Sonntag, 21. April 2013

Das Blatt wendet sich erneut



Da war so ein Gefühl. Ein beständiges Gefühl der Eifersucht, und eine Vorahnung.
Zweifelsohne ist mein Ehemann eine attraktive Erscheinung. Ich sehe und spüre die gierigen Blicke der Frauen, gleichgültig wo immer wir uns befinden. Zudem steht ihm der Anzug des Geschäftsinhabers außerordentlich gut zu Gesicht. Was ihn aller Wahrscheinlichkeit nach noch reizvoller erscheinen lässt. Macht und Geld sind für viele Frauen oft unwiderstehlich. Überdies noch sein Charme.
Was lamentiere ich? Ein „Hässlicher“ wäre ohnehin nie in Frage gekommen.
Jedoch die Bilder seiner Neigungen, das Videos mit Siv und ihren Schwestern und die bloße Vorstellung, dass dies jeder Zeit erneut geschehen könnte, durchstreifen die Windungen meines Hirns. Beißen sich in ihnen fest. Martern mich.
Wenn Gunnar meine Gedanken liest lacht er. Dann wird er ernst. „Es ist sinnlose Zeitverschwendung und zudem noch unbegründet. Selbst wenn sich die Bilder in deinem Kopf erneut zu Realität wandeln würden, ändert es nichts daran, dass ich dich liebe. Du weißt allerdings ebenso, und das aus eigener Erfahrung, wie „Selbstläufer“ funktionieren.“
Was mich nun genau genommen beruhigen sollte. Tat es jedoch nicht.
Diese Worte waren mir nur zu bekannt von meinem spanischen Macho und beinahe-Ehemann. Ich war mir so sicher gewesen, sie von Gunnar nie hören zu müssen. Seine Äußerungen bestätigten dies stets. Und nun DAS.
Andererseits denke ich, dass Gunnar zuweilen ebenso Eifersucht verspürt. Nur bringt er sie nicht im gleichen Maße zum Ausdruck wie ich es tue. Er redet nicht viel und denkt vermutlich kaum darüber nach. Lässt sich nicht von ihr dominieren.
Was veranlasst mich also dazu? Bin ich zu Besitz ergreifend? Ängstigt mich die Vorstellung verlassen zu werden? Allein zu sein? Und da ist das erneute Gefühl „nicht zu genügen“.

Zu alledem kam es zu einer heftigen Diskussion zwischen Erik und Gunnar, welche ich vom Fenster aus beobachtete. Worum es ging, sollte ich alsbald erfahren.
Erik war nun wahrlich nicht der Mensch, welcher sich zu geschwind erboste. Jedoch schien er sich tatsächlich über Gunnar zu ärgern.
Da Gunnar offensichtlich nicht daran dachte mich über den Inhalt des Gespräches mit Erik in Kenntnis zu setzen, fragte ich ihn gerade heraus.
Er wandt sich in Ausflüchten. War mürrisch und es schien ihm peinlich zu sein. Ein Gunnar, wie ich ihn gewissermaßen nicht kannte. Ich ließ ihm keine Ruhe. Fragte beständig weiter.
„Du wirst es so wie so erfahren.“, sagte er schließlich.
„Was erfahren?“
„Ich werde am Sonntag zum Fußball nach Stockholm fahren. Es geht gegen Örebro.“
Es brauche eine kurze Weile, bis seine Worte mein Gehirn erreichten. Jedoch sollte dergleichen Erstaunen nicht das Letzte an diesem Tag sein.
„Ich dachte du wolltest bei mir bleiben?“,  fragte ich ent-geistert.
„Es ist doch nur ein Fußballspiel, und dauert lediglich ein paar Stunden. Du wirst es ohnehin nicht bemerken. Bis du am Abend dein Notebook schließt, bin ich zurück.“ Er zwinkerte mir mit Nachdruck zu. „Zudem wollte ich dich noch etwas fragen.“ Gunnar schaute mich verlegen an.
„Was?“
Er sah zu seinem Onkel, der sich abwandte und ging. Dann sah er zu mir.
„Vielleicht könntest du mir ein wenig Geld leihen?“ Sein Blick war auf den Boden geheftet.
„Geld? Wofür?“ Ich dachte dabei an eine paar tausend Kronen, die er gegebenenfalls für sich selbst brauchen würde. Kein Problem.
„Zur Unterstützung unseres Fußballclubs.“
Ich schluckte. Räusperte mich. Schnappte nach Luft. Wenn ich alles erwartet hätte. Dies jedoch nicht! 
„Wofür noch mal? Für dein favorisiertes Fußball Team?“ Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. „Genau genommen dachte ich Druiden, Okkultisten und Magier hätten dem weltlichen Leben abgeschworen.“, suchte ich meine Unsicherheit zu verbergen und flüchtete mich in eine unüberlegte  Bemerkung.
„Was DU meinst, sind Eremiten.“, entgegnete er kleinlaut.
„Willst du mich verspotten?“, wurde ich nur noch zorniger. „Jedes Mal wenn ich annehme es ist alles gut zwischen uns, ich meinen Frieden gefunden habe und denke, dich so akzeptieren zu können wie du bist, kommen weitere mir missfallende Eigenschaften oder Hobbys hinzu. Was kommt als nächstes?“
Gunnar scharrte befangen mit den Füßen. „Es ist doch nur ein Fußballspiel.“ Ein kurzer Blick traf mich. „Andere Männer fragen nicht. Sie gehen einfach.“ Er kniff die Augen zusammen und sah mir verschämt entgegen.
„Du bist nicht andere Männer, und willst obendrein noch Geld.“ Ich schnaufte erneut.
„Es sind deine Brüder. Nicht wahr? Sie rufen und du springst. Zu alledem wagst du es obendrein mich um Geld zu betteln.“
„Es ist schon schwer genug dich danach zu fragen.“ Gunnar strich sich mit der Hand über sein Kinn und kaute aufgeregt auf seiner Lippe.
„Noch keiner meiner Männer ersuchte bei mir um Geld.“
„Es ist nicht für mich.“, kam die schnelle und etwas zögerliche Antwort, welche ich überhörte.
„Flehte für dergleichen nutzlose, Männlichkeitsverherrlichende Konkurrenz- und Gewinnspiele. Mit einem einzigen Handstreich zerstörst du alles, was du dir so mühevoll aufbautest. Wie tief willst du eigentlich noch sinken um deiner Brüder Willen?“, schrie ich ihn an.
Aus dem Augenwinkel sah ich Erik vor der Tür unruhig hin und her laufen. Der vorausgehenden Diskussion mit ihm konnte ich nun entnehmen, dass auch er nicht mit Gunnars Meinung oder Tun einverstanden gewesen war.
Gunnar schnaufte. Drehte sich um und ging nach draußen.
Ich hatte Rachegedanken. Furchtbare Rachegedanken in diesem Augenblick. Am aller liebsten wäre ich umgehend in ein Flugzeug gestiegen und nach Berlin, Los Angeles oder New Orleans gereist. Hatte ich nicht erst vor kurzem meine „Optionen“ mit Troels erörtert? Nun, welche könnte ich wählen?

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KEINE.


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Am Ende gab ich auf und nach. Um des lieben Friedens Willen. Ignorierte was es zu ignorieren gab. Es ist schließlich „nur“ ein Fußballspiel. Redete ich mir ein und überreichte ihm den unterschriebenen Scheck. Setzte die Maske des Lächelns auf und fickte sogar noch mit ihm.
Warum auch nicht?  Spaß muss sein.
Weswegen sollte ich mir und ihm den Tag verderben? Zumal er sich beständig bei mir entschuldigte und mich bat nicht böse zu sein. Mein armer Ehemann. Ich hatte selbstredend Verständnis und Mitgefühl.
Alles andere wäre sinnlos vertane Zeit.