Sonntag, 24. November 2013

Kurswechsel


Der Bogen ward von Gunnar überspannt.
Das Maß ist voll, und ich will nicht weiter darüber reden.

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Zum Koffer packen blieb keine Zeit. Ich konnte nicht noch einmal zurück zum Zentrum fahren. Es war zu spät. Ich hätte Gunnar dort begegnen können. Was ich selbstredend vermeiden wollte. Mein Handy und das iPhone schaltete ich aus.
Infolgedessen reiste ich mit leichtem Gepäck. Den Wagen ließ ich am Flughafen stehen.
Als wir uns bereits in der Luft befanden, entbrannte noch mal eine heftige Diskussion über das Ziel unserer Reise. Ich argumentierte mit Krankheitsgründen. Das mir die Reise zu beschwerlich sei und das Klima zu warm. Natürlich wollte ich gleichwohl seiner PR Freundin nicht begegnen.
Wanja entschied sich kurzerhand um, ging zum Cockpit und wir flogen nach Kiew.

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Pünktlich zum Dinner trafen wir in Wanjas Haus ein.
Sein Bruder Alexej und dessen Frau Natascha, die gleich neben uns (?) wohnen, begrüßten uns sogleich und blieben eine Weile.

Wanja scheint mir überaus enthusiastisch. Ja beinahe euphorisch zu sein. Er denkt tatsächlich, dass ich dieses Mal endgültig  bei ihm bleibe. Er macht Pläne, wo wir wohnen werden und dass ich mit ihm reisen soll. Er möchte nicht eine Sekunde mehr von mir getrennt sein.
Das wollen sie alle. Das wollen WIR alle. Zu Beginn. Wenn das Herz vor Erregung bis zum Halse schlägt, sieht man dem Partner nur in die Augen. Andererseits, wie schnell ist DAS vergessen. Überholt. Oder kehrt sich ganz und gar ins Gegenteil `Man kann ja nicht beständig aufeinander hocken.´ Höre ich Gunnars Worte noch in meinen Ohren klingen, und ich fühle, was daraus geworden ist.
Mag sein, dass es der Wahrheit entspricht, dass es nicht gut ist immer beieinander zu sein. Aber WO bleibt das Vertrauen, und WO sind die Grenzen, wenn Kates und Elenas des Ehemannes Wege kreuzen?
Mit Wanja hatte ich damals ähnliche Probleme, die ich heute überwiegend seiner Unerfahrenheit in und dem Staunen für eine Gesellschaft der Superlative zuschreibe. DA, wo mit einem Mal alles möglich, was ihm bis dorthin verwehrt geblieben war. Natürlich wollte er seinen „neuen Reichtum“ auskosten. Auf alle Arten die es gab.
Wie er mir versichert, ist das jetzt vorbei und ihm nicht mehr wichtig. Er sei bescheidener geworden. Die Hürde der Arroganz, der Maßlosigkeit und der Extreme sei genommen. Bis auf das Reisen, sei im großen Ganzen, wieder Ruhe in sein Leben gekehrt. Er hätte alles, was er sich wünsche. Die „wilden Zeiten“ seien vorbei.
Nun, wie lobenswert!
Gunnar hatte ich ebenso an einem „Wendepunkt“ seines Lebens kennen gelernt. Nein. Ich hatte ihm sogar zu einem solchen verholfen. Kein Wunder also, dass er überwältigt „alle Freiheiten“ genoss, auszukosten sucht und das „Bekannte“ gleich mit integriert. 

In jedem Fall ist es für mich großartig zu wissen, dass mein Gegenüber nicht jeden Gedanken meines Hirns zu erforschen vermag.
Wie angenehm!
Überdies hat er, oder besser habe ich in Wanjas Gegenwart offensichtlich weniger Mühe eine gewisse Disziplin zu wahren als bisher mit Gunnar. Es ist erstaunlicher Weise so leicht. Zumindest mein Eindruck, bis zu diesem Zeitpunkt.

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Begeistert und mit Leidenschaft schlug Wanja Orte, wie Hamburg, Berlin, Kiew, Miami, Moskau, L.A. vor, an denen wir wohnen könnten.
Ich schlug Schweden vor. Alldieweil ich mir dort ein Stück Heimat erschuf. Wanja meinte, dass es nur Probleme bringe, wenn ich dort weiter wohnen würde. Was ich durchaus verstehen kann. Andererseits schien da ebenso eine eigenartige Furcht zu sein, welche ich in seinen Augen sah, die im Allgemeinen nicht Wanjas Wesen entspricht. Ich vermute es schaudert ihm vor Gunnars Hexenkünsten. Gleichwohl er sich dies, und vor allem anderen nie eingestehen wird.
Es wurde ebenso über Politik geredet. Worüber ich hier jedoch nicht schreiben darf.

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Bisher vermied ich ERNSTHAFT über die Konsequenzen meines Handels nachzudenken. Fakt ist, dass es welche geben wird. Ebenso vermied ich bisher, aus der augenblicklichen Lage heraus, über meine weitere Zukunft nachzudenken.
Was soll werden? Ist eine Umkehr, sofern ich sie denn will, noch immer möglich? Oder gibt es nur den Weg nach vorn?