In meinem Magen tummelt sich ein merkwürdiges Gefühl, und
ich bin erstaunt über mich selbst, dass ich nicht trotzig jammernd das Weite
suche. Davon laufe, wie ich es bisher stets zu tun pflegte, in dergleichen
Situationen.
Ich nehme es verhältnismäßig gelassen.
Stelle ich mich, gemeinsam MIT Gunnar, dieser Situation
tatsächlich?
Vertraue ich ihm in der Tat so weit, dass ich „diesen
Versuch“, mit einer zweiten Frau zu
leben vermag?
Jedoch WIE gehe ich nun mit der DRITTEN“ um?
Zumindest ist SIE mir vertraut.
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Nein. Es ist gewiss nicht Alicia, die sich zum Lunch auf
Gunnars Bitten hin, wo ich ohnehin bereits mit Kate konfrontiert war und mit
ihr gemeinsam an einem Tisch speisen musste, zu uns an den Tisch setzte und
sagte, dass sie bis zum Wochenende ihre Aufnahmen abgeschlossen hätte.
Es war Marie.
Sie war am frühen Nachmittag mit Inula Castanea und Óðinn Aron im Zentrum
angekommen.
Offensichtlich schien „der Zauber“ nicht mehr zu „wirken“, unter welchem sie bisher stand.
Denn sie besteht nun ebenso darauf
Gunnars Frau zu sein. Schließlich wäre sie die Mutter seiner Kinder und hätte
daher das größte Anrecht darauf (auf ihn).
Um nicht vollends die Beherrschung zu verlieren oder in mir
zusammen zu berechen, vermochte ich nur noch allen Trotz, alle Eifersucht und
allen Widerstand fallen lassen, und aller derzeitigen Ereignisse Stirn bietend
herzlich zu lachen. Denn würde ich mich so vollends konservativ und strikt an
gesellschaftliche Regeln hatten, oder ernsthaft über das derzeitige Geschehen
nachdenken, würde ich entweder weglaufen, durchdrehen oder mich im See ertränken.
So fiel ich nicht des Wahnsinns anheim und sehe die
Situation doch einigermaßen gelassen.
Wie merkwürdig das Schicksal doch spielt. Nun hat sich in
der Tat „das Blatt gewendet“. Wo ICH zuvor den Versuch mit drei Männern zu
leben wagte, finde ich mich nun in der entgegen gesetzten Konstellation wieder.
Gunnar und seine drei Frauen. Rea, Marie und Kate.
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- Kevin lachte aus voller Kehle, als ich ihm davon erzählte.
„Was nun? Kommst du jetzt vielleicht doch zu mir? Oder ich zu dir?! Das
Letztere wäre doch sicher eine Überlegung wert. Meinst du nicht?“
- Mit Wanja sprach ich nicht darüber.
- Troels deutete ich an, was geschehen war und versprach
ihm alsbald zu ihm zu kommen. Ich vermute, er wird mir vorschlagen mich
scheiden zu lassen und in seine Wohung zu ziehen. (Was ich trotz alldem nicht in
betracht ziehen werde.)
- Mit Norman hatte ich ein kurzes Gespräch über seinen
zukünftigen Job hier im Zentrum. „Sie scheinen auch eine Menge Probleme zu
haben.“, sagte er lächelnd.
„Ja. Wir sind gerade dabei sie zu lösen.“, antwortete ich
mit einem wagen Lächeln und verzog dabei den Mund. „Aber es sieht in
der Tat nicht wirklich gut für mich aus. Gleichwohl ich die „Hauptfrau“, was
meiner Meinung nach ein total beschissenes Wort ist, sein mag und trotz alldem
die augenblickliche Situation verhältnismäßig unerfreulich, paradox und
skandalöse ist, sehe ich es erstaunlicher Weise gelassen.“
- Ich war bei Emilia Stephansdottir, um ihr Kate wärmstens
zu empfehlen. Damit DIESE (schnellstens) lernt, eine „freie Frau“ zu sein und
vor allem danach zu leben.
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Gunnar hatte ohnehin geplant, das wir uns am Abend
zusammensetzen, um mit Kate über die Variablen unseres neuen, gemeinsamen
Lebens zu diskutieren und gegebenenfalls einige Regeln festzulegen.
Vorher jedoch führte er noch ein langes Gespräch mit Adam.
So kam zu unserer kleinen Runde Marie mit den Zwillingen
hinzu.
Marie war anfangs ebenso wenig von Kate begeistert als ich.
Nur musste sie nun in gleichem Maße zügig begreifen, dass sie die Situation,
wie sie sich ihr im Augenblick bot, zu nehmen hatte wie sie nun einmal war.
Marie ist wieder Marie. Nur, dass es ihr nach Gunnar
verlangt.
Ich fand das alles so derart absurd. Ja, fast gespenstisch,
sodass ich alldem entwaffned nichts mehr entgegen zu setzen hatte/habe. Das
Geschehen verselbstständigt sich und läuft mir davon. Nimmt ungeahnte Formen
an, die ich niemals vermutet hätte. Was bleibt mir, als meinen Platz in diesem
Theater einzunehmen und meine Rolle zu spielen.
Eine völlig fremde Frau wie Kate drängte sich in mein
Leben. In meine Welt mit Gunnar, meinen Ehemann. Und nun auch noch Marie und
die Kinder.
Gunnar fühlt sich selbstverständlich geschmeichelt. Er
scheint sogar erwartungsvoll ob dieses „Experiments“.
Während der Gespräche enthielt ich mich meist der Stimme.
Beobachtete und lauschte.
„Hast du jetzt überhaupt noch Zeit, dich um mich zu
kümmern?“, fragte ich Gunnar schließlich.
„An unser beider Leben wird sich nicht viel ändern. Ich
liebe dich. Das weißt du Rea. Und wir werden immer zusammen sein. Du warst,
bist und wirst meine Seelenpartnerin in Ewigkeit bleiben. Mit Marie habe ich
gleichzeitig die Gelegenheit, mich um meine Kinder zu kümmern. Und Katie wird
mit uns gemeinsam lernen, wie freies Leben, außerhalb einer Sekte geht.“
„Was ist eigentlich mit Adam.“
„Adam weiß Bescheid. Es war vorauszusehen, dass es so
kommen würde. Er ist im Augenblick damit einverstanden, dass Marie hier bei uns
bleibt.“
Kate ist von den „magischen Zwillingen“ fasziniert. Sie
schien sich überaus hingebungsvoll mit den Kindern beschäftigen zu können. Was
Marie ein wenig Raum für sich selbst geben könnte. Darüber hinaus verpflichtete
ich ohnehin erneut eine Kinderschwester.
Beide, Marie und Kate trinken freudig mit Gunnar ein
Bierchen. Mögen das Feiern und das Tanzen. Wie passend!
ICH bleibe in allen Dingen außen vor.
Es ging mir nicht gut am gestrigen Abend. Ich war
geschwächt durch die mir im Hospital verabreichten Medikamente. Mir war übel. Ich fieberte und fröstelte zugleich. Zu meinem großen Erstaunen kümmerte sich Marie um mich. Sie schien
verändert zu sein. Trotz alledem der Zauber nun offenkundig nicht mehr wirksam
ist, und sie auf Gunnar besteht, mutet sie nicht mehr wie das Männer
verschlingende Monster an, dass sie für kurze Zeit gewesen war. Ist sie nun
doch wieder die „alte Freundin“, wie ich sie aus früheren Zeiten kannte?
Zumindest verhält sie sich so. Sie fügt sich ohne zu klagen in den „Reigen“ von
Gunnars Frauen ein und scheint damit zufrieden zu sein. Zumindest im
Augenblick.
Selbst Kate besitzt offensichtlich den Funken des
Mitgefühls. Denn sie erbot sich mir einen Tee zu kochen. Und dies ohne eine
einzige Lektion von Emilia Stephansdottir.
Steckt uns Frauen die „Fürsorge“ für andere oder
füreinander etwa in den Genen?
Gunnar jedenfalls beobachtete schmunzelnd das Geschehen.
Es liegt offenkundig, sicht- und fühlbar im Bereich des
Möglichen, dass sich unser aller „Zusammenleben“ schlicht und einfach von ganz
allein, ohne großartige Diskussionen und ohne übermäßige Wort regelt. Beinahe
zwanglos und unbefangen. (Amazing!)
Wir sind alle nett zueinander. Wie amüsant, angenehm und
doch überaus ungewöhnlich unter den
gegebenen Umständen.
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Gunnar hat sich jedoch mir gegenüber in der Tat NICHT
verändert. Und ich hoffe, er wird es gleichwohl nicht tun. Er ist nach wie vor
überaus zärtlich und liebevoll im Umgang mit mir. Schwört mir seine
hingebungsvolle und überdimensionale Liebe. Gibt mir nach wie vor das Empfinden
beschützt zu werden und umsorgt zu sein. Das sichere Gefühl der Geborgenheit.
Trotz der anderen beiden Frauen.
Er betont immerfort, dass sich zwischen uns beiden nichts
ändert. Seine Liebe beständig sei und er so oft wie nur möglich bei mir wäre.
Also, was habe ich dann zu befürchten?
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Ich vermutete, dass Gunnar heute Nacht bei Kate gewesen
ist, nachdem wir beide gemeinsam zu Bett gegangen und ich in seinen Armen eingeschlafen
war. Denn als ich heute Morgen, so gegen fünf erwachte, roch Gunnar, als wäre
er soeben aus der Dusche gekommen.
Als ich ihn später danach fragte, nickte er verlegen. „Ich
war einfach neugierig auf sie.“, sagte er, nahm mich in seine Arme und küsste
mich auf die Stirn. „Sei nicht böse.“
„Wie könnte ich.“, antwortete ich doch eher sarkastisch.
„Es wird nun zukünftig des Öfteren so sein, dass du mit Kate oder Marie
zusammen bist.“ Am liebsten hätte ich mich flätiger ausgedrückt. Jedoch wozu
die Stimmung erhitzen. Es würde nichts ändern. Außer, dass ich mir selbst damit
schade.
Gunnar kam jedoch nicht wirklich viel zum Schlafen.
Christine rief uns an. Thomas wäre auf der morgendlichen Fahrt nach Stockholm
verunfallt. Ihm selbst sei zum Glück nichts weiter geschehen. Außer einigen leichten Pläsuren. Aber der Wagen wäre Schrott.
Manchmal frage ich mich, wie viel man aushalten kann, ohne
zusammen zu brechen oder den Verstand zu verlieren.