Samstag, 23. November 2013

Eine womöglich folgenschwere Entscheidung – Auf dem Weg nach Kalifornien



Schon immer war ich ein Kind des Zögerns und der Unentschlossenheit. Wäge beständig ab, und denke über sämtliche Optionen, welche mir zur Verfügung stehen gründlich nach, wie es ursprünglich nur Wage - Geborene tun. Überdies bin ich noch zunehmend feige geworden.

Nun, Kate stellte tatsächlich fest, dass ich sie nicht mag. Woran mag DAS wohl liegen? Das sie mir offensichtlich den Ehemann zu stehlen gedenkt? Oder soll ich ihr, ob ihrer Lebensunwissenheit, in der Tat die (gespielte?) Naivität abkaufen? Für ihre „Augenaufschläge“ bin ich in jedem Fall NICHT empfänglich.

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Gunnar fuhr mit am gestrigen Abend mit Kate zu Hjalmar. (Nachdem er sich wie schon lange nicht herausgeputzt hatte.) Natürlich hatte er mich erneut gefragt, ob ich ihn begleiten wolle. Obwohl er doch mittlerweile wissen müsste, dass ich dergleichen Festivitäten nicht ausstehen kann.
Etwas später kam Marie zu mir. Sie hatte die Kinder zu Bett gebracht und die Nanny war bei ihnen geblieben.
„Lass uns zu Gunnar fahren.“
„Ich erwog gegebenenfalls Troels aufzusuchen. Jedoch wird in seinem Apartment der Geburtstag seines Bruders gefeiert.“
„Dann lass uns dorthin gehen.“
Ich pustete die Luft laut hörbar aus meinem Mund. „Verstehst du nicht. Es wäre mir am liebsten, hier bleiben und meine Ruhe haben zu können.“, antwortete ich ein wenig barsch und genervt ob Maries scheinbar Entschlossenheit Spaß haben zu wollen.
Obgleich ich zu bedenken gab, dass ich erschöpft und müde sei, gab sie nicht auf und wir diskutierten weiter. Bis ich mich schlussendlich überreden ließ, mit ihr zu Hjalmar zu fahren.
Als wir dort ankamen war nicht ein einziges Fenster erleuchtet. Ich stieg aus und klingelte. Keine Reaktion.
„Warum rufst du Gunnar nicht einfach an?“
„Nein.“
„Doch.“ Sie nahm das iPhone aus meiner Manteltasche und rief Gunnar an. Dann hielt sie es mir unter die Nase. „Er will mit dir reden.“
Ich wartete nicht, bis Gunnar etwas sagte. Sonder fragte: „Wo seid ihr?“
„Bei Carsten?“
„Sag mir seine Adresse.“

Es dauerte eine Weile, bis ich Carstens Wohnung fand. Jedoch das Szenario, welches ich dort vorfand, unterschied sich kaum von denen, die ich von Hjalmars Domizil  bereits kannte.
Man öffnete uns die Tür und Gunnar kam mir sogleich entgegen. Ich roch bereits von weitem aus seinem Atem den reichlich genossenen Alkohol. Zudem stank es nach Zigarettenqualm.
„Kommt doch herein.“ Er umarmte und küsste mich. Tat das Gleiche mit Marie. Nahm mich bei der Hand und führte mich zu einer mitten im Raum stehenden Couch, auf der Kate gerade Platz nahm. „Setzt euch doch zu uns. Oder willst du tanzen?“
Ich sah ihn mit nach oben gezogenen Brauen zweifelnd an und ließ mich neben Kate nieder.
„Sei nicht so steif.“ Gunnar setzte sich zwischen uns und Marie hatte rechts neben mir Platz genommen. Hjalmar kam bereits mit zwei Drinks auf uns zu. Marie nahm ihren dankend entgegen. Ich verneinte.
„Willst du nicht tanzen?“, fragte mich nun auch Kate. Ich schüttelte mit dem Kopf. Sie sah Gunnar an, griff nach seiner Hand und zog ihn (zurück?) in die Mitte des Raumes, wo mehrere Leute tanzten. Da sah ich Siv. Sie kam auf mich zu und setzte sich auf den Platz, welchen Gunnar und Kate soeben verlassen hatten. „Das ist aber eine Überraschung.“ Sie grinste.
Was sollte ich darauf antworten? Ich sah sie nur ungerührt an und verzog keine Miene. Wendete mich dann von ihr ab und Marie, recht von mir zu. „Du kannst ein Taxi nehmen. Oder auch hier bleiben. Ich jedenfalls verschwinde.“
Unbemerkt und unauffällig verließ ich Carstens Wohnung und fuhr zu Troels.
Noch bevor ich den Schlüssel ins Schloss steckte, hörte ich dort ähnlichen Lärm. Nun, was hatte ich erwartet?
Es war bereits weit nach Mitternacht als ich dort ankam und die Party demzufolge weit fortgeschritten. Ich konnte Troels nicht sehen und ging zum Badezimmer. Als ich die Tür öffnete, verschlug es mir den Atem. Ich hatte Troels gefunden. Mit einer blonder Frau.
Als er mich sah ließ er sie los und folgte mir. „Warte. Bitte. Warte! Rea! Es ist nicht so wie du denkst!“, hörte ich ihn rufen, während ich eilends seine Wohnung verließ, in den Wagen stieg und zurück zu Carstens Wohnung fuhr.
Die Türen standen weit offen und ich ging hinein. Niemand hatte mich bemerkt, als ich zurückgekommen war. Ich sah Gunnar in der Mitte des Zimmers stehen. Sein angetrunkener Zustand war nicht mehr zu verkennen. Er stellte sich zur Schau. Poussierte und trug lauthals ein Lied. Schrill, frivol und gewöhnlich. Als er damit fertig war, zog er die neben sich stehende Kate grob und theatralisch an sich heran und küsste sie dramatisch und besitzanzeigend auf die Lippen. Die Masse lachte, klatschte und johlte.
Ja. In der Tat. Genau SO hatte ich mir diese Partys vorgestellt und es widerte mich an Gunnar SO zu sehen!
Ich erschrak, als mir jemand von hinten auf die Schulter tippte. Es war Marie. „Was machst du denn hier? Ich dachte....“
Ich ließ sie ihren Satz nicht beenden. Wendete. Tat eilig. Ging an ihr vorbei und sah sie nicht einmal an. „Ich hatte etwas vergessen.“, und schwups saß ich wieder in meinem Wagen und wusste nicht wohin.
Ich ließ den Kopf auf meine Hände sinken, die vor mir das Lenkrad umgriffen und wollte zu weinen beginne, als mir eine Idee kam, die ich augenblicklich umsetzte. Ich nahm mein Handy und mein iPhone und rief zur gleichen Zeit Wanja und Kevin an, und war fest entschlossen, zu dem ersten, welcher sich meldete noch an diesem Abend aufzubrechen.
Es meldete sich jedoch keiner.
Sollte ich nun doch wieder nach oben gehen?
Nein. Ich startete den Wagen und fuhr in Richtung des Zentrums los. Nach etwa zehn Minuten klingelte mein iPhone. Es war Wanja.
Вы меня звали? (Du hast mich angerufen)?“
Да.
Может быть, вы долго для меня? (Kann es sein, dass DU dich nach MIR sehnst?)“
Да.
Wanja lachte. „Что случилось? (Was ist passiert?)“
Где ты? (Wo bist du?)“, fragte ich.
Kurzes Räuspern. „Почему? (Warum?)“
Was sollte diese Fragerei. War er etwa nicht allein und ich störte ihn beim Ficken?
Ich war wütend. Er schien es zu bemerken und fragte: „Вы бы пришли ко мне? (Möchtest du zu mir kommen?)“
Genau DAS wollte ich. Würde ich mich jedoch in diesem Augenblick für ihn entscheiden, wäre es unumkehrbar. Wie käme ich so rasch aus Russland zurück?
„Wo bist du?“, fragte ich noch einmal.
„Im Grand Hôtel.“
„Wie? Was? Hier in Stockholm?“
Да.
Nun war ich in der Tat überrascht.
„Soll ich zu dir kommen?“, fragte er.
„Nein. Ich komme zu dir. Alldieweil ich ganz in deiner Nähe bin.“
„Großartig!“

Ich blieb bei Wanja und bin es noch immer. Dachte darüber nach, was ich tun soll. Denn Wanja suchte mich während unseres gemeinsamen Frühstücks zu überzeugen, mit ihm nach Kalifornien zu fliegen. Besonders dann, als ich ihm die Geschehnisse ausführlich berichtete.
Что удерживает вас все еще здесь? (Was hält dich dann noch hier?)“
Ich antwortete nicht. Sah ihn nur an und zuckte mit den Schultern.
„Gut. Ich formuliere es anders. Wovor fürchtest du dich, wenn du mit mir gehst?“
Ich räusperte mich und rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. „Das es so wird wie damals. Dass auch DU andere Frauen neben mir haben wirst. Denn es wäre sicherlich endgültig, so wie ich dich verstehe, wenn ich jetzt mit dir gehen würde.“
Wanja schnaufte. Lachte und schüttelte mit dem Kopf. „Komm mit mir, und dann sehen wir weiter.“
„Du läst mich nicht wieder gehen. Oder?“
„Bin ich ein Ungeheuer? Oder was?“
„Und was ist mit deiner PR-Freundin?“, wandt ich mich nach einer Verzögerung suchend.
„Ich sah sie nicht mehr, seitdem wir uns deinetwegen stritten und ich den Urlaub beendete.“
„Sie wird dort sein? Nicht wahr?“
„L.A. ist groß.“ Er zwinkerte mir zu. „Also was? Das Flugzeug steht bereit. Ein Wort von dir, und wir fliegen noch in der nächsten Stunde.“
„Mach Schluss mit ihr. Endgültig!“
Wanja sah mich zweifelnd an. „Dann kommst du mit?“
Да.