Freitag, 5. April 2013

(K)Ein Zufall?



Erik kam bei uns vorbei. Nahm Gunnar beiseite und mit sich nach draußen auf einen Sparziergang. Von weitem sah ich die beiden heftig debattieren. Gunnar scheint mir  nicht wirklich von seinem Trip nach New York und seinen Karriereplänen (zu meinen Gunsten) abzulassen zu wollen. Fällt ihm die Entscheidung in der Tat so schwer? Ohnehin müsste er sich rasch entscheiden. Denn Sonntag wäre bereits der Abreisetermin.
Selbstredend vermag ich nachzuvollziehen, das es überaus verlockend sein kann ein Model oder Schauspieler zu sein und von allen bewundert zu werden.
Ich kann gleichermaßen verstehen, dass er in den sich ihm öffnenden Wegen eine Chance sieht, sich zu verwirklichen. Was in der Tat nicht abwegig ist.
Ebenso dachte ich daran, dass beides möglich wäre. Ich und seine Karriere. Jedoch ist mir Ian in diesem Fall ein vorzügliches Beispiel, dass es nicht so ist und nicht so sein kann.

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Gunnar hatte sich um mich gesorgt.
Es betraf meine Bedürfnisse, insbesondere des vergangenen Sexes wegen. Es hatte ihm offensichtlich Unbehagen bereitet, mich nicht zufrieden gestellt zu haben.
Das kuriose hingegen ist, dass ich das Selbe dachte.
„Was denkst du nur?“ Gunnar stand direkt vor mir und hatte seine Hände um meine Hüften gelegt. „Es lag an mir. Nicht an dir. Ich war mit meinen Gedanken woanders.“
„Und wo?“, fragte ich.
Er räusperte sich. „Na du weißt schon.“
Seine Worte, Gestik und Mimik verrieten mir, dass er darüber (jetzt? mit mir?) nicht reden wollte. Alsdann beließ ich es schlicht und einfach dabei. Bohrte nicht weiter nach. Nahm stattdessen mein Notebook und surfte ins Netz mit zu viel Junk Food und einen Kaffee Latte nach dem anderen.
Gunnar monierte es nicht wie immer. Ermahnte mich einzig meine wenigen Körperübungen nicht zu vernachlässigen und ging nach dem gemeinsamen Abendessen aus dem Haus, ohne mich weiter darüber in Kenntnis zu setzen wohin.
Anfangs dachte ich er sei bei seiner Mutter. Oder Erik. Möglicherweise hatte er beschlossen auf einem Spaziergang mit sich ins Reine zu kommen und Klarheit zu erlangen. Die Klarheit, die er brauchte um eine Entscheidung zu treffen, die er offensichtlich noch immer nicht getroffen hatte.
Im Netzt bemerkte ich nicht wie die Stunden schwanden. Ausschließlich meine tränenden Augen sagten mir, dass Stunden vergangen sein mussten. Gunnar war bislang nicht zurückgekommen.
Ich schaltete den Fernseher ein und rief Christine an, um zu fragen, ob Gunnar bei ihr sei. Sie verneinte. Nun gut. Gunnar war erwachsen. Warum sollte ich ihm mißtrauen?

Ich kann nicht wirklich mit Bestimmtheit sagen wie viel Zeit vergangen war als Gunnar zurückkam. Denn ich war eingeschlafen und dann aufgeschreckt, durch das  Poltern an der Tür. Die Art wie er seine Jacke auf hing und seine Augen verrieten mir, dass er getrunken hatte. Er setzte sich neben mich, legte seinen Arm um meine Schulter und küsste mich.
„Phhuu!“, entfuhr es meinem Mund, denn meine Nase hatte einen tüchtigen Schwall an Alkohol eingeatmet. Woraufhin mich Gunnar erneut küsste.
Ich sah ihn nur fragend an.
„Ja. Ich habe getrunken. Ein Bier. Oder auch zwei.“
Ich löste mich aus seiner Umarmung und sah ihn vorwurfsvoll an. „EIN Bier oder zwei?“
Er griff nach meinem Arm und zog mich zu sich heran. „Okay. Es waren drei oder vier.“
„Und mit wem? Denn allein wirst du wohl kaum getrunken haben!“
„Ich war bei Chris, Paul und Taylor.“
„Drei der neuen Sicherheitsbeamten. Wie beruhigend!“, bemerkte ich.
Gunnar küsste mich erneut. „Sei nicht böse.“
„Sind SIE jetzt deine neuen Trinkkumpane? Hast Du die Party von Stockholm ins Zentrum verlegt?“
Gunnar holte einen tiefen und hörbaren Atemzug. „Nein. Bitte. Ich will nicht streiten.“
„Ich ebenso wenig.“
Der anschließende Duschgang war ein einziges Kabarett. Es kam mir vor, als hätte ich ein Kind anstatt eines Ehemann an meiner Seite. Was für ein infantiles Benehmen. Welch skurrile Situation!

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Trotz alledem absolvierte ich heute Morgen (auch ohne Gunnar) meine Übungen. Denn er gedachte liegen zu bleiben und weiter zu schlafen. Ich ließ ihn.
Ebenso ging ich ohne ihn zum Restaurant. Was jedoch zur Folge hatte, dass die „Beschützer“ aufgeteilt werden mussten. Zwei verblieben am Haus und Paul Bradley kam mit mir.
Auf dem Weg rief ich Troels an und fragte ihn, ob er mir nicht Gesellschaft leisten wolle.
Er kam und wir redeten über mich, meine Gesundheit und Gunnar. Jedoch zuvor hatte ich mich entschuldigt. „Verzeih. Wir hätten zusammen sein können.“, sagte ich zu ihm und bedauerte es tatsächlich in diesem Augenblick nicht bei ihm gewesen zu sein in den Tagen von Gunnars Abwesenheit.
„Es gibt nichts zu verzeihen.“, sagte er. „Du wolltest treu sein, und ich ließ dich.“
Stumm sah ich Troels eine Weile in die Augen und ein inneres Lächeln stieg in mir auf. Was für ein treuer und loyaler Freund er doch war.
Ich biss mir auf die Lippen. „Danke.“, sagte ich leise und just im selben Augenblick sah ich hinter Troels einen Mann am Eingang des Restaurants stehen, welcher mir sogleich  suspekt erschien.
Ich gab Troels ein Zeichen. „Unauffällig.“, hauchte ich ihm zu und blickte in die Richtung des Mannes.
„Stellen sie sich hinter mich.“, sagte ich beinahe unmerklich zu Paul Bradley, welcher die Situation ungemein rasch erfasste.
Ich sah Troels, wie er verhalten und höflich mit dem Mann zu sprechen versuchte. Der jedoch sah beständig in meine Richtung und reagierte nicht.
Jason Anekelea kam mit Frau und Kind zur Tür herein. Ich wartete ab, bis er ein Stück näher bei mir war und winkte ihn dann zu mir.
„Jason.“ Ich gab ihm ein Zeichen mit meiner Hand, dass er sich zu mir herunter beugen solle. „Bleiben sie bitte hier vor mir stehen und schicken sie ihre Frau samt Kind ein Stück beiseite.“ Hörte ich mich selbst in einem selbstsicheren Ton sprechen, welchen ich normalerweise nicht von mir kannte.
Jason sah mir kurz in die Augen und begriff sogleich, orientierte sich kurz und bedeutete seiner Frau sich derweil an einen Tisch weiter hinten zu setzen. Er postierte sich direkt vor meinem Tisch.
In der Zwischenzeit hatte Troels den Mann unauffällig mit nach draußen genommen, wo er auf ihn einredete. Eine heftige Diskussion war im Gange. Ryan kam glücklicherweise dazu. Es schien ein Handgemenge zu entstehen. William Holloway, ein zwei Meter Mann unseres Sicherheitsteams hatte sich ebenso dazugesellt, hielt den Mann fest und ich sah Troels seinen Körper abklopfen. Dann sah ich, wie er den Mantel des Mannes öffnete, welcher sich heftig zur Wehr setzte.
Meine Augen rotierten. Mein Körper war in höchster Alarmbereitschaft. Meine Stimme hatte bereits die Polizei via Handy verständigt, als ich sah, wie der Mann von Ryan zu Boden geworfen wurde.
Ich befahl Jason nach draußen zu gehen und Ryan zu sagen, dass er den Mann so unauffällig wie möglich zum Office bringen sollte. Die Polizei sei bereits verständigt. Er solle es dann mit denen klären und mir anschließend Bericht erstatten.
Christine kam eilends angerannt. Wir sprachen kurz. Gleichwohl über Gunnar und warum er nicht mit mir wie gewöhnlich frühstückte. Dass dies kein Zufall sein konnte. Man hatte möglicherweise Leute eingeschleust. Das es nur ein „Test“, eine Warnung  gewesen war, um unsere Stärken und Schwächen auszuloten.  

Das gesamte Geschehen ging überaus zügig und unauffällig vor sich. Schließlich sollten die Gäste nicht beunruhigt werden. Sich sicher fühlen.
Die Sicherheitsbeamten leisteten erfreulich gute Arbeit. Lediglich um Chris, Paul und Taylor sollte ich mich kümmern. Waren SIE die „Eingeschleusten“? Genau genommen hätte ich Verrat doch eher bei Cheveyo Kurik Kele oder Viktor Danilov erwartet. Welche ich, ihrem Aussehen nach viel mehr der Model-Branche zugeordnet hätte. Aus welcher nun schließlich die Gefahr droht.
Was weiß ich denn schon über deren Winkelzüge, Absichten, oder was uns nun noch bevorstehen wird.

Gunnar indes schlummerte währenddessen tief in Morpheus Armen und tut es noch. Was überaus ungewöhnlich ist.
Ein Vorfall, welcher dringlichst ausgewertet werden muss und zeigt, dass die zahlreichen Sicherheitsbeamten durchaus berechtigt sind und die Gefahr ernst zu nehmen ist. 

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Auf dem Weg zum Restaurant hatte ich kurz darüber nachgedacht, welche Möglichkeiten mir verblieben waren, sollte Gunnar doch nach New York fliegen.
Eine davon war Wanja. Die Andere, selbstverständlich Troels.
Gewissermaßen gäbe es allein im Zentrum unzählige Möglichkeiten. Nur hatte ich in keinster Weise die Absicht, mit NOCH einem Mann des Personals eine Affäre zu beginnen.
Jedoch dies, sollte derzeit meine kleinste Sorge sein.