Viel zu kurzfristig muss ich nun die Umverteilung der
Rollen akzeptieren.
Dabei ist es erstaunlich, wie schnell meine Fähigkeit sich
rasch einer Situation anzupassen die Oberhand gewinnt. Denn es gibt für mich im
Augenblick offensichtlich keine Wahl.
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Genau genommen hätte ich der Dienstberatung beiwohnen
müssen. Jedoch über einen Job für Norman konnte ich mit Dahl Lundqvist ebenso
später reden.
Gunnar informierte mich zum Lunch über alle wichtigen
Themen, welche diskutiert wurde. Ich hatte ihm gleichwohl von Kates
überraschendem Benehmen am Morgen erzählt. Das ich die auf diese eigenartige
Weise kennen gelernt hatte. Nun wurde heftig über die weitere Verfahrensweise,
und erneut über eine andere Frau (eine von Gunnars Frauen) diskutieret. Er
schlug vor, sie zu uns einzuladen, damit wir gemeinsam mit ihr reden konnten
und so möglicherweise mehr über ihre Motive erfahren würden.
Davon war ICH nun in der Tat NICHT begeistert. Stimmte
jedoch zu.
Die Einladung sprachen wir beide geschlossen aus. Denn ich
gedachte Gunnar mit Sicherheit nicht allein zu ihr gehen zu lassen.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich im Schönheitssalon,
und Gunnar im Office.
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Nur zu rasant nahte das Unvermeidliche. Die erneute
Konfrontation mit einer Frau, welche womöglich Ansprüche auf Gunnar erheben
konnte.
Wie mag sich Gunnar dabei fühlen, diese Kate so unerwartet
und nach langer Zeit wieder zu sehen? Sinnierte ich bereits seit geraumer Zeit
und fragte ihn kurz bevor sie kam.
Gunnar schien verlegen und zu zögerte. Atmete einige Male
tief und hörbar ein und aus. Fuhr sich nervös mit der Hand übers Kinn und durch
das Haar, bis er schließlich antwortete: „Du magst tatsächlich die Wahrheit
hören?“ Gunnar sah mich zweifelnd an und zog die linke Augenbraue nach oben.
Obgleich ich ahnte, dass mir womöglich nicht gefiel, was
ich sogleich zu hören bekam, nickte ich leicht mit dem Kopf.
„Okay. Dann will ich ehrlich mit dir sein.“ Nun sah mir
Gunnar noch einmal prüfend in die Augen, bevor er weiter sprach. „Es ist auf
irgendeine Art und Weise amüsant. Ja, sogar erregend. Angesichts dessen, was
wir früher miteinander erlebten. Es erinnert mich an eine Zeit in der Sekte,
welche ich in vollen Zügen genoss.“
Ups. Ich hatte Ähnliches bereits vermutet und war daher
nicht wirklich empört. Aber immerhin passierte dies in seiner Vergangenheit, in
der mich Gunnar noch nicht einmal kannte. Welche ihn jedoch genau jetzt
einzuholen schien.
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Kate hat beinahe ein stetiges Lächeln auf dem Gesicht und
einen eher verklärten, melancholischen Blick, der Männer an ihre
Beschützerrolle erinnert. Kein Wunder also, dass er ihr erlegen war, denn sie
weiß jeden ihrer Vorzüge nur zu gut einzusetzen.
Gunnar (be-)fragte sie nach der Sekte und sie sprach davon,
dass sie geschlossen nach Kalifornien übergesiedelt seien, nachdem der Chief in
einer seiner Visionen etwas überaus Mächtiges auf sie zukommen sah. Die Abreise
wäre überaus zügig von Statten gegangen. Man hätte „das Feld geräumt“. Wollte
keine „Konfrontation“ mit etwas, was man nicht zu kontrollieren vermochte.
Auf die Frage hin, was es denn gewesen sei, wovor der Chief
so übermäßige Angst verspärt hätte, zuckte sie nur gleichmütig mit den Schultern.
Gerade so, als würde sie es nicht weiter interessieren.
Ihre Art zu sein, oder zumindest die Art, wie sie sich gab,
war für mich schier unbegreiflich. Sie schien/scheint so arglos und naiv.
Vertrauensselig, Hilfe suchend und abhängig von anderen, von Männern zu sein.
Sie verriet nicht wirklich viel über den Fortgang der
Sekte. Oder wusste sie tatsächlich nicht mehr. Keine Hintergründe? Keine
Motive? Fragte sie denn nie nach?
Als sich die Thematik zur Sekte beinahe erschöpft hatte,
stellte ich ihr eine Frage, was ich besser hätte lassen sollen. „Da du nun
tatsächlich (?) beabsichtigst dieser Sekte den Rücken zu kehren, wie stellst du
dir deine Zukunft vor?“
Völlig unbekümmert und harmlos dreinschauend antwortete sie
gerade heraus: „Ich dachte, wenn ich Gunnar finde, nimmt er mich zu seiner
zweiten Frau. Daher ging ich augenscheinlich auf den Auftrag des Chiefs ein,
dich zurückzuholen. Wie hätte ich dich sonst so ganz allein finden sollen? Das
wäre unmöglich für mich gewesen. Ich kam hierher in der Hoffnung, dass du mich
befreist. .“Bei diesen Worten strahlte sie Gunnar an. „Denn nur du kannst verstehen, wie befreiend
es sein muss, diese Seelenqualen endlich hinter sich lassen zu können und frei
zu sein.“
„Was bedeutet denn genau genommen Freiheit für dich?“,
fragte ich sie ohne auf ihre Andeutung der „zweiten Frau“ auch nur annähernd einzugehen
oder so zu tun, als hätte ich die Bemerkung überhaupt wahrgenommen. Denn ich
konnte nicht glauben, dass sie solcherlei tatsächlich ernst meinte.
Sie richtete einen verklärten Blick nach oben an die Decke mit
einem reinen Lächeln auf ihrem Gesicht. „Es muss das aller Schönste sein, was
man je fühlen kann in seinem Leben. Viel besser als alle bisherigen
körperlichen Freuden. Orgasmen, Rauschzuständen oder Ähnlichem. Nur weiß ich
nicht genau, wie ich dort hin gelange und dachte, Gunnar hilft mir dabei.“
Nun war ich sprachlos!
War diese Frau in der Tat SO Gehirn gewaschen, dass sie
glaubte, was sie sagte? Oder war sie nur hörig und spielte eine Rolle?
So wie Gunnar sie fixierte und sich im Groben der Worte
enthielt, schien er ebenso noch im Zweifel darüber zu sein, was er von ihren
Aussagen zu halten hatte. Oder dachte er ganz und gar über diese EINE Äußerung
von ihr nach, die ich so vehement überhörte?
„Wenn du mich als deine zweite Frau nimmst, wäre ich dir
mehr als nur dankbar.“ Beinahe flehend sah sie Gunnar entgegen. Ihre Hände
hielt sie wie zum Gebet erhoben ringend vor ihrem Körper.
Nun richtete Kate ihre Worte direkt an mich und schien
beinahe erneut auf die Knie fallen zu wollen. „Ich würde alles für dich tun,
wenn auch du mich in eure Mitte akzeptiertest. Ihre beide könntet mir helfen
aus diesem düsteren Seelenloch empor zu steigen. Damit ich das Licht wieder
sehen und in mein Herz lassen kann, um unendliche Freude zu empfinden.“
Wie theatralisch!
Aus dem Augenwinkel sah ich Gunnar schmunzeln. Spielte er
jetzt in der Tat mit dem Gedanken auf ihre Bitte einzugehen?
Ich wusste nicht, wie ich auf dieses ganze Szenario
reagieren sollte. Aufbrausend? Zornig? Oder überlegt und abwartend.
Was wäre, wenn sie nun tatsächlich die Wahrheit sagt? Müsse
man ihr dann nicht wenigstens auf irgendeine Art und Weise helfen?
Zweifel und Eifersucht kämpften gegen Mitgefühl und die
Bereitschaft Hilfe zu geben, wo sie offenkundig von Nöten war.
Gunnar hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht
geäußert oder Stellung bezogen.
Ich sah Gunnars schmunzelnden Blick, wie er Kate fixierte
und meine Eifersucht gewann die Oberhand. Ich begann unweigerlich mit dem Kopf
zu schütteln. „Nein.“, entfuhr es unvermittelt meinen Lippen.
„Okay.“, sagte Gunnar ohne sie aus den Augen zu lassen und
gerade so, als hätte er mein NEIN nicht gehört. „Warum es nicht versuchen.“
Traute ich jetzt gerade meinen Ohren nicht? Gedachte Gunnar
tatsächlich auf ihren Vorschlag einzugehen?
„Aber ich werde noch einmal mit Rea ausgiebig und unter vier
Augen darüber reden müssen.“
Wie bitte?! Das konnte er nicht wirklich SO meinen? Will er
tatsächlich auf ihre Bitte eingehen? Nein!
„Ich denke, wie werden dir Morgen die Antwort mitteilen
können.“
Mir blieb der Mund offen stehen.
Kati fiel nun doch noch „vor Dankbarkeit“ vor uns nieder.
Hielt mit beiden Händen Gunnars Knie umschlungen und senkte ihren Kopf
unterwürfig, bis er auf seinen Knien lag. „Du wirst es nicht bereuen.“ Sie hob
den Kopf und sah ihm lächelnd in die Augen. Ein Wimpernaufschlag und Gunnar
schmunzelte erneut. Er schien sich geschmeichelt zu fühlen. Was ging hier
eigentlich vor?!
Nun robbte Kate auf ihren Knien zu mir herüber und vollführte
das gleiche Szenario. Legte ihren Kopf auf meine Knie und bedankte sich.
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Als sie gegangen war, kochte ich vor Wut. Hätte Gunnar am
liebten angeschrieen und eine Ohrfeige verpasst. Was dachte er sich eigentlich
dabei?!
Grinsend kam er auf mich zu, nahm mich mit beiden Händen
bei den Schultern und küsste meine Stirn. „Beruhige dich.“
Ich stieß ihn mit voller Wucht zurück. „Ich soll mich
beruhigen, wenn DU in der Tat darüber
nachdenkst, SIE als deine zweite Frau zu nehmen. Was ist eigentlich in dich
gefahren? Bist du verrückt geworden?!“, schrie ich ihm entgegen.
„Warst du vielleicht VERRÜCKT, als du mit drei Männern
lebtest?“ Gunnars Stimme blieb ruhig. „Ich schlief sogar mit ihnen und dir
zusammen in einem Bett.“
„Ah! Darauf läuft es hinaus.
„Nein!“
„Nein. Was?“
Aufgeregt lief Gunnar vor mir hin und her. „Lass es uns
versuchen? Natürlich würde es nicht für immer sein. Das wäre ohnehin nicht
möglich. Ebenso wenig wie der damalige Versuch mit drei Männern zu leben.“
Ich wendete mich zornig von ihm ab und schnaufte. ER hielt
mich von hinten an den Schultern fest und drehte mich wieder zu sich herum.
„Hör’ doch. Wenn wir zusammen halten, werden wir alsbald erfahren, ob Kate
lügt, oder die Wahrheit über ihren Ausstieg sagt.“
„Wie stellst du dir das vor? Soll ich etwa mit ihr und dir
gemeinsam in einem Bett schlafen?“
„Nein. Das musst du nicht. Aber ICH tat es damals. Kannst
du dich erinnern?“
Ich fauchte. Blieb jedoch stumm.
„Wie kannst du mir verweigern, was du dir bereits heraus
nahmst?“
Er hatte Recht mit dem, was er da sagte. Ich hatte zu jener
Zeit die Gegenwart aller drei Männer genossen und liebte sie alle auf ihre
eigene Art und Weise.
„Es wäre doch nur ein Versuch. Überdies ging es darum mehr
über die Sekte zu erfahren und DAS, was sie aus deinem Haus in New Orleans
vertrieb. Es ist überaus wichtig zu wissen, was dort geschah. Verstehst du
nicht? Die Zusammenhänge sind weit größer wie deine kleinliche Eifersucht.
Denke nur an den Tot von Sara Black Moonfeather und warum die Zwillinge geboren
werden mussten.“ Gunnar sah mir beschwörend in die Augen. „Es wäre doch nur für
eine kurze Zeit. Sie wird lernen zu leben und dann ihre eigenen Wege gehen, um
die neu gewonnene Freiheit zu genießen. Warum sollte ich sie erneut einsperren
und ihr diese großartige Zukunft vorenthalten?“
Sehr schnell musste ich begreifen, dass Gunnar Kats Angebot
tatsächlich erwog.
„Ich mag nicht mehr darüber nachdenken. Lass uns schlafen
gehen.“, sagte ich zu Gunnar.
Der Tag, seine Ereignisse und der Streit mit Gunnar hatten
mich dermaßen erschöpft, dass ich am aller liebsten vergessend in den Schlaf
gesunken wäre. Jedoch wälzte ich mich Stunden unstet hin und her. Schlief kurz
ein und wachte wieder auf.
Gunnar schloss mich fest in seine Arme. Küsste und
streichelte mich. „Es wird schon alles gut gehen. Vertraue mir.“
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Heute Morgen zum Frühstück eröffneten wir der erleichtert
und dankbar drein schauenden Katie unsere (Gunnars!) Entscheidung.
Wie wir das Ganze jedoch nun angehen, vermag ich nicht zu
sagen.
Und so ganz ins geheim, dachte ich bereits darüber nach,
mich nach Russland zu Wanja abzusetzen oder zu Troels zu gehen.
Was Troels jedoch betrifft, bekäme ER nun seine Chance mit
mir öfter zusammen zu sein. Denn wenn Gunnar tatsächlich mit Kate (fickt, was
zu erwaten ist), schläft, dann kann er mir Troels, oder einen anderen Mann
ebenso nicht wirklich verweigern.
Läuft hier nun alles aus dem Ruder?
Oder ist alles genau richtig, so, wie es ist? (...und
bringt mir womöglich ebenso mehr Freiheit als geahnt, wenn,....ich es von einem
anderen Standpunkt aus betrachte.)
Aber will ich diese Freiheit überhaupt?