Alexej, Wanjas Bruder kam am Abend zur Tür herein. „Du bist
noch hier?“, fragte er in sarkastischem Ton.
„Dieses Mal bleibt sie auch.“, antwortete Wanja an meiner statt.
„Komm Brüderchen, Lass uns eine Runde Schach spielen. Ich
will sehen, wie du verlierst.“ Er legte seinen Arm um Wanjas Schulter und
lachte. Beide gingen zu dem großen Zimmer, welches genau genommen die
Bibliothek ist. Aber auch als Arbeitszimmer bezeichnet werden kann.
Alexejs Frau Natascha kam gleich nach ihm zur Tür herein
und ihr Gesicht nahm kurz einen erstaunten Ausdruck an. Dann nickte sie mir
lächelnd zu. „Und? Was tun wir in der Zwischenzeit?“
Da ich Interesse an der Divination bekundete, hatte Wanja
ein neues Kartendeck für mich erworben, als wir in Kiew shoppen waren. (Wer
hätte gedacht, dass es dergleichen hier überhaupt gibt?)
„Warum spielt ihr nicht eine Runde Karten. Dann kannst du
die Neuen gleich ausprobieren.“, rief uns Wanja im Hineingehen zu.
Ich schüttelte mit dem Kopf und stöhnte. „Mit diesen
Karrten spielt man nicht.“
Er blieb stehen und wandte sich zu mir um. „Was tust du sonst
damit?“ Wanja zwinkerte mir zu. Ich wusste, dass er nur den Unwissenden mimte.
Der „Hinweis“ galt offensichtlich mehr seiner Schwägerin, um zu erforschen, was
sie davon hielt.
„Sie legen.“, antwortete ich und beide sahen wir Natascha
an. Die grinste. „Okay. Dann lass die Männer spielen, und wir wenden uns den
wichtigeren Dingen zu.“
Mit meiner Versiertheit im Kartenlegen steht es noch nicht
wirklich zum Besten. Daher begann ich ein wenig zögerlich und langsam. Die
anfängliche Befangenheit legte sich jedoch schnell und wir bemerkten nicht
mehr, wie die Zeit verflog.
Natürlich betraf meine Frage an die Karten, wie denn nun
meine Zukunft aussehen würde. Das Ergebnis der Legung, was sich mir bot und wie
ich es interpretierte, war ungewöhnlich und überaus erstaunlich.
Zwei Männer. Zwei
Waffen. Sie treten gegeneinander an.
Die Welt des einen
droht in Scherben zu fallen. Stürzt ein. Verwandelt sich.
Der Reiche gewinnt
und sitzt mit der Königin in Liebe vereint auf dem Thron.
Der Besiegte räumt
die Scherben weg und erholt sich rasch von seiner Niederlage.
Er besinnt sich schnell
und greift zu einer List, die er als gerecht erachtet.
Eine Illusion von
einer „falschen Liebe“ wird gestreut/initiiert.
Ein Kampf beginnt,
den keiner sieht/wahr nimmt.
Er tritt über eine
Schwelle und ist doch eher geübt in einem Kampf, der für ihn pragmatisch
scheint.
Die List besteht darin,
dass er nicht den Mann als Gegner angreift. Sondern sie. Die Frau.
Die Frau durchschaut
das Spiel und besinnt sich rasch ihrer natürlichen, innewohnenden Macht und
wehrt den Angriff ab. Lässt sich nicht besiegen. Verbündet sich mit den Kräften
der Erde und geht als Siegerin/Königin der Gefühle unbeschadet hervor.
Als strahlende Sonne
steuert sie den Wagen in die Zukunft.
Der Angreifer ist
besiegt.
Sie, die Königin der
Herzen, Gedanken und des Geistes, regiert nun in ihrem eigenen Reich.
Wenn ich die von mir interpretierte Aussage auf meine
derzeitige Situation und die damit verbundenen Menschen beziehe, sehe ich die
Sache wie folgt:
Gunnar und Wanja werden natürlich auf irgendeine Art
gegeneinander antreten. Wie es scheint, wird es sich schnell entscheiden, weil
ich den „Reichen“, also Wanja wähle. Zumindest fühlt es sich im Augenblick für
mich so an.
Gunnar wird augenscheinlich der Besiegte sein. Jedoch nicht
aufgeben und zu einer List greifen, die darin besteht, mich anzugreifen. Und
ich denke, es wird auf „magische Art“ geschehen. So wie er und sein Onkel Erik
es bereit des Öfteren mit anderen tat. Nur, werde ich es bemerken und mich
meiner eigenen magischen Fähigkeiten besinnen. Sie einsetzten und gegen Gunnar,
was mir beinahe unwahrscheinlich scheint, gewinnen. Jedoch könnte es durchaus möglich
sein, alldieweil Gunnar mit Nichten damit rechnet, dass ich mich meiner Kräfte
besinne oder ganz und gar noch gegen ihn gewinne.
Am Ende bin ICH die strahlende Siegerin, welche in ihrem
eigenen Reich, womit sicherlich ebenso das „innere Reich“ gemeint sein wird,
regiert und mit sicherer Hand den Wagen in ihre Zukunft lenkt.
Da ich nun weiß, was geschehen wird, wäre es besser in
Gunnaars Gegenwart genau daran NICHT zu denken. ER muss nicht wissen, was ich
weiß. Es wäre schließlich widersinnig meinen vermeintlichen Vorteil aufzugeben.
Oder unvorsichtiger Weise herzuschenken.
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So allmählich zweifle ich an der „Seelen-Partner“ Theorie.
Mag sein, dass sie wahr ist. Gunnar sagte, dass wir auf „irgendeine Weise“
immer zusammen leben/sein würden. Es muss nun nicht als Ehepartners sein.
Andererseits wäre es möglich, selbst WENN ich mich JETZT
von ihm trenne, das wir später wieder zueinander finden.
Nichts ist unmöglich!