Dienstag, 31. Januar 2017

Der springende Punkt und eine Offerte



Es war nicht angenehm für mich dieses Kindchen Keshia im Büro um mich zu sehen, wo ich doch wusste, dass Gunnar noch am Tag zuvor in ihr war.
Sie selbst verhielt sich recht unterwürfig. Der Blick zumeist gesenkt. Kuschte fast. War es ihr etwa peinlich? Oder was?
Selbstredend würde ich auf Grund dessen NIEMALS eine Szene vollführen, indem ich sie daraufhin anspreche und womöglich noch beschimpfe. Dergleichen liegt mir fern wie das nächste Universum. Ohnehin nehme ich an, dass Gunnar der treibende Part der Beziehung ist.
Und wenn ich noch sehe, wie sie lächelnd mit ihm spricht, könnte ich dazwischen fahren. Verdammt!
Aber diese Genugtuung werde ich niemanden verschaffen. Denn auch Kate würde es sicherlich über die Maßen amüsieren, mich entgleisen zu sehen. Bei Casandra Fish könnte ich mir ähnliches denken. Sie meint ohnehin, und verhält sich gleichwohl in diesem Sinn, sie sei die Königin. Selbst jetzt, bei dieser Witterung, stets aufreizend angezogen. Und der Blick verrät so einiges. Dreist und frech. Die Männer mit den Augen verschlingend. (Mimik und Gestik, wie eine läufige Hündin!) Und dies muss ich täglich sehen und ertragen.
„Vertraue mir doch mal.“, sagte Gunnar dann immer zu mir, wenn ich auf seine  Affären zu sprechen komme. „Ich liebe dich doch und gebe mir alle Mühe, das so weit wie möglich einzudämmen. Niemals würde ich dich verlassen und ich bitte dich es auch nicht mit mir zu tun. Wir gehören doch zusammen. Das weißt du doch.“ Zumeist führt er dann noch die Reihenfolge, die Rangordnung seiner bevorzugten Damen an. Wo ICH selbstverständlich an der Spitze stehe. Zumindest sagt er MIR das und ich glaube ihm sogar. Und genau DAS ist es, was mich eigenartiger Weise von einem festen Verbund mit, beispielsweise, Derek abhält. Denn ER ist ebenso KEIN unbeschriebenes Blatt wie ich nun weiß. Oder er mir sogar noch gestand. Aus Ehrlichkeit, wie er sagt. Und was weiß ich schon, sollte ich es mit ihm tatsächlich wagen, ob er sich nicht in fünf Jahren in eine andere verliebt und mich dann fallen lässt. DAS ist für mich der ausschlaggebenden, der springende Punkt, warum ich Gunnar nicht den Rücken kehre.

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Es gab jede Menge Arbeit heute. Gunnar und ich waren am Vormittag im Zentrum unterwegs. Andauernd läutete sein Handy. Er war genervt von Alexas Anrufen, die wissen wollte, wann er endlich kommt. Und dann zum Lunch, saß sie mit an unserem Tisch, samt Kind. Was wollte ich sagen? Nichts. Ich ignorierte sie, so gut ich es eben vermochte und hielt meinen Zorn in Grenzen. Er schadet mir nur.
Letztendlich gesellte sich noch Henning Baumann zu uns. Der mir wegen Alexa nicht wirklich willkommen war. SIE hatte damit NICHTS zu tun und musste darüber NICHTS wissen. Allerdings wäre es gleichwohl nicht angebracht gewesen, ausschließlich in Deutsch zu reden, was mein erster Gedanke war. Welchen ich jedoch nicht auszusprechen wagte. Gunnar hätte dann wer weiß was gedacht, wenn er nicht alles vollständig verstanden hätte. Bei Alexa wäre es mir so wie so egal gewesen. Denn genau DAS war eigentlich das Ziel. Jedoch schickte es sich nicht, sie aus der Unterhaltung auszusperren (wenn sie schon einmal mit uns am Tisch saß). Infolgedessen hörte sie bedauerlicher Weise mit.
„Es ist schwierig in der Biker Szene Infos einzuholen. Wenn nicht sogar gefährlich. Die denken, man führt etwas im Schilde.“, begann Henning seinen Bericht.
„Was haben sie denn nun erfahren?“, fragte ich ungeduldig.
„In jedem Fall ist er außer Landes.“
Und das bedeutet wo?
„Kann ich noch nicht genau sagen. Wahrscheinlich sogar in Amerika.“
„Was in aller Welt macht er dort? Hätte er mir das nicht schlicht und einfach sagen, oder zumindest eine einzige Nachricht senden können?“
„Ich vermute er hat sie in Bezug auf die Zugehörigkeit zum Club belogen. Er ist nicht ausgestiegen. Gehört noch immer dazu. Denn genau das war meine Spur.“
„Ja und? Hätte er mir DAS nicht einfach sagen können?“
„Nein. So einfach ist das nicht. Ich denke, er ist einer von denen, die für die Szene undercover Jobs erledigt und ansonsten den Anschein erwecken, als wäre sie nicht mehr dabei. So wie die Schläfer. Braucht man ihn, wird er aktiv.“
Einen Augenblick lang dachte ich nach und fragte dann, WAS für JOBS denn das wären.
„Kann ich ihnen nicht im Detail sagen. Tut mir leid. Aber im Allgemeinen geht es um Drogen- und Waffentransporte oder Prostitution. Es gibt auch spezielle Leute, die als Killer fungieren.“
„NEIN! Das kann nicht sein. Geht es denn wirklich nur um kriminelle Machenschaften?“
„Zum größten Teil schon. Aber natürlich gibt es auch weniger gefährliche oder kriminelle Erledigungen für das Chapter.“
„Zum Beispiel?“
„Schutz. Organisation, Beaufsichtigung von Transaktionen etc. Und bevor sie fragen, ich werde es nicht erfahren, warum dieser Charlie von einem Moment auf den anderen verschwunden ist. Denn niemand verrät einen Außenstehenden, was innerhalb solcher Organisationen geschieht. Da sich dieser Charlie allerdings bisher nicht gemeldet hat, ist zu vermuten, dass es ein Job der schweren Art ist. Sonst hätte er sie zumindest einmal angerufen. Scheint irgendetwas Wichtiges zu sein. Und aller Wahrscheinlichkeit nach, taucht er irgendwann einfach wieder auf. Wenn ich das so sagen darf.“
Gunnar runzelte die Stirn. Er hatte sich bisher aus der Unterhaltung heraus gehalten und nur zugehört. Alexa machte große Augen und in ihnen sah ich einen Anflug von Hohn und Genugtuung.
Ich bedankte mich höflich bei Henning und fragte ihn, ob es Sinn machen würde, dass er weiter sucht.
„Selbstverständlich könnte ich versuchen weitere Informationen einzuholen. Aber wie gesagt, es ist gefährlich. Wenn ich dann in etwa weiß, WO er sich aufhält, könnte ich auch dorthin reisen und ihn suchen, WENN ihnen das etwas nützt.“
Ich sah Gunnar an und zuckte mit den Schultern. Da ich nicht wusste, wie man in dieser Angelegenheit am besten weiter verfährt.
Der grinste. „Er ist einer deiner Freunde. Hier musst DU entscheiden. Nicht ich.“
„Ist es denn sinnvoll weiter zu suchen und gegebenenfalls sogar eine Reise zu wagen?“, wendete ich mich noch einmal an Henning.
Der schüttelte mit dem Kopf. „Erfahrungsgemäß würde ich sagen, er kommt in einiger Zeit so wie so zurück. Vielleicht warten sie einfach mal ab. Und sollte er wider Erwarten verschwunden bleiben, wäre ich selbstverständlich bereit weiter zu suchen.“
„Gut“ Diese Entscheidung traf ich schnell und ebenso die Nächste. „Ich warte noch eine Zeit lang ab. Jedoch wollte ich sie noch etwas fragen.“
NUN hatte ich die ungeteilte Aufmerksamkeit von jedem am Tisch.
Henning lächelte mich an. „Fragen sie nur, was immer sie wollen.“
„Hätten sie Interesse an einem Job hier im Zentrum? Es gibt bereits zwei Detektive. Sie wären Nummer drei.“
Henning war überrascht. „OH! Ich weiß nicht recht. Was gibt es denn hier zu tun? Die Katzen und Hunde der reichen Ladys wieder zu finden?“
„Möglicherweise gälte ihr Interesse eher einer Mitgliedschaft in unserem Sicherheitsteam. Ich suche immer gute Leute. Was denken sie darüber?“
Henning schien geschmeichelt. Offenbar wusste er um unseren guten Ruf als Arbeitgeber.
„Keine Gelegenheitsjobs mehr. Sondern ein festes Einkommen.“, setzte ich nach, um ihn mein Angebot zu versüßen.
Gunnar zog die Brauen hoch und war offensichtlich nicht wirklich mit meiner Offerte einverstanden. Er sagte jedoch nichts.
Henning strich sich übers Kinn. „Nun gut. Ich werde es mir überlegen und dann rufe ich sie an. Einverstanden?“
Ich nickte.