Ich war so glücklich, am gestrigen
Morgen, dass Gunnar, nach den wenigen Stunden der Abwesenheit, endlich wieder
an meiner Seite war.
Er ist so unentbehrlich wie eine
zweite Haut für mich geworden. Ich brauche ihn, und er weiß ganz genau, wie er
auf meine Bedürfnisse eingehen muss. Nur sind da gleichwohl seine Neigungen,
Vorstellungen von dem, wie wir zusammen leben könnten, welche ich nicht zur
Gänze mit ihm teile. Jedoch nehme ich hin, was nicht zu ändern ist. Weil ich
ihn nunmehr über die Maßen liebe und weil das alles zu ihm gehört, und bedauerlicher Weise
nicht zu ändern ist.
Ich glaube jede Frau hat auf ihre eigene Art unter der patriarchalen Herrschaft zu leiden, welche Auswüchse sie auch
immer annehmen mag, und sehnt sich vor allem nach etwas, dass sie noch nicht
einmal kennt, oder ganz und gar zu benennen weiß.
Ach könnte ich mir doch nur in dieser
Welt einen Mann nach meinen Vorstellungen kreieren! Die Charaktereigenschaften
inbegriffen.
Oder besser noch: Könnte ich doch nur
die Welt umgestalten, dass sie nach matriarchalen Werten spielt. Dann bräuchte ich
mir keinen Mann zu modellieren.
Andererseits wäre es, aus der
heutigen Sicht heraus, für mich, und sicher ebenso für andere Frauen, undenkbar
sich derart schwesterlich zu verhalten wie es erforderlich wäre. Weil es
schlicht und einfach schwer fällt eine andere Frau, einen anderen, fremden
Menschen so zu akzeptieren, wie er ist. Wobei matriarchale Werte besagen, dass
einer Frauen die Clan Schwestern näher steht als ein Mann. Was aus der heutigen
Gesellschaftsform heraus unrealistisch erscheint. Für mich sind andere Frauen
genauso fremde Menschen wie andere Männer. Und innerhalb meiner Familie, wie es
üblich wäre, werden diese Bande nicht gepflegt. Daran vermag auch ich nichts zu
ändern. Meine Mutter ist mir fremder als Christine, meine Schwiegermutter. Und
die Clan Schwestern wollen die Bande untereinander erst einmal knüpfen. Hier
herrscht noch immer Misstrauen, sanfte, unterschwellige Feindschaft und
Konkurrenzdenken unter den Frauen. Die nichts anderes kennen, als sich gegenseitig
zu taxieren, zu beurteilen und (abzuwerten) abzuschätzen. Vor allem hat jede von ihnen eine andere
Vorstellung, was Freundschaft ist, oder eine Clan-Schwesternschaft beinhaltet.
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Nach dem Lunch, Gunnar war zum Office
gegangen und ich war auf dem Weg nach Hause, begegnete mir Emilia
Stephansdottir und hielt mir einen Vortrag, wie wir ab jetzt am besten
miteinander auszukommen und zu kommunizieren hätten.
Uff! Ich verstand kaum ein Wort von
dem, was da so ihren Mund verließ. `Könnte ich bitte einen Mitschnitt
bekommen?` , hätte ich beinahe gefragt, `um noch einmal darüber nachzudenken?´
„Ja. Ja. Natürlich.“, sagte ich. „Ich
denke darüber nach.“ Aber dann, verließ, so völlig spontan (und unkontrolliert)
meine Meinung in Form von Worten zu alldem meinen
Mund. Ich weiß nicht, ob sie nun zornig ist oder nicht. Aber warum sollte ich
mich jedes Mal unter den Scheffel stellen? Nicht einfach sagen,
was mich bewegt. Alles andere wäre verlogen.
Sie zog die Augenbrauen nach oben und
setzte zum sprechen an. Aber ich hatte genug und ging schlicht und einfach weiter. So hat
sie nun genügend Zeit darüber nachzudenken, um mir, so ganz förmlich, regelgerecht und offiziell eine Antwort zukommen zu
lassen, wenn es ihr beliebt.
Natürlich bewegte mich das Gespräch
mit Emilia und ich konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, was ich zu ihr
sagte und was ich hätte noch (nicht) sagen sollen oder können.
„Lass gut sein.“, sagte Gunnar immer
wieder und nahm mich in seine Arme, als wir am Abend zusammen saßen. „Häng’
dich da nicht so emotional rein. Das frisst dich sonst noch auf. Warum hast du
denn überhaupt wieder begonnen mit ihr zu reden?“
Ich seufzte. „Weil ich die
Freundschaft zu ihr nicht gänzlich fallen lassen möchte. Denn sie hat so
unendlich viel Wissen über matriarchale Dinge, die ich selbstredend bei den
Clanschwestern mit einzubringen gedenke. Denn es wäre schade, wenn ich nicht
versuchen würde so viel wie möglich Frauen die Augen zu öffnen. Aber das kann
ich nicht wirklich allein. Ihr Wissen wäre dazu in der Tat überaus hilfreich.“
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Mit einigen der Clanschwestern hatte
ich am gestrigen Nachmittag bis zum Abend, als Gunnar nach Hause kam, um mich
zum Dinner abzuholen, über Freundschaft und über das matriarchale Thema, das
ihnen doch völlig fremd zu seien schien, diskutiert. Wir waren gleichwohl am See ein
langes Stück spazieren gegangen dabei. Was
für mich, ganz persönlich, über die Maßen anstrengen gewesen war. Um nicht zu
sagen, viel zu strapaziös.
So sank ich letztendlich abends willig in Gunnars Arme, um mich, so erschöpft wie ich war, auszuruhen. Ich
blieb darin lieben, während wir fernsahen. Ließ mich von ihnen schlafend zum
Bett tragen und kuschelte mich in sie im Schlaf der Nacht.
Und sollte Gunnar des Nachts
tatsächlich woanders gewesen sein, bemerkte ich es nicht. Denn am Morgen wachte
ich mit einem Lächeln darüber auf, meinen Mann neben mir zu sehen und zu
fühlen, wie eng ich meinen Körper an den Seinen geschmiegt hatte.
Gunnar räkelte sich ebenfalls ein
wenig, nachdem er die Augen geöffnet, mich angelächelt und geküsst hatte.
„Komm. Wir schlafen noch eine Runde.“, hatte er lachend zu mir gesagt und mich
an sich gedrückt. Denn er war erst kurz vor sechs.
Als wir dann gemeinsam zum Restaurant
gingen, fragte ich dann doch noch: „Warst du fort heute Nacht?“
Gunnar sah mich von der Seite her an
und ich wusste, dass er seine linke Augenbraue nach oben gezogen hatte. So, wie
er es immer tat, wenn ihm etwas missfiel oder unangenehm war.
„Du wolltest doch nicht mehr danach
fragen.“
„Also, wo warst du?“
Gunnar schnauft ein wenig, presste
die Lippen aufeinander um sie dann gleich wieder zu öffnen und gestand: „Bei
Natalja.“
„Ah.“