damals verlassen, und nun gestattest du deinem Ehemann Unzählige?“
Ich antwortete noch immer nicht. Dann
schwiegen wir alle drei für einige Sekunden.
Wanja atmete tief und hörbar. Fühlte
sich sichtlich unwohl. Hingegen Gunnar da saß und so tat, als würde er einem
Theaterstück belustigt folgen.
„Hast du dazu wirklich gar nichts zu
sagen?“, setzte Wanja nach.
Ich wusste, dass ich mich auf
irgendeine Weise äußern musste und begann ausweichend „Das sind doch nur Gerüchte.“
Gunnar schmunzelte. Nun schaltete
auch er sich der Unterhaltung zu und richtete das Wort an Wanja. „Du hast
erwartet, dass Rea angesichts deiner angeblichen Beweise“, bei diesen Worten
malte Gunnar mit seinen Fingern zwei imaginäre Anführungsstriche in die
Luft, „sich letztendlich doch noch von
mir scheiden lässt und mit dir geht. Das wird aber nicht passieren. Sie weiß
über alles bescheid und alles andere sind in der Tat nur Gerüchte oder
böswillige Verleumdungen.“
Wanja empörte sich über Gunnars
Worte. Atmete schwer und fluchte russisch.
„Deine Bemühungen waren umsonst.“,
versuchte Gunnar Wanjas verzweifelten Versuch mich zurückzuholen so rasch als
möglich zu beenden.
„Ich will mit Rea allein reden!“,
forderte Wanja barsch.
Gunnar zuckte mit den Schultern.
„Bitte. Wenn sie es möchte?“
Nun sahen die beiden zu mir.
Natürlich musste und wollte ich
Wanjas Bitte nachkommen. Das war ich ihm schuldig! Also nickte ich, stand auf,
zog mir Schuhe und Jacke über und ging mit Wanja nach draußen auf die Veranda.
Und schon im nächsten Moment hielt er mich am Arm. „Warum fällst du mir so
derart in den Rücken. Ich dachte wir waren uns einig. Unser Vorhaben hat sich
aufgrund der politischen Lage nur um einige Monate verzögert.“
Ich sah ihm nur (flehend) in die
Augen. Antwortete jedoch nicht.
Er ließ mich los. Drehte sich kurz
zur Seite und lief unruhig vor mir hin und her, während er sich wieder und
wieder über das Kinn strich. Dann kam er zurück und nahm seinen Platz direkt
vor mir wieder ein. „Ich verstehe dich nicht Rea. Selbst wenn du nur die Hälfte
von dem glauben würdest, was der Detektiv ermittelte, wäre dies ausreichend, um
ihn zu verlassen. Meinst du nicht auch?“
„WENN es wahr wäre.“
„Rea“, er griff erneut nach meinem
Arm, „es ist wahr!“
„Ich vermag mir einiges vorzustellen,
aber WANN sollte Gunnar bitteschön mit so vielen Frauen ficken? Die meiste Zeit
ist er bei mir, bei seinen Kindern, treibt Sport oder arbeitet.“
„Er macht es zwischendurch, sodass du
es nicht bemerkst. Es sind meist nur zehn oder fünfzehn Minuten. Die
Thai-Massage ist für ihn ein Thai-Fick. Und wenn er zu seinem Bruder nach
Stockholm fährt, ist es zumeist auch mit einer schnellen oder ausgiebigen
Nummer verbunden.“
„Ich kann nicht glauben, dass sich
Gunnar Leben nur von Fick zu Fick bewegt.“
„Aber so ist es. Hattest du nicht die
Freizügigkeit aus dem Sektenleben erwähnt? Womöglich erinnert er sich daran.
Oder vermag es nicht wirklich und restlos abzulegen. Obgleich er mit dir
verheiratet ist. Womöglich versucht er es. Aber kann es nicht.“
„Er sagt, dass da nichts ist.“
„Gut. Selbst WENN du ihm DAS
abnimmst, was ist mit Siv, Natalja und Ellen Parker? Und zuvor waren es Elena,
Kate und Marie. Nimmst du das so einfach hin?“
Was habe ich für eine Wahl? Hätte ich
am liebsten geantwortet. Jedoch hätte er mich daraufhin sicherlich ausgelacht.
„Warum zögerst du? Oder hast du dich
mit dem Stockholm -Syndrom infiziert?“
Nun begann ich verlegen meine Stirn
zu kratzen, zu schnaufen und auf meiner Lippe zu kauen.
„Ich kann dir alles bieten was du dir
wünschst. Komm mit mir!“
Warum nur immer diese Verdammten
Entscheidungen?? Konnten nicht alle meine „guten Freunde“ sein? Und warum Wanja
nicht genau DAS sagen?
„Ich will mich nicht entscheiden. Ich
will beides.“, platzte ich heraus.
Wanja stutzte und sah mich
einigermaßen verstört an. „Was beides?“
„Ich möchte hier weiter mit Gunnar
leben und dich nicht verlieren.“
„Ach herje. Du weißt aber schon, dass
das nicht geht?“
Erneut sah ich ihm flehend entgegen.
Wanja schnaufte. Schüttelte mit dem
Kopf. „Нет. Я не
могу. Und
Gunnar wird es auch nicht wollen.“
„Ich weiß. Ich denke, er braucht einen Harem voller
Frauen, die ihm alles bieten können, was ich ihm nicht geben kann und will.“,
schoss es intuitiv aus mir heraus.
„Das ist es also.“, sagte Wanja und lächelte sogar
ein wenig.
„Nein. Er liebt mich!“, blieb ich beharrlich.
„Das bezweifle ich nicht. Aber du
tolerierst die anderen Frauen, weil Du krankheitsbedingt nicht in Lage bist ihn
zufrieden zu stellen.“
„Es ist nicht nur die Krankheit und
die damit verbundenen Beeinträchtigungen.“
„Was dann?“
„Seine Neigungen. Seine Spielchen und
was auch immer sonst er noch so mag. Ich kann und will das meiste davon nicht
tun. Ich will den wenigen Sex, den ich krankheitsbedingt noch zustande bringe
genießen und mich nicht zu irgendetwas zwingen müssen, was mir nicht zusagt.
Aber Gunnar ist nun einmal so geartet, was seine sexuellen Neigungen betrifft.
Infolgedessen bin ich zufrieden, dass er mich liebt, bei mir ist, sich um mich
kümmert und mich ab und an, wenn es mir danach ist, auch in sexueller Hinsicht
zufrieden stellt.“
„Merkst du es? Du redest dich heraus.
Suchst scheinheilige Ausreden für deine Feigheit. Willst partout nichts
verändern.“
„In der Tat. Da hast du Recht. Nicht
nur, dass ich mir hier mein eigenes Reich erschuf, ich bin zudem noch zufrieden
und will nicht hier weg.“
„Das WO hat dich früher nie
interessiert. Du warst überall zu Hause.“
„Ja. Immer wieder mit einem anderen
Mann.“ Ich kniff die Augen zusammen angesichts er vielen Erinnerungen die mich
zu dieser Thematik durchfluteten. „Aber das gehört mir. Hier gehöre ich her.“
Erneutes Schnaufen. Wanja greuselte
die Stirn. „Wie es scheint, kann ich dich nicht überzeugen.“
„Andererseits jedoch mag ich dich
nicht verlieren.“, fügte ich rasch meine Forderung hinzu.
Nun hielt er mich mit beiden Händen.
„Rea, es tut mir leid. Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten. Er oder ich. Das
ist mein letztes Wort.“
Am aller liebsten hätte ich los
geheult. Mich in seine Arme geworfen, ihn geküsst und wäre mit ihm gegangen. Er
war tatsächlich sehr überzeugend gewesen. Aber ich tat es nicht. Verabschiedete
mich (in aller Traurigkeit) von ihm und ging zurück zu Gunnar, der NIE daran gezweifelt
hatte, dass ich bei IHM blieb.
Wanja reiste noch am selben Abend ab.
Aber eine SMS von ihm besagte, dass er nicht aufgeben würde........
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Um ein wenig zur Ruhe zu kommen, nach
diesem aufregenden Geschehen, lief ich die wenigen Meter zum See hinunter und
setze mich auf eine Bank.
Gunnar war, nachdem er mich in seine
Arme genommen, gestreichelt und beruhigt hatte, zu seinen Kindern gegangen. Wir
hatten verabredet, uns spätere im Restaurant zum Dinner zu treffen.
Ich starrte so vor mich hin und ließ
die letzte Stunde noch einmal Revue passieren, als ich ein stück weiter hinten
am See Finn Andersson und Simon
Löfgren entdeckte. (Zwei überaus attraktive Männer.) Noch im
selben Moment legte sich von hinten eine Hand auf meine Schulter und eine
andere strich leicht über meinen Hals.
„Du wirst doch nicht etwa abtrünnig werden?“, hörte ich Jason
Anekelea sagen. Er war im Dienst und drehte seine Runden auf den Wegen des
Zentrums.
Wir lachten.
„Nein.“, sagte ich sanft und griff nach seiner Hand. „Sicher
nicht.“
Eine Weile lange stand er so hinter mir und seine Hände ruhten auf
meinen Schultern.
„Geh besser weiter. Sonst bekommst du noch Ärger mit deiner Frau.“
Ich tätschelte seine Hand und drückte sie kurz.
„Du hast Recht. Sie beobachtet mich manchmal sogar mit einem
Fernglas.“
Ich drehte mich nun zu ihm um. „Nein! Tatsächlich?“
„Ja. Sie ist krank vor Eifersucht bei den vielen reizvollen Damen
hier.“
„Sie hat wohl auch allen Grund?“
„Nein. Hat sie nicht. Und du“, er drückte leicht mit seiner Hand
meine Schulter, „willst mich nicht.“, hatte er das Thema abrupt gewechselt.
Ups! Dies war nun in der Tat zu direkt.
„Wer sagt das?“, fragte ich trotz alledem.
„Du selbst.“
Ich wurde ernst. „Du weiß, dass das nicht so ist Jason. Wir sind
schließlich beide verheiratet.“
„Gut. Und wo ist das Hindernis?“
„Lass gut sein Jason.“
Erneut kehrte ein Augenblick Stille ein. Dann beugte er sich zu
mir herunter, küsste mich auf den Scheitel meines Kopfes und ging weiter.
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Troels fragte per SMS an, wann wir
uns einmal wieder sehen könnten. Ich schlug ihm sogleich den „Fußball-Montag“
und den „Geburtstags – Dienstag“ vor. Wobei ich mir bei dem Dienstag nicht
sicher bin, ob Taylor Cample seine Feierlichkeiten nicht auf das Wochenende
verlegt. Überdies wäre Gunnar dann trotz alledem hier im Zentrum. Also dann
doch der Montag. Denn es ist anzunehmen, dass Gunnar nach derartigen Fußball
Abenden wie gewöhnlich erst am Dienstagmittag zurück ins Zentrum kommen wird.
Was mir ehrlich gesagt gleichwohl am liebsten ist. Denn einen betrunkenen und
nach Alkohol stinkenden Mann wünsche ich mir nicht in meines Bettes Seite.
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Am Abend sahen wir fern. Gunnar hatte
seinen Arm um mich gelegt und ich hatte mich eng an seinen Körper geschmiegt.
Und mit einem Mal, ganz plötzlich, nahm er mich bei den Hüften, hob mich hoch
und setzte mich auf seinen Schoß. Er begann zu schmusen und mich zu liebkosen. Auch
mich überkam nun im gleichen Maße ein Gefühl der rasenden Leidenschaft. Wir
küssten, umarmten und streichelten uns in heißer Gier bis er jäh und
unvermittelt in mich eindrang. Was für eine leidenschaftliche Extase uns beide
erfasste. Erfrischend. Befriedigend. Genüsslich.
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Ausschlafen, heute Morgen.
Atemübungen. Yoga.
Frühstück im Restaurant. Wo uns
Natalja bediente und ich bemerkte, dass sich mein Argwohn gegen sie
kontinuierlich verringert. Was nicht zuletzt an ihrer sanftmütigen,
liebenwürdigen und altruistischen Art liegen mag. Sie ist in der Tat ein
sympathisches Geschöpf. Nicht nur bildschön, sonder ebenso edelmütig und
unbedarft, wie mir scheint. Ich hätte nicht gedacht, dass es dergleichen unter
den Menschen noch gibt. Oder sollte ich mich täuschen?
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Morgen, nach dem Briefing, werde ich
mit Natalja und Ellen zu Sarah gehen und mit den Gesprächen der Clan –
Schwestern beginnen. Zumindest ist das der Plan.