Dienstag, 19. November 2013

Ein „anderes“ Gleichgewicht – das „Blatt“ hat sich gewendet



Viel zu kurzfristig muss ich nun die Umverteilung der Rollen akzeptieren.
Dabei ist es erstaunlich, wie schnell meine Fähigkeit sich rasch einer Situation anzupassen die Oberhand gewinnt. Denn es gibt für mich im Augenblick offensichtlich keine Wahl.

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Genau genommen hätte ich der Dienstberatung beiwohnen müssen. Jedoch über einen Job für Norman konnte ich mit Dahl Lundqvist ebenso später reden.
Gunnar informierte mich zum Lunch über alle wichtigen Themen, welche diskutiert wurde. Ich hatte ihm gleichwohl von Kates überraschendem Benehmen am Morgen erzählt. Das ich die auf diese eigenartige Weise kennen gelernt hatte. Nun wurde heftig über die weitere Verfahrensweise, und erneut über eine andere Frau (eine von Gunnars Frauen) diskutieret. Er schlug vor, sie zu uns einzuladen, damit wir gemeinsam mit ihr reden konnten und so möglicherweise mehr über ihre Motive erfahren würden.
Davon war ICH nun in der Tat NICHT begeistert. Stimmte jedoch zu.
Die Einladung sprachen wir beide geschlossen aus. Denn ich gedachte Gunnar mit Sicherheit nicht allein zu ihr gehen zu lassen.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich im Schönheitssalon, und Gunnar im Office.

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Nur zu rasant nahte das Unvermeidliche. Die erneute Konfrontation mit einer Frau, welche womöglich Ansprüche auf Gunnar erheben konnte.
Wie mag sich Gunnar dabei fühlen, diese Kate so unerwartet und nach langer Zeit wieder zu sehen? Sinnierte ich bereits seit geraumer Zeit und fragte ihn kurz bevor sie kam.  
Gunnar schien verlegen und zu zögerte. Atmete einige Male tief und hörbar ein und aus. Fuhr sich nervös mit der Hand übers Kinn und durch das Haar, bis er schließlich antwortete: „Du magst tatsächlich die Wahrheit hören?“ Gunnar sah mich zweifelnd an und zog die linke Augenbraue nach oben.
Obgleich ich ahnte, dass mir womöglich nicht gefiel, was ich sogleich zu hören bekam, nickte ich leicht mit dem Kopf.
„Okay. Dann will ich ehrlich mit dir sein.“ Nun sah mir Gunnar noch einmal prüfend in die Augen, bevor er weiter sprach. „Es ist auf irgendeine Art und Weise amüsant. Ja, sogar erregend. Angesichts dessen, was wir früher miteinander erlebten. Es erinnert mich an eine Zeit in der Sekte, welche ich in vollen Zügen genoss.“
Ups. Ich hatte Ähnliches bereits vermutet und war daher nicht wirklich empört. Aber immerhin passierte dies in seiner Vergangenheit, in der mich Gunnar noch nicht einmal kannte. Welche ihn jedoch genau jetzt einzuholen schien.

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Kate hat beinahe ein stetiges Lächeln auf dem Gesicht und einen eher verklärten, melancholischen Blick, der Männer an ihre Beschützerrolle erinnert. Kein Wunder also, dass er ihr erlegen war, denn sie weiß jeden ihrer Vorzüge nur zu gut einzusetzen.
Gunnar (be-)fragte sie nach der Sekte und sie sprach davon, dass sie geschlossen nach Kalifornien übergesiedelt seien, nachdem der Chief in einer seiner Visionen etwas überaus Mächtiges auf sie zukommen sah. Die Abreise wäre überaus zügig von Statten gegangen. Man hätte „das Feld geräumt“. Wollte keine „Konfrontation“ mit etwas, was man nicht zu kontrollieren vermochte.
Auf die Frage hin, was es denn gewesen sei, wovor der Chief so übermäßige Angst verspärt hätte, zuckte sie nur gleichmütig mit den Schultern. Gerade so, als würde sie es nicht weiter interessieren.
Ihre Art zu sein, oder zumindest die Art, wie sie sich gab, war für mich schier unbegreiflich. Sie schien/scheint so arglos und naiv. Vertrauensselig, Hilfe suchend und abhängig von anderen, von Männern zu sein.
Sie verriet nicht wirklich viel über den Fortgang der Sekte. Oder wusste sie tatsächlich nicht mehr. Keine Hintergründe? Keine Motive? Fragte sie denn nie nach?

Als sich die Thematik zur Sekte beinahe erschöpft hatte, stellte ich ihr eine Frage, was ich besser hätte lassen sollen. „Da du nun tatsächlich (?) beabsichtigst dieser Sekte den Rücken zu kehren, wie stellst du dir deine Zukunft vor?“
Völlig unbekümmert und harmlos dreinschauend antwortete sie gerade heraus: „Ich dachte, wenn ich Gunnar finde, nimmt er mich zu seiner zweiten Frau. Daher ging ich augenscheinlich auf den Auftrag des Chiefs ein, dich zurückzuholen. Wie hätte ich dich sonst so ganz allein finden sollen? Das wäre unmöglich für mich gewesen. Ich kam hierher in der Hoffnung, dass du mich befreist. .“Bei diesen Worten strahlte sie Gunnar an.  „Denn nur du kannst verstehen, wie befreiend es sein muss, diese Seelenqualen endlich hinter sich lassen zu können und frei zu sein.“
„Was bedeutet denn genau genommen Freiheit für dich?“, fragte ich sie ohne auf ihre Andeutung der „zweiten Frau“ auch nur annähernd einzugehen oder so zu tun, als hätte ich die Bemerkung überhaupt wahrgenommen. Denn ich konnte nicht glauben, dass sie solcherlei tatsächlich ernst meinte.
Sie richtete einen verklärten Blick nach oben an die Decke mit einem reinen Lächeln auf ihrem Gesicht. „Es muss das aller Schönste sein, was man je fühlen kann in seinem Leben. Viel besser als alle bisherigen körperlichen Freuden. Orgasmen, Rauschzuständen oder Ähnlichem. Nur weiß ich nicht genau, wie ich dort hin gelange und dachte, Gunnar hilft mir dabei.“
Nun war ich sprachlos!
War diese Frau in der Tat SO Gehirn gewaschen, dass sie glaubte, was sie sagte? Oder war sie nur hörig und spielte eine Rolle?
So wie Gunnar sie fixierte und sich im Groben der Worte enthielt, schien er ebenso noch im Zweifel darüber zu sein, was er von ihren Aussagen zu halten hatte. Oder dachte er ganz und gar über diese EINE Äußerung von ihr nach, die ich so vehement überhörte?
„Wenn du mich als deine zweite Frau nimmst, wäre ich dir mehr als nur dankbar.“ Beinahe flehend sah sie Gunnar entgegen. Ihre Hände hielt sie wie zum Gebet erhoben ringend vor ihrem Körper.
Nun richtete Kate ihre Worte direkt an mich und schien beinahe erneut auf die Knie fallen zu wollen. „Ich würde alles für dich tun, wenn auch du mich in eure Mitte akzeptiertest. Ihre beide könntet mir helfen aus diesem düsteren Seelenloch empor zu steigen. Damit ich das Licht wieder sehen und in mein Herz lassen kann, um unendliche Freude zu empfinden.“
Wie theatralisch!
Aus dem Augenwinkel sah ich Gunnar schmunzeln. Spielte er jetzt in der Tat mit dem Gedanken auf ihre Bitte einzugehen?
Ich wusste nicht, wie ich auf dieses ganze Szenario reagieren sollte. Aufbrausend? Zornig? Oder überlegt und abwartend.
Was wäre, wenn sie nun tatsächlich die Wahrheit sagt? Müsse man ihr dann nicht wenigstens auf irgendeine Art und Weise helfen?
Zweifel und Eifersucht kämpften gegen Mitgefühl und die Bereitschaft Hilfe zu geben, wo sie offenkundig von Nöten war.
Gunnar hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht geäußert oder Stellung bezogen.
Ich sah Gunnars schmunzelnden Blick, wie er Kate fixierte und meine Eifersucht gewann die Oberhand. Ich begann unweigerlich mit dem Kopf zu schütteln. „Nein.“, entfuhr es unvermittelt meinen Lippen.
„Okay.“, sagte Gunnar ohne sie aus den Augen zu lassen und gerade so, als hätte er mein NEIN nicht gehört. „Warum es nicht versuchen.“
Traute ich jetzt gerade meinen Ohren nicht? Gedachte Gunnar tatsächlich auf ihren Vorschlag einzugehen?
„Aber ich werde noch einmal mit Rea ausgiebig und unter vier Augen darüber reden müssen.“
Wie bitte?! Das konnte er nicht wirklich SO meinen? Will er tatsächlich auf ihre Bitte eingehen? Nein!
„Ich denke, wie werden dir Morgen die Antwort mitteilen können.“
Mir blieb der Mund offen stehen.
Kati fiel nun doch noch „vor Dankbarkeit“ vor uns nieder. Hielt mit beiden Händen Gunnars Knie umschlungen und senkte ihren Kopf unterwürfig, bis er auf seinen Knien lag. „Du wirst es nicht bereuen.“ Sie hob den Kopf und sah ihm lächelnd in die Augen. Ein Wimpernaufschlag und Gunnar schmunzelte erneut. Er schien sich geschmeichelt zu fühlen. Was ging hier eigentlich vor?!
Nun robbte Kate auf ihren Knien zu mir herüber und vollführte das gleiche Szenario. Legte ihren Kopf auf meine Knie und bedankte sich.

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Als sie gegangen war, kochte ich vor Wut. Hätte Gunnar am liebten angeschrieen und eine Ohrfeige verpasst. Was dachte er sich eigentlich dabei?!
Grinsend kam er auf mich zu, nahm mich mit beiden Händen bei den Schultern und küsste meine Stirn. „Beruhige dich.“
Ich stieß ihn mit voller Wucht zurück. „Ich soll mich beruhigen, wenn DU in der Tat  darüber nachdenkst, SIE als deine zweite Frau zu nehmen. Was ist eigentlich in dich gefahren? Bist du verrückt geworden?!“, schrie ich ihm entgegen.
„Warst du vielleicht VERRÜCKT, als du mit drei Männern lebtest?“ Gunnars Stimme blieb ruhig. „Ich schlief sogar mit ihnen und dir zusammen in einem Bett.“
„Ah! Darauf läuft es hinaus.
„Nein!“
„Nein. Was?“
Aufgeregt lief Gunnar vor mir hin und her. „Lass es uns versuchen? Natürlich würde es nicht für immer sein. Das wäre ohnehin nicht möglich. Ebenso wenig wie der damalige Versuch mit drei Männern zu leben.“
Ich wendete mich zornig von ihm ab und schnaufte. ER hielt mich von hinten an den Schultern fest und drehte mich wieder zu sich herum. „Hör’ doch. Wenn wir zusammen halten, werden wir alsbald erfahren, ob Kate lügt, oder die Wahrheit über ihren Ausstieg sagt.“
„Wie stellst du dir das vor? Soll ich etwa mit ihr und dir gemeinsam in einem Bett schlafen?“
„Nein. Das musst du nicht. Aber ICH tat es damals. Kannst du dich erinnern?“
Ich fauchte. Blieb jedoch stumm.
„Wie kannst du mir verweigern, was du dir bereits heraus nahmst?“
Er hatte Recht mit dem, was er da sagte. Ich hatte zu jener Zeit die Gegenwart aller drei Männer genossen und liebte sie alle auf ihre eigene Art und Weise.
„Es wäre doch nur ein Versuch. Überdies ging es darum mehr über die Sekte zu erfahren und DAS, was sie aus deinem Haus in New Orleans vertrieb. Es ist überaus wichtig zu wissen, was dort geschah. Verstehst du nicht? Die Zusammenhänge sind weit größer wie deine kleinliche Eifersucht. Denke nur an den Tot von Sara Black Moonfeather und warum die Zwillinge geboren werden mussten.“ Gunnar sah mir beschwörend in die Augen. „Es wäre doch nur für eine kurze Zeit. Sie wird lernen zu leben und dann ihre eigenen Wege gehen, um die neu gewonnene Freiheit zu genießen. Warum sollte ich sie erneut einsperren und ihr diese großartige Zukunft vorenthalten?“
Sehr schnell musste ich begreifen, dass Gunnar Kats Angebot tatsächlich erwog.
„Ich mag nicht mehr darüber nachdenken. Lass uns schlafen gehen.“, sagte ich zu Gunnar.
Der Tag, seine Ereignisse und der Streit mit Gunnar hatten mich dermaßen erschöpft, dass ich am aller liebsten vergessend in den Schlaf gesunken wäre. Jedoch wälzte ich mich Stunden unstet hin und her. Schlief kurz ein und wachte wieder auf.
Gunnar schloss mich fest in seine Arme. Küsste und streichelte mich. „Es wird schon alles gut gehen. Vertraue mir.“

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Heute Morgen zum Frühstück eröffneten wir der erleichtert und dankbar drein schauenden Katie unsere (Gunnars!) Entscheidung.
Wie wir das Ganze jedoch nun angehen, vermag ich nicht zu sagen.
Und so ganz ins geheim, dachte ich bereits darüber nach, mich nach Russland zu Wanja abzusetzen oder zu Troels zu gehen.
Was Troels jedoch betrifft, bekäme ER nun seine Chance mit mir öfter zusammen zu sein. Denn wenn Gunnar tatsächlich mit Kate (fickt, was zu erwaten ist), schläft, dann kann er mir Troels, oder einen anderen Mann ebenso nicht wirklich verweigern.

Läuft hier nun alles aus dem Ruder?
Oder ist alles genau richtig, so, wie es ist? (...und bringt mir womöglich ebenso mehr Freiheit als geahnt, wenn,....ich es von einem anderen Standpunkt aus betrachte.)
Aber will ich diese Freiheit überhaupt?