Freitag, 29. November 2013

Gedanken an die Liebe



Wir saßen gerade am Tisch und speisten, als Wanja mir seine Hand entgegen streckte, welche ich bereitwillig nahm. Er legte sie mir an die Wange und ich ließ meinen Kopf auf seiner Handfläche ruhen. Da kamen mir plötzlich die Tränen.
„Jetzt nicht.“, sagte er leise. „Nicht hier und nicht während des Essens. Später.“ Er nickte mir verständig lächelnd zu. „Ich habe schon längst darauf gewartet. Es war nur eine frage der Zeit, dass alles aus dir heraus bricht.“
Am Abend, vor dem zu Bett gehen, versuchten wir es noch einmal. Jedoch der „Moment“ war vorüber. Zumindest für den Augenblick.
Wanja war es vermutlich peinlich oder er meinte es womöglich nur, aufgrund meines nervösen Magens, über welchen ich erst kurz zuvor beklagte, gut mit mir.

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Empfindungsbarometer:
Trotz aller, oder vor allem gerade wegen der guten Speisen, ist erneut mein Magen nicht gut auf mich zu sprechen.
Vielleicht zu viel ”Süßes”?
Womöglich zu viel Sorgen?
Natürlich moniert auch Wanja meine zuweilen unsteten Wege mit dem Speisen umzugehen. Besonders, wenn ich Stunde um Stunde im Internet surfe.

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Veränderte Liebe? Oder noch immer die Gleiche?
In wie weit vermag sich Liebe überhaupt zu ändern?
Sicherlich viele Male und ebenso gibt es mannigfaltige Arten der Liebe.
(Zumindest hat mir Gunnar das so beigebracht.)

Ich weiß nicht genau WAS anders ist. Aber irgendetwas IST anders als früher mit Wanja. Ich vermag es nur noch nicht zu benennen.
Wir sind im Grunde noch immer die Selben. Veränderten uns aber offensichtlich doch in den vergangenen Jahren. Möglicherweise ist er reifer geworden. Umsichtiger. Abgeklärter. Erfahrener. Seine Augen verraten jedoch noch immer den „weichen Kern“. Den liebenswerten, netten, sanftmütigen Wanja. Der trotz seiner Größe und seiner Kraft keiner Fliege etwas zu leide zu tun vermag, und irgendwie, im Grunde, viel zu weichherzig, und gutmütig für diese Welt ist. Infolgedessen gleichwohl sein „großer Bruder“ besser die wesentlichen geschäftlichen Entscheidungen trifft.
Meine Liebe zu ihm scheint ebenso eine Veränderung erfahren zu haben. Ist andererseits aber noch immer gegenwärtig und stärker denn je, wie es scheint.
Oder prüfe, werte und schätze ich die Variablen nur von einem anderen Standpunkt aus ab als früher?
Überdies sind meine Vermutungen hinsichtlich Wanjas eventueller gleichgeschlechtlicher sexueller Ausrichtung, oder Bisexualität vermutlich gegenstandslos. (Was dachte ich mir nur dabei, dergleichen zu vermuten?) Er ist eben nur schüchtern, zurückhaltend, vielleicht zu anständig. Womöglich ein wenig, oder zunehmend reserviert. Sehr überlegt und überaus diszipliniert. So gänzlich anders als ich.

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Ich bin unerwarteter Weise im Augenblick viel unterwegs. Er begleitet mich zur Physiotherapie und zum shoppen. Zeigt mir Dies und Das und erzählt mir Geschichten von seiner Heimatstadt. Selbst zu seinen geschäftlichen Terminen, würde er mich am liebsten mit sich nehmen. Wanja scheint ohne mich nicht mehr sein zu können. Womöglich beschleicht ihn jedoch auch eine gewisse Furcht davor, dass ich erneut meine Entscheidung bei ihm zu bleiben revidiere und mich zu rasch von ihm verabschieden könnte.
Diese stete Bewegung ist jedoch zu anstrengend für mich. Ich bin schnell erschöpft. Schließlich liegt mein letzter Aufenthalt im Hospital erst drei Wochen zurück.