Mittwoch, 11. Januar 2017

Ungehobelter Biker? Oder ungeschliffener Diamant?



Erneut ist in nur einem Tag recht viel geschehen. Es ist gerade so, als würde die Zeit und die Welt Purzelbäume schlagen.

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Da ich nun so überwältig war von den Geschehnissen in meinem Leben, vernachlässigte ich einen Tag lang meine Pflichten als Chefin des Zentrums und übertrug das Wichtigste, was nicht warten konnte, auf Mike, der diese Aufgabe bravourös meisterte. Mein Dank an ihn.
Kevin ist glücklicher Weise nun ENDLICH wieder angekommen. ER hat sich offenbar (gegen seine Lebensgefährtin und deren Familie) letztendlich durchgesetzt. Ich sprach noch nicht mit ihm. Werde ihn nicht bedrängen. Warte, bis ER zu MIR kommt. Zumindest ist er wieder hier. Ich bin so derart erleichtert!!! (….das glaubt mir keiner!)

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Ein paar Gedanken zu diesem neuen Mann (in meinem Leben):


Wie Charlie zu meiner Kränklichkeit steht, vermag ich noch nicht zu sagen. Schließlich kennt er mich bereits seit zwei Jahren….von Weitem und vernahm alle möglichen Gerüchte über mich. Er fragte zwar danach, WELCHE Krankheit mich nun plagt. Aber ich sagte es ihm (noch) nicht. Denn ich rede nicht gern darüber.


Charlie mag es nicht, wenn ich in seinen Gedanken schnüffle, wie er sagt, und er versteht gleichwohl nicht, wie so was geht. Dennoch fällt es mir leicht, in seinen Kopf zu schauen. Und bei der Frage nach anderen Frauen, begegneten mir einige Bilder. Darüber gesprochen hat er allerdings noch nicht. Ich weiß zumindest, dass er hier im Zentrum eine Zeit lang mit einer der Chinesinnen zusammen war. (Ihr Name ist Yamei Diwu.) Bis vor kurzem offenbar. Denn er hätte nicht für möglich gehalten, dass er bei mir landen kann.
Aber er gestand mir, dass er es in der letzten Zeit forcierte, mich womöglich doch etwas näher kennenzulernen.

Ebenfalls weiß ich, dass er, bevor er zu uns ins Zentrum kam, einem Biker Club angehörte. Mehr erzählte er mir nicht darüber.


Ich hatte Alexa von unserem Tisch im Restaurant weggeschickt, als ich dort mit Derek und Charlie saß.


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So gegen halb zwei rief mich Derek an und fragte, ob ich schon essen war. Ich verneinte.
„Dann wird es aber Zeit.“
Allerdings einigten wir uns dann schlussendlich darauf, dass er lieber mit mir diniert und dann am Abend zu mir kommt. Das späte Mittagessen überließ er Jan Charlie Helger, der glücklich darüber war, mich sehen zu können. Er hatte mich im Büro abgeholt, wo ich noch kurz mit Mike etwas zu besprechen hatte. 
Bis 17.00 Uhr war ich dann wieder allein. Schrieb eine Weile und surfte im Netzt. Und als Charlie dann wieder zu mir kam, fragte ich ihn, ob er mit mir zu einem Vortrag über die Zirbeldrüse ginge. Charlie zögerte erst und sah mich zweifelnd an. Aber dann kam er mit mir ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren. Er fragte nur, was das sei. Die Zirbeldrüse. Womöglich hatte er sich auch etwas anderes erwartet, was unser Zusammensein betraf. Allerdings erklärte ich mich ihm dazu überaus deutlich.
„Ich weiß nicht, WAS du gewöhnt bist für und von Frauen. Ich bin jedenfalls keine, die hirnlos und geil durch die Gegend tappt, auf der Suche nach dem nächsten Mann und Fick. Verstehst du das?“, redete ich in einem Gassenjargon, wie ER es sicherlich besser verstand. Allerdings gedachte ich dies nicht explizit ihm gegenüber zu erwähnen.
Er grinste und nickte dann. Und ich sprach noch ein wenig weiter.
„Schon meine Position erlaubt mir das nicht, mich wie eine gewöhnliche Straßenhure zu gebärden.“
„Dann fickst du nicht oft?“
Ich räusperte mich und legte Bedeutung in den Blick meiner Augen. „Ich suche mir die Männer aus, mit denen ich schlafen möchte. Was aber nicht bedeutet, dass ich dann alles andere um mich herum vergesse, nur um mit diesem Mann zusammen zu sein. Ich trage Verantwortung und habe Pflichten zu erfüllen. Kann nicht in den Tag hinein leben. Auch wenn ich das gerne täte und es mir manchmal sogar erlaube, sofern es nichts Wichtiges zu tun gibt.“
Er erwiderte nichts. Sah mich nur durchdringend, oder forschend an und blieb recht ernst dabei. Ich suchte in seinen Gedanken und fand…..…Ehrfurcht, Respekt und ein wenig Verwirrung. Offenbar wusste er mich nicht gänzlich einzuschätzen und ebenso wenig, was er darauf hätte sagen sollen. Kannte solche Situationen, wie ich sie beschrieb, möglicherweise nicht. Männer sind eben schlichter gestrickt. Denke ich mir dann. Wer weiß. Und an dieser Stelle fühle ich, dass ich diesen Mann in der Tat nicht kenne.

Jan Charlie Helger  hatte sich gestern noch einen Tag, respektive eine Nacht frei genommen und musste nun am Abend zur Schicht. Was mir ganz gelegen kam. So konnte ich dann ab acht mit Derek zusammen sein.
Von Gunnar hörte ich bis dahin nichts. Erreichte ihn ebenso wenig. Warum auch immer. Ich weiß es nicht. Womöglich war er zu beschäftig, um ein Telefonat zu führen. Wer weiß das schon.

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Nach dem Vortrag hatte ich noch einmal im Büro und bei Ryan nach dem Rechten gesehen. Nachgefragt, ob alles in Ordnung sei und ging dann ins Restaurant, um mich dort mit Derek zu treffen. Charlie war unterdessen in seine Hütte gegangen, um sich auf seine Schicht vorzubereiten. War mir ganz Recht.
Bevor Derek jedoch eintraf, erwischte mich eine seltene und vor allem unerwartete Unterzuckerung. Und das sehr, sehr schnell. Ich kam kaum zum Reagieren. Nur gut, dass es Sarah gerade sah, wie ich in die Knie ging, weil mir schwindelig wurde. Zudem noch ein Schweißausbruch, der eindeutig war. Noch umgehend wurde mir Traubenzucker eingeflößt. Es dauerte in etwa eine viertel Stunde, bevor mein Gehirn wieder bei mir war. In diesem Augenblick nahm ich Derek war. Er musste in den vergangenen Minuten gekommen sein.
„Frau, was machst du nur?“, fragte er besorgt.
„Ich hatte noch Dies und Das zu erledigen und dann wollte ich…..“
„Hast du nicht bemerkt….?“
„Nein. Habe ich nicht.“, rechtfertigte ich mich.
So allmählich kam ich wieder zu mir. Es ist ein scheußliches Gefühl, wenn sich das Gehirn verabschiedet und nein, mir wurde nicht schwarz vor Augen, sondern weiß. Denn genau DAS dachte noch und wunderte mich darüber.
Nachdem ich mit Derek gegessen hatte, gingen wir zu meinem Haus. Und während wir so beim Fernsehen saßen, läutete Dereks Handy. Es war Giselle.
Dereks Gesicht wurde erst. Er erhob sich mit einem Ruck und zog seine Jacke an.
„Was ist passiert?“, fragte ich ihn angespannt.
Er unterbrach für ein paar Sekunden das Gespräch und erklärte mir in einem Satz, dass sein Kind krank wäre und er mit ihr und Giselle JETZT zum Hospital fahren müsse. Und schon war er weg.
Ich schnaufte durch, nahm selbst mein iPhone zur Hand und versuchte Gunnar zu erreichen. Nichts. Dann rief ich Charlie an und fragte ihn, ob er vielleicht zu mir kommen mochte.
„Ich spreche mit Ryan und lasse dich frei stellen für diese Nacht.“
Er kam so gegen Mitternacht.

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Währenddessen wir so nebeneinander saßen, Jan Charlie Helger und ich, erzählte ich ihm von meiner abendlichen Unterzuckerung, welcher ich im Restaurant erlag und dass ich mich noch immer nicht wieder zur Gänze erholt zu haben schien. Ich fühlte mich schwach und müde. In diesem Zusammenhang fragte er mich erneut nachdem, was mir nun wirklich fehlte. Er ließ mir keine Ruhe. Fragte nach meiner Kränklichkeit und was es damit auf sich hätte. Ich erzählte es ihm in so wenig wie möglich Sätzen.  Er schien daraufhin einigermaßen bestürzt zu sein. Pustete die Luft durch die Lippen.
„Man sieht es dir nicht an.“, war sein erster Kommentar dazu.
„Nein. Selbstverständlich nicht und es ist gut, dass es so ist. Ich gebe mir auch alle Mühe, dass es dabei bleibt und vor allem nicht schlimmer wird.“, und hier erklärte ich ihm, was ich alles so tat, um meine Gesundheit wieder zu erlangen. Er schien beeindruckt zu sein. Oder fand es übertrieben. Ich weiß es nicht. Er erwiderte nichts darauf. Schien nachzudenken.
Es wurde erneut sehr, sehr spät am gestrigen Abend. Wir gingen so gegen drei zu Bett und ich bemerkte selbstverständlich und erklärte es Charlie, dass bereits die Symptomatik des Fatigue eingesetzt hatte.
„Schätzchen, dann solltest du versuchen mal früher ins Bett zu gehen.“ Merkte er an, als wir dann endlich nebeneinander lagen.
„Ja. Ich weiß. Aber ich bekomme schlicht und einfach den Hintern nicht hoch.“ Er grinste und ich setzte nach, alldieweil ich das Schätzchen nicht mochte. War allerdings viel zu müde für eine ausschweifende Diskussion. Und an dieser Stelle kam der Hinweis auf das Gassenjargon zur Sprache und das ich mir DAS doch eigentlich verbot.
Ich sah nur noch, dass er die Brauen nach oben zog…..und schlief ein.

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Trotz alledem erwachte ich heute gegen acht. Blieb jedoch noch eine Weile liegen und dämmerte so vor mich hin. Redete ein wenig mit Charlie, der ebenfalls wach gewesen war. Dann läutete mein iPhone. Es war Mike.
„Kommst du? Ich dachte wir briefen heute endlich. Hätten wir nicht einiges zu besprechen?“
Ich schnaufte. „Später vielleicht. Jetzt nicht. Das hat doch alles Zeit. Oder etwa nicht? Ich bin noch im Bett.“, sprach ich, legte auf und Charlie bestand dann doch noch auf Sex und ich verwehrte es ihm nicht. Jedoch erneut mit doppeltem Schutz. Alles andere ist mir zu heikel.

Nun war es wieder so spät geworden, dass ich begann zu hetzen.
„Wieso rennst du so und bist so aufgeregt?“, fragte er im ruhigen Ton. Stand da und sah mich an. Die Augenbrauen zusammen gezogen mit amüsiertem Blick.
„Ich schaffe es einfach nicht, meine Zeiten für das Speisen und die Medikation einzuhalten.“
„Warum machen wir nicht einen Brunch?“
„Ja und dann?“
„Dann….“ Charlie lächelte, kam auf mich zu und legte seine Arme um meine Hüften. „…..dann lässt du das Mittag einfach weg, trinkst Kaffee und ißt Kuchen, nimmst deine Tabletten dazu und am Abend isst du warm.“
Ich stutzte. Dachte über das Gesagte nach. „Du hast Recht. Warum bin ich nur nicht schon früher darauf gekommen?“
Gedacht. Getan.

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Während ich so beim Brunch mit Charlie saß, rief ich Derek an. Er ließ mir keine Ruhe. Es läutete ein Weile und dann….….ein „Ja.“ Er schien genervt zu sein.
„Wie geht es dem Kind? Kann ich etwas für dich tun?“
„Nein. Die Ärzte wissen nicht was es ist. Sie rätseln nur.“
„Ich hoffe, ich störte dich nicht.“
Er schnaufte. „Eigentlich wollte ich schlafen. Ich war fast die ganze Nacht mit Giselle im Hospital.“
„Verzeih. Dann lasse ich dir besser deine Ruhe.“ Ich legte auf.

Hatte mein Telefonat Charlie etwa verärgert? Ich weiß es nicht. Denn wir kamen unerwarteter Weise in eine Auseinandersetzung, alldieweil  ich erneut sein Gossenjargon monierte. Zudem nennt er Derek immer den schwarzen Mann. Nun gut, es mag eher  harmlos und witzig gemeint sein. Und ich selbst sage ab und an, wenn es meiner Meinung nach angebracht scheint, das böse Wort mit dem „N“. Darin mögen wir uns einig sein. Jedoch niemals meine ich damit Derek!
„Ich bin dir zu schäbig? Zu niedrig. Nicht gut genug. Oder was?“ Charlie wurde nun ein wenig mürrisch. Er schien verstimmt zu sein.
„Nein. Natürlich nicht!“, versuchte ich ihn zu beruhigen.
„Ist es, weil ich ein Biker war?“
„Das stört mich doch nicht. Was denkst du nur?“
Sein zweifelnder Blick sagte mir, dass er offenbar nicht versöhnlich zu stimmen war.
„Was ist mit Dir? Habe ich dich mit irgendetwas beleidigt?“
Seine Verärgerung ließ nicht nach und er schien sich sogar noch hinein zu steigern. „Ich passe einfach nicht in deine Welt. Mit dem gezierten Getue, den guten Manieren, der Haltung bewahren müssen und dieser komischen Art zu Reden.“
Ich verstand nicht, was das sollte. „Was stört dich daran. Ich bin wie ich bin. So wurde ich nun einmal erzogen.“
„Wann kommt dein Mann?“, schwenkte er mit einem mal um. Ich war verstört.
„Ich weiß es nicht. Wir sprachen noch immer nicht wieder miteinander.“
Nun auch noch ein zynisches Grinsen. Jedoch blieb er ruhig. Schien sogar ein wenig abgeklärter zu werden. „Siehst du. DAS meine ich.“
„WAS denn?“
ICH hätte jetzt gesagt,…….keine Ahnung. Der Arsch ruft nicht an. Aber das ist ja,….wie war das noch mal? Gassenjargon?“
 Er stand auf und ging. Ich fühlte mich brüskiert. Warum war er nur so verärgert? Ich verstand das nicht!
Aber egal. Vielleicht war es besser so. Denn gerade, als Jan Charlie Helger das Restaurant verließ, kam Derek herein und  direkt auf mich zu. Er setze sich ohne ein Wort zu mir an den Tisch. Schien müde zu sein. Seine Hände bedeckten für einen Augenblick sein Gesicht und ich fragte ihn noch einmal, ob ich ihm irgendwie helfen könne. Er verneinte.
„Ich dachte, du wolltest schlafen.“ Ich griff nach seiner Hand und drückte sie kurz.
„Kann ich nicht. Ich werde vermutlich gleich noch einmal mit Giselle ins Hospital fahren.“
„Selbstverständlich seid ihr beide frei gestellt. Lasst euch einen Krankenschein geben. Für die Abrechnung.“
Derek nickte. Seine Augen waren rot und sein Blick besorgt.
„Deine Mutter?“, fragte ich noch.
„Sie wollte mit mir und Giselle ins Hospital…...“
„Das ist zu viel Stress für sie.“, merkte ich an.
„Ich weiß. Ich riet er davon ab.“

Nach einer Weile begleitete mich Derek noch hinaus. Wir verabschiedeten uns voneinander und ich fragte noch einmal nach, ob ich helfen kann.
„Nein. Im Augenblick nicht.“
„Sehen wir uns dann?“
Derek sah mich durchdingend an. „Was ist mit diesem Weißbrot? Du warst doch sicher mit ihm zusammen heute Nacht?“
„Aber NUR zusammen, um nicht allein zu sein. Nichts weiter!“, bekräftigte ich. „Vorhin, kurz bevor du kamst, hat ihn irgendetwas verstimmt. Vermutlich mein mehrfacher Hinweis auf sein Gassenjargon.“
Derek stöhnte. „Kenne ich nur noch zu gut. Du hast ihn wohl da an seiner Ehre gepackt. Nicht gut.“ Er grinste müde und ich sah in seinem Kopf, dass es ihm offenbar recht zu sein schien, dass ich mich mit Jan Charlie Helger zackte.
An dieser Stelle trennten sich unsere Wege. Derek ging zu seinem Wagen. Und ich, ins Büro. Auf dem Weg dorthin, begegnete mir Alexa mit dem Kinderwagen.
„Hast du etwas von Gunnar gehört?“, fragte sie gleich.“
Ich war genervt. „Nein!“, herrschte ich sie an. (Und am liebsten hätte ich sie erwürgt (samt ihrem Kind).)
Ich ging schlicht und einfach weiter.
Natürlich war es unschön und ein wenig geschmacklos von mir, sie so zu behandeln. Nicht korrekt und nicht ladylike. (Ich werde mich entschuldigen müssen.) Aber irgendwie war ich zornig. Ein verschwundener Ehemann. Seine Konkubine, die mich nach seinem Verbleib befragte. (Hatte sie überhaupt ein Recht darauf zu wissen wo Gunnar war?) Einen Liebhaber, der sich um sein krankes Kind sorgte und somit seiner Freundin und gelegentlichen Konkubine damit näher zu kommen schien. Und dann noch dieser chaotische, schroffe und unkultivierte Biker. In Desaster in sich. Zwar witzig, aber keine Manieren. Kein Esprit. Ein ungehobelter Kerl oder ein ungeschliffener Diamant mit Ecken und Kanten? Nur ICH werde gewiss nicht die Glättende, die Feilende, die Entschärfende sein. Punkt!