Mittwoch, 23. April 2014

Sisterhood is beautiful.



Ich war so glücklich, am gestrigen Morgen, dass Gunnar, nach den wenigen Stunden der Abwesenheit, endlich wieder an meiner Seite war.
Er ist so unentbehrlich wie eine zweite Haut für mich geworden. Ich brauche ihn, und er weiß ganz genau, wie er auf meine Bedürfnisse eingehen muss. Nur sind da gleichwohl seine Neigungen, Vorstellungen von dem, wie wir zusammen leben könnten, welche ich nicht zur Gänze mit ihm teile. Jedoch nehme ich hin, was nicht zu ändern ist. Weil ich ihn nunmehr über die Maßen liebe und weil das alles zu ihm gehört, und bedauerlicher Weise nicht zu ändern ist.
Ich glaube jede Frau hat auf ihre eigene Art unter der patriarchalen Herrschaft zu leiden, welche Auswüchse sie auch immer annehmen mag, und sehnt sich vor allem nach etwas, dass sie noch nicht einmal kennt, oder ganz und gar zu benennen weiß.
Ach könnte ich mir doch nur in dieser Welt einen Mann nach meinen Vorstellungen kreieren! Die Charaktereigenschaften inbegriffen.
Oder besser noch: Könnte ich doch nur die Welt umgestalten, dass sie nach matriarchalen Werten spielt. Dann bräuchte ich mir keinen Mann zu modellieren.
Andererseits wäre es, aus der heutigen Sicht heraus, für mich, und sicher ebenso für andere Frauen, undenkbar sich derart schwesterlich zu verhalten wie es erforderlich wäre. Weil es schlicht und einfach schwer fällt eine andere Frau, einen anderen, fremden Menschen so zu akzeptieren, wie er ist. Wobei matriarchale Werte besagen, dass einer Frauen die Clan Schwestern näher steht als ein Mann. Was aus der heutigen Gesellschaftsform heraus  unrealistisch erscheint. Für mich sind andere Frauen genauso fremde Menschen wie andere Männer. Und innerhalb meiner Familie, wie es üblich wäre, werden diese Bande nicht gepflegt. Daran vermag auch ich nichts zu ändern. Meine Mutter ist mir fremder als Christine, meine Schwiegermutter. Und die Clan Schwestern wollen die Bande untereinander erst einmal knüpfen. Hier herrscht noch immer Misstrauen, sanfte, unterschwellige Feindschaft und Konkurrenzdenken unter den Frauen. Die nichts anderes kennen, als sich gegenseitig zu taxieren, zu beurteilen und (abzuwerten) abzuschätzen. Vor allem hat jede von ihnen eine andere Vorstellung, was Freundschaft ist, oder eine Clan-Schwesternschaft beinhaltet.

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Nach dem Lunch, Gunnar war zum Office gegangen und ich war auf dem Weg nach Hause, begegnete mir Emilia Stephansdottir und hielt mir einen Vortrag, wie wir ab jetzt am besten miteinander auszukommen und zu kommunizieren hätten.
Uff! Ich verstand kaum ein Wort von dem, was da so ihren Mund verließ. `Könnte ich bitte einen Mitschnitt bekommen?` , hätte ich beinahe gefragt, `um noch einmal darüber nachzudenken?´
„Ja. Ja. Natürlich.“, sagte ich. „Ich denke darüber nach.“ Aber dann, verließ, so völlig spontan (und unkontrolliert) meine Meinung  in Form von Worten zu alldem meinen Mund. Ich weiß nicht, ob sie nun zornig ist oder nicht. Aber warum sollte ich mich jedes Mal unter den Scheffel stellen? Nicht einfach sagen, was mich bewegt. Alles andere wäre verlogen.
Sie zog die Augenbrauen nach oben und setzte zum sprechen an. Aber ich hatte genug und ging schlicht und einfach weiter. So hat sie nun genügend Zeit darüber nachzudenken, um mir, so ganz förmlich, regelgerecht und offiziell eine Antwort zukommen zu lassen, wenn es ihr beliebt.

Natürlich bewegte mich das Gespräch mit Emilia und ich konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, was ich zu ihr sagte und was ich hätte noch (nicht) sagen sollen oder können.
„Lass gut sein.“, sagte Gunnar immer wieder und nahm mich in seine Arme, als wir am Abend zusammen saßen. „Häng’ dich da nicht so emotional rein. Das frisst dich sonst noch auf. Warum hast du denn überhaupt wieder begonnen mit ihr zu reden?“
Ich seufzte. „Weil ich die Freundschaft zu ihr nicht gänzlich fallen lassen möchte. Denn sie hat so unendlich viel Wissen über matriarchale Dinge, die ich selbstredend bei den Clanschwestern mit einzubringen gedenke. Denn es wäre schade, wenn ich nicht versuchen würde so viel wie möglich Frauen die Augen zu öffnen. Aber das kann ich nicht wirklich allein. Ihr Wissen wäre dazu in der Tat überaus hilfreich.“

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Mit einigen der Clanschwestern hatte ich am gestrigen Nachmittag bis zum Abend, als Gunnar nach Hause kam, um mich zum Dinner abzuholen, über Freundschaft und über das matriarchale Thema, das ihnen doch völlig fremd zu seien schien, diskutiert. Wir waren gleichwohl am See ein langes Stück spazieren gegangen dabei. Was für mich, ganz persönlich, über die Maßen anstrengen gewesen war. Um nicht zu sagen, viel zu strapaziös.
So sank ich letztendlich abends willig in Gunnars Arme, um mich, so erschöpft wie ich war, auszuruhen. Ich blieb darin lieben, während wir fernsahen. Ließ mich von ihnen schlafend zum Bett tragen und kuschelte mich in sie im Schlaf der Nacht.
Und sollte Gunnar des Nachts tatsächlich woanders gewesen sein, bemerkte ich es nicht. Denn am Morgen wachte ich mit einem Lächeln darüber auf, meinen Mann neben mir zu sehen und zu fühlen, wie eng ich meinen Körper an den Seinen geschmiegt hatte.
Gunnar räkelte sich ebenfalls ein wenig, nachdem er die Augen geöffnet, mich angelächelt und geküsst hatte. „Komm. Wir schlafen noch eine Runde.“, hatte er lachend zu mir gesagt und mich an sich gedrückt. Denn er war erst kurz vor sechs.
Als wir dann gemeinsam zum Restaurant gingen, fragte ich dann doch noch: „Warst du fort heute Nacht?“
Gunnar sah mich von der Seite her an und ich wusste, dass er seine linke Augenbraue nach oben gezogen hatte. So, wie er es immer tat, wenn ihm etwas missfiel oder unangenehm war.
„Du wolltest doch nicht mehr danach fragen.“
„Also, wo warst du?“
Gunnar schnauft ein wenig, presste die Lippen aufeinander um sie dann gleich wieder zu öffnen und gestand: „Bei Natalja.“
„Ah.“