Mittwoch, 20. November 2013

Die „dritte“ Frau



In meinem Magen tummelt sich ein merkwürdiges Gefühl, und ich bin erstaunt über mich selbst, dass ich nicht trotzig jammernd das Weite suche. Davon laufe, wie ich es bisher stets zu tun pflegte, in dergleichen Situationen.
Ich nehme es verhältnismäßig gelassen.
Stelle ich mich, gemeinsam MIT Gunnar, dieser Situation tatsächlich?
Vertraue ich ihm in der Tat so weit, dass ich „diesen Versuch“, mit einer zweiten Frau  zu leben vermag?
Jedoch WIE gehe ich nun mit der DRITTEN“ um?
Zumindest ist SIE mir vertraut.

-------

Nein. Es ist gewiss nicht Alicia, die sich zum Lunch auf Gunnars Bitten hin, wo ich ohnehin bereits mit Kate konfrontiert war und mit ihr gemeinsam an einem Tisch speisen musste, zu uns an den Tisch setzte und sagte, dass sie bis zum Wochenende ihre Aufnahmen abgeschlossen hätte.
Es war Marie.

Sie war am frühen Nachmittag mit Inula Castanea und Óðinn Aron im Zentrum angekommen.
Offensichtlich schien „der Zauber“ nicht mehr zu „wirken“, unter welchem sie bisher stand. Denn sie besteht nun ebenso darauf Gunnars Frau zu sein. Schließlich wäre sie die Mutter seiner Kinder und hätte daher das größte Anrecht darauf (auf ihn).
Um nicht vollends die Beherrschung zu verlieren oder in mir zusammen zu berechen, vermochte ich nur noch allen Trotz, alle Eifersucht und allen Widerstand fallen lassen, und aller derzeitigen Ereignisse Stirn bietend herzlich zu lachen. Denn würde ich mich so vollends konservativ und strikt an gesellschaftliche Regeln hatten, oder ernsthaft über das derzeitige Geschehen nachdenken, würde ich entweder weglaufen, durchdrehen oder mich im See ertränken. 
So fiel ich nicht des Wahnsinns anheim und sehe die Situation doch einigermaßen gelassen.
Wie merkwürdig das Schicksal doch spielt. Nun hat sich in der Tat „das Blatt gewendet“. Wo ICH zuvor den Versuch mit drei Männern zu leben wagte, finde ich mich nun in der entgegen gesetzten Konstellation wieder. Gunnar und seine drei Frauen. Rea, Marie und Kate.

-------

- Kevin lachte aus voller Kehle, als ich ihm davon erzählte. „Was nun? Kommst du jetzt vielleicht doch zu mir? Oder ich zu dir?! Das Letztere wäre doch sicher eine Überlegung wert. Meinst du nicht?“
- Mit Wanja sprach ich nicht darüber.
- Troels deutete ich an, was geschehen war und versprach ihm alsbald zu ihm zu kommen. Ich vermute, er wird mir vorschlagen mich scheiden zu lassen und in seine Wohung zu ziehen. (Was ich trotz alldem nicht in betracht ziehen werde.)
- Mit Norman hatte ich ein kurzes Gespräch über seinen zukünftigen Job hier im Zentrum. „Sie scheinen auch eine Menge Probleme zu haben.“, sagte er lächelnd.
„Ja. Wir sind gerade dabei sie zu lösen.“, antwortete ich mit einem wagen Lächeln und verzog dabei den Mund. „Aber es sieht in der Tat nicht wirklich gut für mich aus. Gleichwohl ich die „Hauptfrau“, was meiner Meinung nach ein total beschissenes Wort ist, sein mag und trotz alldem die augenblickliche Situation verhältnismäßig unerfreulich, paradox und skandalöse ist, sehe ich es erstaunlicher Weise gelassen.“
- Ich war bei Emilia Stephansdottir, um ihr Kate wärmstens zu empfehlen. Damit DIESE (schnellstens) lernt, eine „freie Frau“ zu sein und vor allem danach zu leben.

-------

Gunnar hatte ohnehin geplant, das wir uns am Abend zusammensetzen, um mit Kate über die Variablen unseres neuen, gemeinsamen Lebens zu diskutieren und gegebenenfalls einige Regeln festzulegen.
Vorher jedoch führte er noch ein langes Gespräch mit Adam.
So kam zu unserer kleinen Runde Marie mit den Zwillingen hinzu.
Marie war anfangs ebenso wenig von Kate begeistert als ich. Nur musste sie nun in gleichem Maße zügig begreifen, dass sie die Situation, wie sie sich ihr im Augenblick bot, zu nehmen hatte wie sie nun einmal war.
Marie ist wieder Marie. Nur, dass es ihr nach Gunnar verlangt.

Ich fand das alles so derart absurd. Ja, fast gespenstisch, sodass ich alldem entwaffned nichts mehr entgegen zu setzen hatte/habe. Das Geschehen verselbstständigt sich und läuft mir davon. Nimmt ungeahnte Formen an, die ich niemals vermutet hätte. Was bleibt mir, als meinen Platz in diesem Theater einzunehmen und meine Rolle zu spielen.
Eine völlig fremde Frau wie Kate drängte sich in mein Leben. In meine Welt mit Gunnar, meinen Ehemann. Und nun auch noch Marie und die Kinder.
Gunnar fühlt sich selbstverständlich geschmeichelt. Er scheint sogar erwartungsvoll ob dieses „Experiments“.
Während der Gespräche enthielt ich mich meist der Stimme. Beobachtete und lauschte.
„Hast du jetzt überhaupt noch Zeit, dich um mich zu kümmern?“, fragte ich Gunnar schließlich.
„An unser beider Leben wird sich nicht viel ändern. Ich liebe dich. Das weißt du Rea. Und wir werden immer zusammen sein. Du warst, bist und wirst meine Seelenpartnerin in Ewigkeit bleiben. Mit Marie habe ich gleichzeitig die Gelegenheit, mich um meine Kinder zu kümmern. Und Katie wird mit uns gemeinsam lernen, wie freies Leben, außerhalb einer Sekte geht.“
„Was ist eigentlich mit Adam.“
„Adam weiß Bescheid. Es war vorauszusehen, dass es so kommen würde. Er ist im Augenblick damit einverstanden, dass Marie hier bei uns bleibt.“

Kate ist von den „magischen Zwillingen“ fasziniert. Sie schien sich überaus hingebungsvoll mit den Kindern beschäftigen zu können. Was Marie ein wenig Raum für sich selbst geben könnte. Darüber hinaus verpflichtete ich ohnehin erneut eine Kinderschwester.
Beide, Marie und Kate trinken freudig mit Gunnar ein Bierchen. Mögen das Feiern und das Tanzen. Wie passend!
ICH bleibe in allen Dingen außen vor.

Es ging mir nicht gut am gestrigen Abend. Ich war geschwächt durch die mir im Hospital verabreichten Medikamente. Mir war übel. Ich fieberte und fröstelte zugleich. Zu meinem großen Erstaunen kümmerte sich Marie um mich. Sie schien verändert zu sein. Trotz alledem der Zauber nun offenkundig nicht mehr wirksam ist, und sie auf Gunnar besteht, mutet sie nicht mehr wie das Männer verschlingende Monster an, dass sie für kurze Zeit gewesen war. Ist sie nun doch wieder die „alte Freundin“, wie ich sie aus früheren Zeiten kannte? Zumindest verhält sie sich so. Sie fügt sich ohne zu klagen in den „Reigen“ von Gunnars Frauen ein und scheint damit zufrieden zu sein. Zumindest im Augenblick.
Selbst Kate besitzt offensichtlich den Funken des Mitgefühls. Denn sie erbot sich mir einen Tee zu kochen. Und dies ohne eine einzige Lektion von Emilia Stephansdottir.
Steckt uns Frauen die „Fürsorge“ für andere oder füreinander etwa in den Genen?
Gunnar jedenfalls beobachtete schmunzelnd das Geschehen.
Es liegt offenkundig, sicht- und fühlbar im Bereich des Möglichen, dass sich unser aller „Zusammenleben“ schlicht und einfach von ganz allein, ohne großartige Diskussionen und ohne übermäßige Wort regelt. Beinahe zwanglos und unbefangen. (Amazing!)
Wir sind alle nett zueinander. Wie amüsant, angenehm und doch überaus  ungewöhnlich unter den gegebenen Umständen.

-------

Gunnar hat sich jedoch mir gegenüber in der Tat NICHT verändert. Und ich hoffe, er wird es gleichwohl nicht tun. Er ist nach wie vor überaus zärtlich und liebevoll im Umgang mit mir. Schwört mir seine hingebungsvolle und überdimensionale Liebe. Gibt mir nach wie vor das Empfinden beschützt zu werden und umsorgt zu sein. Das sichere Gefühl der Geborgenheit. Trotz der anderen beiden Frauen.
Er betont immerfort, dass sich zwischen uns beiden nichts ändert. Seine Liebe beständig sei und er so oft wie nur möglich bei mir wäre.
Also, was habe ich dann zu befürchten?

-------

Ich vermutete, dass Gunnar heute Nacht bei Kate gewesen ist, nachdem wir beide gemeinsam zu Bett gegangen und ich in seinen Armen eingeschlafen war. Denn als ich heute Morgen, so gegen fünf erwachte, roch Gunnar, als wäre er soeben aus der Dusche gekommen.
Als ich ihn später danach fragte, nickte er verlegen. „Ich war einfach neugierig auf sie.“, sagte er, nahm mich in seine Arme und küsste mich auf die Stirn. „Sei nicht böse.“
„Wie könnte ich.“, antwortete ich doch eher sarkastisch. „Es wird nun zukünftig des Öfteren so sein, dass du mit Kate oder Marie zusammen bist.“ Am liebsten hätte ich mich flätiger ausgedrückt. Jedoch wozu die Stimmung erhitzen. Es würde nichts ändern. Außer, dass ich mir selbst damit schade.

Gunnar kam jedoch nicht wirklich viel zum Schlafen. Christine rief uns an. Thomas wäre auf der morgendlichen Fahrt nach Stockholm verunfallt. Ihm selbst sei zum Glück nichts weiter geschehen. Außer einigen leichten Pläsuren. Aber der Wagen wäre Schrott.

Manchmal frage ich mich, wie viel man aushalten kann, ohne zusammen zu brechen oder den Verstand zu verlieren.