Gunnar war gerade dabei zu seinem Fußballspiel
aufzubrechen, als es an die Tür unseres Hauses klopfte. Ich öffnete einer
jungen, attraktiven, blonden Frau, die nach Gunnar fragte. Nun, die australische
Claire war es jedenfalls nicht.
Gunnar kam aus dem Hintergrund an mir vorbei und begrüße
die Frau mit einem Küsschen rechts und Einem links. Stellte sie mir dann elegant
lächelnd als Alicia Rice, Song-Writerin und Schauspielerin vor. War
offensichtlich über ihren Besuch doch einigermaßen erstaunt.
„Du bist schon hier?“, fragte er ungläubig.
„Ja. Mit der gesamten Band.“
„Ich glaube mich zu erinnern, dass du sagtest, du würdest
sie nie wieder sehen.“, brachte ich mich mit dem strahlendsten Lächeln, welches
ich mir abzuringen vermochte, in die Unterhaltung mit ein.
Gunnar pochte sich leicht mit dem Ballen seiner rechten Hand
gegen den Kopf. „Verzeih. Ich vergas dir zu sagen, dass Alicia beabsichtigte
hier her zu kommen.“ Er wendete sich Alicia zu. „Du hast nicht gesagt, WANN du
hier ankommen würdest.“ Sie kam jedoch nicht dazu eine Antwort zu formulieren.
Stattdessen wechselte Gunnar zügig die Richtung und sprach nun wieder zu mir:
„Ich versprach ihr, sie könne das Studio für ihre Aufnahmen nutzen. Ich hoffe,
das ist okay.“
„Aber natürlich.“, überschlug ich mich rein äußerlich beinahe
vor Entgegenkommen. „Du erwähntest doch hoffentlich ebenfalls, dass wir ein
Unternehmen sind unsere Leistungen gegen ein gewissen Entgelt anbieten.“ Ich
grinste ihr mit übermäßiger Freundlichkeit mitten ins Gesicht.
„Ja. Natürlich.“ Gunnar wirkte nervös und schien ein wenig
ungehalten zu werden.
„Es tut mir leid Alicia.“, sagte er nun wieder ihr
zugewandt. „Ich versprach meinen Brüdern sie zu einem Fußballspiel zu
begleiten.“ Er räusperte sich und fuhr sich hektisch mit der Hand über den
Mund. „Rea kann dir das Studio zeigen und dich einquartieren.“
Nun war es an mir, mich zu räuspern. Bin ich etwa der
beschissene Butler? Oder was?
„Zu viel der Ehre.“, antwortete ich noch immer adrett
grinsend. „Ich werde selbstverständlich jemanden anweisen, ihnen das Studio zu
zeigen. Zudem wird ihnen das Personal sicherlich zu diensten sein, wenn sie
ihre Hütten beabsichtigen zu beziehen.“
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie über Gunnars Gesicht ein
kurzes Schmunzeln huschte.
„Ich muss dann los.“, sagte er. Nahm seine Jacke, küsste
mich (vor ihren Augen) auf den Mund, nickte Alicia im Vorübergehen kurz zu und
ging hinaus zu seinem Wagen.
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Für einen kurzen Augenblick vergaß ich meinen schmerzenden
Körper und tobte vor Wut, als Gunnar gegangen und Alicia mit einem Mann des
Personals unterwegs zum Studio war. Wie konnte er dieser verdammen Kuh nur
versprechen hier im Zentrum wohnen und unserer Studio nutzen zu dürfen? Da war
doch mehr als nur Freundlichkeit zwischen den beiden. Dünkte mir. Erneut schien
Eifersucht in mir zu keimen. Jedoch nicht mit der bisherigen Vehemenz, wie ich
es in solcherlei Situationen gewohnt war. Was mich doch einigermaßen erstaunte.
Da war irgendwie so ein Gefühl von: „Scheiß drauf! Was
soll’s? Ist doch völlig egal!“
Ausschließlich Gunnars Unverfrorenheit MICH als ihre
Begleitung anzubieten, zehrte an mir.
Ich packte eilig meine Sachen, ging zum Wagen und brauste
in Richtung Stockholm davon.
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Es war schon eine Überraschung für Troels gewesen, als ich
zur Tür herein schneite. Denn hätte ich mich vorher mit Sicherheit angekündigt,
wäre da voraussichtlich weder Frieda noch diese Katrine Norberg bei ihm gewesen.
Zwei junge Frauen in seiner Wohnung, und ich, war die
Dritte.
Man könnte geradewegs denken, er umgibt (schmückt) sich nur
zu gern mit jungen Damen.
Noch die Ereignisse der letzten Stunde mit Gunnar in meinem
Kopf, ließ ich mir selbstverständlich nichts anmerken und betrat Troels
Wohnung, als gehöre ich dorthin. Ich ging auf ihn zu, umarmte und küsste ihn,
legte Mantel und Tasche ab und setzte mich neben ihn auf die Couch. Frieda saß
in einem Sessel rechts neben mir, und diese Katrine saß gleich links neben
Troels. Vor ihnen auf dem Tisch standen Gläser mit Wein und einige halbgefüllte
Pappbecher mit thailändischem Essen, welche darauf schließen ließen, dass diese
Runde seit einiger Zeit bestand.
„Ich darf mich doch zu euch gesellen?“, fragte ich höflich
und sah Troels wohlwollend nicken.
Genau genommen, hätte ich am aller liebsten wieder gehen
wollen. Aber wozu mir die Show stehlen lassen oder den Platz räumen, der mir
gehört?!
Überdies wusste ich ohnehin nicht genau, wie lange ich
bleiben konnte. Denn Gunnar hatte sich über den Zeitpunkt seiner Rückkehr nicht
geäußert.
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Da nun diese Alicia Rice bei uns angekommen war, ich
ohnehin mit den körperlichen Schmerzen der Menses zu kämpfen hatte und
weiterhin die Gesellschaft der anderen jungen Frauen nicht vorbehaltlos
ertragen wollte, dachte ich daran, dass es besser sei frühzeitig zum Zentrum
zurück zu kehren, alldieweil Gunnar möglicherweise doch sogleich nach dem
Fußballspiel hätte zurückkommen können.
Dem war jedoch nicht so.
So verbrachte ich den Abend sowie die Nacht mit mir allein.
Sarah Sjögren gedachte ich nicht zu belästigen. Ebenso
wenig jemand anderen, um mir Gesellschaft zu leisten. Immerhin gab es da noch
mein Notebook und das Fernsehgerät.
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Ich kann nicht mehr sagen, was ich Idiotin mir dabei dachte,
mit einer Horror-Serie zu beginnen. Möglicherweise war es die Aussicht auf eine
langweilige Nacht, welche mir bevorstand, ohne Gunnar. Genau genommen sind gruselige
Filme in der Tat NICHT mein Genre.
In jedem Fall hätte ich besser lesen, oder frühzeitig zu
Bett gehen sollen. Alldieweil ich mich dann, und an dieser Stelle sei es jedem
gestatten zu schmunzeln, sogar fürchtete aufzustehen, um ins Bad gehen zu
können. Wie angewurzelt blieb ich vor dem Fernsehgerät sitzen, bis ich
irgendwann einschlief und der Gräuel sich letztendlich zudem noch in meine
Träume schlich.
So etwa gegen vier wachte ich auf. Saß gekrümmt auf der
Couch und fröstelte. Der Fernseher vor mir lief noch immer mit denselben
schrecklichen Gestalten.
Ich dachte darüber nach Gunnar anzurufen. Ihn zu fragen,
wann er denn nun (endlich!) nach Hause komme. Hielt es jedoch nicht für angemessen
als erwachsene Frau aus Furcht vor einem Film nach ihren Ehemann zu rufen(schreien),
der wer weiß wo war und wer weiß was tat.
Ich dachte sogar daran mich in meinen Wagen zu schwingen
und zu Troels zurück zu fahren.
Womöglich hätte ich gleichwohl Wanja anrufen können.
Schlicht und einfach nur, um (s)eine Stimme zu hören, die mit mir spricht. Mich
beruhigt. Mich besänftigt. Nur, wo hätte das hingeführt? Dass er sich sogleich wie
der Ritter mit dem weißen Ross zu mir auf den Weg begäbe, um mich vor den bösen
Teufeln des Horrorstreifens zu erretten? Ich vermute, dass hätte genau zu
seinen Plänen mich zu sich zu holen gepasst. Die Endgültigkeit einer solchen
Entscheidung wäre dann für mich unüberschaubar gewesen.
Zu guter letzt, dachte ich daran, Jason oder Paul zu mir zu
rufen. Ich hätte vorgeben können von einem Geräusch geweckt worden zu sein,
welches ich mir nicht zu erklären vermochte. Es wäre schließlich nicht das
erste Mal gewesen, dass Anschläge auf das Zentrum verübt worden sind.
Letztendlich „hielt ich die Stellung“ ohne jedwede Hilfe
und blieb bis zu diesem Zeitpunkt allein.
Hätte ich nur gewusst, dass Gunnar am Morgen, oder ganz und
gar erst am Mittag zurückkehren wird, wäre ich selbstredend bei Troels
geblieben.
Verflucht!!