Montag, 16. März 2015

Auf dem Weg nach Hause



Es war alles so gut gelaufen, obwohl ich Gunnar kaum sah.
Er schien glücklich zu sein. Ich war es auch. Und sogar heute Nacht hielt er sein Versprechen, keine „Irrwege“ zu gehen. Obwohl er am Abend für kurze Zeit verschwunden war. Aber heute Morgen war ich allein zum „Abschieds“-Fühstück mit all den anderen gegangen.
Gunnar hatte zu mir gesagt, dass er für einige Minuten weg gehen müsse. Aber er kam nicht zurück. Infolgedessen hielt zumindest ich die vereinbarte Zeit des Treffens zur Verabschiedung ein und begab mich in die dafür vorgesehene Räumlichkeit.
Gunnars Chefin sah mich am Büfett und kam gleich zu mir. Sie lächelte milde und ihr Tonfall war beinahe mitfühlend. „Wie geht es ihnen heute?“, fragte sie und ihre Hand strich sanft über die Außenseite meines linken Armes.
Ich stutzte einen Augenblick und sah sie mit großen Augen verwundert an. Offensichtlich hatte man ihr von meiner Krankheitsgeschichte erzählt. Sonst würde sie nicht in dieser Art fragen und offensichtlich hatte ihre innere Haltung zu mir ebenfalls eine Wandlung erfahren. Sie war eher herzlich als kalt. Infolgedessen hatte sie gleichwohl eine ehrliche Antwort verdient. Zumindest fand ich das.
„Nun.“, ich holte einen tiefen Atemzug und ließ die Luft langsam durch meinen geöffneten Mund entweichen, „nicht wirklich so berauschend.“, sagte ich und lächelte sie an.
„Sie scheinen ihren Mann sehr zu lieben.“
„Ja.“
„Hat er es auch verdient?“ Sie zwinkerte mir zu und wartete auf eine Reaktion.
Ich sah ihr ins Gesicht und kniff die Augen zusammen. „Sagen sie es mir.“
„Oh. Nein. Ich sollte mir nicht anmaßen über Gunnar zu richten. So gut kenne ich ihn schließlich nicht.“
Wir füllten unsere Teller mit dem was jede jeweils für ihre Gesundheit am besten hielt und gingen gemeinsam zum Tisch. Ich sah Gunnar nicht und auch diese Alexa war offenkundig (noch) nicht anwesend. Was für ein „merkwürdiger Zufall“!
Trotz aller Offensichtlichkeit und doch beinahe unmissverständlichen Andeutungen von Gunnars Chefin, suchte mein Hirn nach Ausreden für das Verhalten meines Mannes. Er wird sich sicherlich nur verabschieden. Gaukelte es mir vor und überspielte die doch eher wollüstigen Bilder.
Natürlich „betraten sie die Bühne“ nicht gemeinsam. Gunnar kam als erster eiligen Schrittes herein. Duckte ab und tat so, als dürfe/würde ihn keiner sehen und setzte sich auf den Platz neben mich. Er gab mir keinen Kuss. Faselte stattdessen eine fadenscheinige Entschuldigung und er war trotz alledem nah genug, sodass ich ein feminines Parfüm an ihm wahrnehmen konnte. In der Kürze der Zeit hatte er sich zweifelsohne nicht duschen können nachdem......was auch immer er getan hatte. Ein Kuss und ein paar Worte des Abschiedes dauern schließlich keine vierzig Minuten!
Nun das gleiche Spiel des Auftrittes mit dieser Alexa. Zügig, fast rennend betrat sie den Saal. Stoppte in voller Fahrt. Setzte ein betretenes Lächeln auf und hoffte „unter dem Radar“ durchhuschen zu können. Gleichwohl sich nur wenige nach ihr umdrehten, sah ich doch auch andere zynisch, vermutend oder wissend grinsen. Und dann immer der schneller Blick zu mir. Als wollten sie prüfen, beobachten wie ICH auf diese Offensichtlichkeit reagierte und es schien gerade so, als könnten sie es nicht erwarten, eine offene Szene der Eifersucht mitzuerleben. Aber diesen Gefallen tat ich ihnen selbstverständlich nicht. Obwohl ich zugeben muss, dass ich über die Maßen verletzt gewesen war. Wie konnte er nur? Aber andererseits konnte ich nicht wirklich wissen, was er getan oder nicht getan hatte. Also schob ich den Argwohn vorübergehend beiseite. Dennoch vermochte ich ein wenig schlechte Laune nicht zu verbergen. Ich konnte Gunnar nicht in die Augen sehen. Saß einfach nur neben ihm, als wäre er irgendein Fremder, der zufällig neben mir saß.
Ich musste mich dringlichst besinnen. Zusammen reißen. Dachte ich mir. Wozu einen Streit vom Zaun berechen. Gunnar war bei mir und wir würden in Kürze gemeinsam zurück nach Hause fliegen. Ohne diese Alexa. Wer weiß, wann, oder ob er sie überhaupt wieder sehen würde. Also schwieg ich tunlichst und versuchte mich an einem gekünstelten Lächeln.......
Sogar jetzt, auf dem Rückflug, verspüre ich keinerlei Bedürfnis mit ihm über diese Alexa zu reden. Das Bild diese Frau in Gunnar Gedanken aufleben zu lassen und all das, was er womöglich an Intimitäten mit ihr erlebt hat. Nein. Ich schwieg weiter. Machte gute Miene zum bösen Spiel und betreibe Smalltalk, je nach Nötigkeit.
WO ist JETZT seine Ehrlichkeit? Er versprach mir stets die Wahrheit zu sagen! Sollte ich womöglich doch noch einmal ....“nach-fragen“?
Und so manches Mal wünschte ich mir, Gunnar würde ebenso ein diary führen wie ich hier. Dort könnte ich dann zumindest „nach-lesen“, was geschah und welche Gefühle er für wen hegt.
Und nein, mit Wanja sprach ich noch nicht wieder. Da ist wo ein zwiespältiges Gefühl in mir, was mich daran hindert. Mit Derek ist es dasselbe. Bei ihm fühle ich mich sogar schuldig. Wäre ich nicht zu Gunnar geflogen, hätten wir sicherlich eine fabelhafte Zeit miteinander haben können.