Samstag, 27. April 2013

Die „Freitags-Frau“



Am Vormittag hatten wir die Zeit für einen kleinen, gemeinsamen Spaziergang zur Physiotherapie genutzt. Dann sah ich Gunnar bis zum Abend nicht mehr. Ich speiste allein und saß mit meinem Notebook bis er gegen sechs zurückkam, nur um mir zu sagen, dass er gleich anschließend zu seinen Brüder nach Stockholm fahren würde. Ich war wütend. Allerdings versprach er mir, sogleich am Samstagmittag zurück zu kommen und anschließend nicht mehr von meiner Seite zu weichen. „Sei nicht böse.“, bat er andauernd. „Wenn du magst, kannst du mit mir kommen.“ Und er wusste nur zu gut, dass ich dieser Aufforderung NICHT folgen würde. Es war eine „Floskel“. So schien es mir. Er wollte (in Ruhe) mit seinen Brüdern trinken, durch die Bars ziehen und wer weiß was sonst noch tun. Jedoch darüber wollte ich nicht nachdenken. Trotz alledem war ich zornig auf ihn.
Schlussendlich fuhr er los, kurz nachdem wir zu Abend gespeist hatten.
In Begleitung meiner Bodyguards ging ich zurück zum Haus und anschließend folgte ich einer Einladung Lisa Anakeleas, die sie kurz vorher im Restaurant ausgesprochen hatte. Auf dem Weg dorthin dachte ich an Kevin. Versuchte wieder und wieder ihn anzurufen. Erfolglos. Und im selben Augenblick kam mir der Gedanke diese Frau aus Deutschland, Anna Janowski, nach Kevin zu befragen. Also nahm ich einen kleinen Umweg und klopfte an ihre Tür.
Nichts. Ich klopfte erneut. Nichts.
Als ich mich bereits zum Gehen wandt, sah ich aus dem Augenwinkel, wie sich die Gardinen bewegten. Ich ging zum Fenster und klopfte dort gegen die Scheibe. Dann eine Silhouette. Bewegung. Zaghaft öffnete die blonde Frau das Fenster. „Ja“.
Ich entschuldigte meine Aufdringlichkeit und kam sogleich zur „Sache“. Sie räusperte sich, schluckte und wandt sich in Ausflüchten. „Entschuldigen sie. Es tut mir leid. Ich weiß von nichts.“, sagte sie und schloss  das Fester vor meiner Nase.
Okay. Dann nicht. Dachte ich. War jedoch einigermaßen verwundert über ihre Worte. Sie wüsste von „nichts“. Was bedeutete dieses „Nichts“?
Während ich über dieses „Nichts“ nachdachte, schlug ich den Weg zu Jason Anakeleas Hütte ein.
Ich war den gesamten Abend dort. Jedoch mit Sicherheit kein wirklich befriedigender Gast. Saß die meiste Zeit nur da und starrt teilnahmslos in die Luft. Dacht an Kevin, Gunnar und noch immer an dieses „Nichts“. Letztendlich fiel ich erneut Eifersuchtsgedanken anheim. Wollte am aller liebsten zu Gunnar fahren, um zu sehen, was er dort tat. Verwarf den Gedanken jedoch schlussendlich kapitulierend. Weil ich nicht wusste, wo ich hätte suchen sollen und mir dies alles zu beschwerlich gewesen wäre. Was ich einsehen musste.
Lisa warf mir ab und an einen besorgen Blick zu und kümmerte sich zwischendurch um ihr schreiendes Kind. In diesem Augenblick wurde mir erneut klar, dass ICH nie Kinder haben wollte.
Jason bemerkte indes von alledem nichts und schien sich ebenso wenig sonderlich für meine Anwesenheit zu interessieren. Er befand sich in einer anregenden Unterhaltung mit Mark Kekoa. Wie passend. Zwei Hawaiianer.
Vielleicht hätte ich doch besser zum Konzert des Geigers gehen sollen. So wirklich amüsant war der Abend nicht gewesen. Was nicht zuletzt an mir selbst lag.  Man war sich bedauerlicherweise nicht „näher“ gekommen. Was ich so ganz ins Geheim erhofft hatte. Wie schade.

So gegen zwölf, und ohne weiter darüber nachzudenken, gerade so, als wäre es das Normalster dieser Welt, verabschiedete ich mich und ging zu Troels. Sarah Sjögren begleitete mich als einziger Bodyguard. Weil ich fand, dass nicht mehr nötig waren.
„Darf ich sie etwas fragen?“, durchbrach sie das Schweigen, nachdem wir eine Weile nebeneinander her gegangen waren.
„Natürlich.“, antwortete ich.
„Wieso ER?“
„ER? Wer?“
„Troels.“
Ich musste schmunzeln. Sie sah zu mir herüber und lächelte ebenfalls.
„Ich mag ihn.“ Mehr fiel mir dazu nicht ein.
Sie lachte leicht und legte die Stirn in Falten, als könne sie nicht glauben, dass dies der einzige Grund wäre.
Ich verstand was sie sagen wollte. Zuckte mit den Schultern und verzog den Mund. „Was?“, fragte ich.
„Das ist alles?“
„Genau genommen. Ja.“
Sie schien nicht wirklich zufrieden mit meiner Antwort und stellte zaghaft eine intimere Frage. „Schlafen sie mit ihm?“
Ich musste lachen. „Ja. In seinem Bett. An seiner Seite. Aber nicht MIT ihm.“, log ich.
Sie kniff kurz die Augen zusammen und ich wusste, dass sie mir nicht glaubte. Gleichgültig. Der „Schein“ musste gewahrt werden. Ich konnte nicht vertrauensselig mit dem Personal dahin plaudern und Geheimnisse preisgeben, die besser unausgesprochen blieben. Das Personal mag reden. Dies tat es ohnehin beständig.


Troels hatte Gunnar wegfahren sehen und erwartete mich bereits. Genau genommen hatte er mich schon vor Stunden erwartet.
Ich war  tot müde von den Anstrengungen des Tages und mir war nach schlafen zu mute. Wir begaben uns sogleich zu Bett. Ich ließ mich erschöpft in Troels Arme sinken und meine Augen waren bereits geschlossen. Der Geist beinahe im Land der Träume, als sich Troels Hände um meine Taille legten. „Du magst nicht. Oder?“, fragte er leise.
„Ich bin müde.“, antwortete ich. Ließ jedoch dann schlussendlich zu, dass er behutsam und liebevoll in mich glitt, was ich durchaus NICHT bereute.

Troels witzelte noch bevor ich einschlief, dass ich nur freitags zu ihm käme. Mehr vermochte ich nicht mehr wahrzunehmen. Denn ich schlief alsdann rasch ein.
Heute Morgen begleitete er mich zum Haus und verabschiedete sich sogleich.
Gunnar meldete sich indes bis jetzt noch nicht. Allerdings erwarte ich ihn in der nächsten Stunde zurück. Er hat es mir schließlich versprochen.

Ich gab es auf, Kevin anrufen zu wollen. Wahrscheinlich hat Gunnar Recht und ich steigere mich erneut in eine Illusion hinein. Jedoch Anna Janowski, der Anruf und das Paket sind nicht zu leugnende Tatsachen.
Schon aus diesen drei Gründen würde ich am aller liebsten noch in diesem Moment nach Berlin fliegen, um zu sehen, ob Kevin möglicherweise doch noch lebt.
Allerdings wäre da noch das „Date“ mit den Weißkitteln, in der kommenden Woche, was mir auf der Seele brennt, und ich wünschte, es läge bereits hinter mir.