Es war nicht
angenehm für mich dieses Kindchen Keshia im Büro um mich zu sehen, wo ich doch
wusste, dass Gunnar noch am Tag zuvor in ihr war.
Sie selbst
verhielt sich recht unterwürfig. Der Blick zumeist gesenkt. Kuschte fast. War
es ihr etwa peinlich? Oder was?
Selbstredend
würde ich auf Grund dessen NIEMALS eine Szene vollführen, indem ich sie
daraufhin anspreche und womöglich noch beschimpfe. Dergleichen liegt mir fern
wie das nächste Universum. Ohnehin nehme ich an, dass Gunnar der treibende Part
der Beziehung ist.
Und wenn ich
noch sehe, wie sie lächelnd mit ihm spricht, könnte ich dazwischen fahren.
Verdammt!
Aber diese Genugtuung
werde ich niemanden verschaffen. Denn auch Kate würde es sicherlich über die
Maßen amüsieren, mich entgleisen zu sehen. Bei Casandra Fish könnte ich mir
ähnliches denken. Sie meint ohnehin, und verhält sich gleichwohl in diesem
Sinn, sie sei die Königin. Selbst jetzt, bei dieser Witterung, stets aufreizend
angezogen. Und der Blick verrät so einiges. Dreist und frech. Die Männer mit
den Augen verschlingend. (Mimik und Gestik, wie eine
läufige Hündin!) Und dies muss ich täglich
sehen und ertragen.
„Vertraue mir
doch mal.“, sagte Gunnar dann immer zu mir, wenn ich auf seine Affären zu sprechen komme. „Ich liebe dich
doch und gebe mir alle Mühe, das so weit wie möglich einzudämmen. Niemals würde
ich dich verlassen und ich bitte dich es auch nicht mit mir zu tun. Wir gehören
doch zusammen. Das weißt du doch.“ Zumeist führt er dann noch die Reihenfolge,
die Rangordnung seiner bevorzugten Damen an. Wo ICH selbstverständlich an der
Spitze stehe. Zumindest sagt er MIR das und ich glaube ihm sogar. Und genau DAS
ist es, was mich eigenartiger Weise von einem festen Verbund mit,
beispielsweise, Derek abhält. Denn ER ist ebenso KEIN unbeschriebenes Blatt wie
ich nun weiß. Oder er mir sogar noch gestand. Aus Ehrlichkeit, wie er sagt. Und
was weiß ich schon, sollte ich es mit ihm tatsächlich wagen, ob er sich nicht
in fünf Jahren in eine andere verliebt und mich dann fallen lässt. DAS ist für mich
der ausschlaggebenden, der springende Punkt, warum ich Gunnar nicht den Rücken
kehre.
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Es gab jede
Menge Arbeit heute. Gunnar und ich waren am Vormittag im Zentrum unterwegs.
Andauernd läutete sein Handy. Er war genervt von Alexas Anrufen, die wissen
wollte, wann er endlich kommt. Und dann zum Lunch, saß sie mit an unserem Tisch,
samt Kind. Was wollte ich sagen? Nichts. Ich ignorierte sie, so gut ich es eben
vermochte und hielt meinen Zorn in Grenzen. Er schadet mir nur.
Letztendlich
gesellte sich noch Henning Baumann zu uns. Der mir wegen Alexa nicht wirklich
willkommen war. SIE hatte damit NICHTS zu tun und musste darüber NICHTS wissen.
Allerdings wäre es gleichwohl nicht angebracht gewesen, ausschließlich in
Deutsch zu reden, was mein erster Gedanke war. Welchen ich jedoch nicht
auszusprechen wagte. Gunnar hätte dann wer weiß was gedacht, wenn er nicht
alles vollständig verstanden hätte. Bei Alexa wäre es mir so wie so egal
gewesen. Denn genau DAS war eigentlich das Ziel. Jedoch schickte es sich nicht,
sie aus der Unterhaltung auszusperren (wenn sie schon einmal mit uns am Tisch saß). Infolgedessen hörte sie bedauerlicher
Weise mit.
„Es ist
schwierig in der Biker Szene Infos einzuholen. Wenn nicht sogar gefährlich. Die
denken, man führt etwas im Schilde.“, begann Henning seinen Bericht.
„Was haben sie
denn nun erfahren?“, fragte ich ungeduldig.
„In jedem Fall
ist er außer Landes.“
„Und
das bedeutet wo?“
„Kann ich noch
nicht genau sagen. Wahrscheinlich sogar in Amerika.“
„Was in aller Welt
macht er dort? Hätte er mir das nicht schlicht und einfach sagen, oder
zumindest eine einzige Nachricht senden können?“
„Ich vermute er
hat sie in Bezug auf die Zugehörigkeit zum Club belogen. Er ist nicht
ausgestiegen. Gehört noch immer dazu. Denn genau das war meine Spur.“
„Ja und? Hätte
er mir DAS nicht einfach sagen können?“
„Nein. So
einfach ist das nicht. Ich denke, er ist einer von denen, die für die Szene undercover
Jobs erledigt und ansonsten den Anschein erwecken, als wäre sie nicht mehr
dabei. So wie die Schläfer. Braucht man ihn, wird er aktiv.“
Einen Augenblick
lang dachte ich nach und fragte dann, WAS für JOBS denn das wären.
„Kann ich ihnen
nicht im Detail sagen. Tut mir leid. Aber im Allgemeinen geht es um Drogen- und
Waffentransporte oder Prostitution. Es gibt auch spezielle Leute, die als
Killer fungieren.“
„NEIN! Das kann
nicht sein. Geht es denn wirklich nur um kriminelle Machenschaften?“
„Zum größten
Teil schon. Aber natürlich gibt es auch weniger gefährliche oder kriminelle Erledigungen
für das Chapter.“
„Zum Beispiel?“
„Schutz.
Organisation, Beaufsichtigung von Transaktionen etc. Und bevor sie fragen, ich
werde es nicht erfahren, warum dieser Charlie von einem Moment auf den anderen
verschwunden ist. Denn niemand verrät einen Außenstehenden, was innerhalb
solcher Organisationen geschieht. Da sich dieser Charlie allerdings bisher
nicht gemeldet hat, ist zu vermuten, dass es ein Job der schweren Art ist. Sonst
hätte er sie zumindest einmal angerufen. Scheint irgendetwas Wichtiges zu sein.
Und aller Wahrscheinlichkeit nach, taucht er irgendwann einfach wieder auf.
Wenn ich das so sagen darf.“
Gunnar runzelte
die Stirn. Er hatte sich bisher aus der Unterhaltung heraus gehalten und nur
zugehört. Alexa machte große Augen und in ihnen sah ich einen Anflug von Hohn
und Genugtuung.
Ich bedankte mich
höflich bei Henning und fragte ihn, ob es Sinn machen würde, dass er weiter sucht.
„Selbstverständlich
könnte ich versuchen weitere Informationen einzuholen. Aber wie gesagt, es ist
gefährlich. Wenn ich dann in etwa weiß, WO er sich aufhält, könnte ich auch dorthin reisen und ihn suchen, WENN ihnen das etwas nützt.“
Ich sah Gunnar
an und zuckte mit den Schultern. Da ich nicht wusste, wie man in dieser Angelegenheit
am besten weiter verfährt.
Der grinste. „Er
ist einer deiner Freunde. Hier musst DU entscheiden. Nicht ich.“
„Ist es denn
sinnvoll weiter zu suchen und gegebenenfalls sogar eine Reise zu wagen?“,
wendete ich mich noch einmal an Henning.
Der schüttelte
mit dem Kopf. „Erfahrungsgemäß würde ich sagen, er kommt in einiger Zeit so wie
so zurück. Vielleicht warten sie einfach mal ab. Und sollte er wider Erwarten
verschwunden bleiben, wäre ich selbstverständlich bereit weiter zu suchen.“
„Gut“ Diese
Entscheidung traf ich schnell und ebenso die Nächste. „Ich warte noch eine Zeit
lang ab. Jedoch wollte ich sie noch etwas fragen.“
NUN hatte ich
die ungeteilte Aufmerksamkeit von jedem am Tisch.
Henning lächelte
mich an. „Fragen sie nur, was immer sie wollen.“
„Hätten sie
Interesse an einem Job hier im Zentrum? Es gibt bereits zwei Detektive. Sie
wären Nummer drei.“
Henning war überrascht.
„OH! Ich weiß nicht recht. Was gibt es denn hier zu tun? Die Katzen und Hunde
der reichen Ladys wieder zu finden?“
„Möglicherweise
gälte ihr Interesse eher einer Mitgliedschaft in unserem Sicherheitsteam. Ich
suche immer gute Leute. Was denken sie darüber?“
Henning schien
geschmeichelt. Offenbar wusste er um unseren guten Ruf als Arbeitgeber.
„Keine
Gelegenheitsjobs mehr. Sondern ein festes Einkommen.“, setzte ich nach, um ihn
mein Angebot zu versüßen.
Gunnar zog die
Brauen hoch und war offensichtlich nicht wirklich mit meiner Offerte einverstanden.
Er sagte jedoch nichts.
Henning strich
sich übers Kinn. „Nun gut. Ich werde es mir überlegen und dann rufe ich sie
an. Einverstanden?“
Ich nickte.