Freitag, 26. April 2013

Ein neues Mysterium



Natürlich vermochte ich vor Gunnar meine Gedanken des mysteriösen Anrufs wegen nicht zu verbergen. Dieser Anruf versetzte mich in helle Aufregung. Zahlreiche Rückrufe ergaben jedoch nichts. Niemand nahm ab. Es läutete lediglich.
Der Gedanke, dass Kevin noch am Leben sein k-ö-n-n-t-e, weicht nicht mehr aus meinem Kopf. Ich bin geradezu besessen davon. Zudem würde alle Schuld von mir abfallen. Sollte er tatsächlich noch leben.
„Das ist unmöglich. Das weißt Du hoffentlich. Gibt dich keinen Illusionen hin..“ Gunnar verzog das Gesicht. „Natürlich vermögen die Geister der Verstorbenen per Telefon die Lebenden zu erreichen.“, sagte er Augen zwinkernd und wartete auf eine Reaktion von mir.
Nun verzog ich das Gesicht. „Damit macht man keine Späße! Du glaubst mir nicht. Oder?“
Gunnar atmete tief durch. Die Thematik missfiel ihm sichtlich und er schien damit so schnell als möglich zu Ende kommen zu wollen. „Vielleicht wurde das Handy verkauft und jemand fand deine Nummer.“, wollte er mich glauben machen. Zudem bemerkte ich, dass er den Namen, „Kevin“, vermiet.
Es scheint ihn zu beunruhigen, wäre Kevin womöglich doch noch am Leben. Mit Gestik, Mimik und Worten versucht er es herunter zu spielen. Mir auszureden und mich auf andere Gedanken zu bringen.
Gunnar war erneut bis zum Abend unterwegs gewesen. Es handelte sich, wie er sagte,  um Gerichtsahngelegenheiten, Personalfragen und Warentransporte, denen er nachgehen musste. Bei Kurt scheint er ebenso gewesen zu sein. Dieses Mal begleitete ich ihn nicht und verbrachte meine Zeit mit Kaffee Latte und  Notebook. Und nein, ich ging nicht zu Troels. Obgleich es mir in den Sinn gekommen war.

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Die Post brachte mir die nächste Überraschung. Ein Paket. Für mich.


Nun. An und für sich nichts Ungewöhnliches. Jedoch der Inhalt war von mir nirgendwo geordert. Es war eine Suppenterrine. Genau DIE antike Suppenterrine, die ich damals in Kevins Elternhaus sah und so beiläufig bewundert hatte. Alldieweil sie mich an meine Urgroßmutter erinnerte. Offensichtlich ging bedauerlicherweise der Deckel während des Transportes zu Bruch. Wie überaus schade!
Wer???, in der Götter Namen schickt mir das? Niemand anderes als Kevin hatte meine Bemerkung damals vernommen. Ohnehin hatte ich dies alles schon längst vergessen. Vergessen wollen. Weil es zu schmerzlich gewesen war fortwährend daran zu denken. Obendrein erinnerte mich schon der Geruch von frischem Kaffee an jeden einzelnen Morgen zur Genüge an meinen bildschönen Kevin. Das ist genug des Schmerzes. Welchen ich zu vergessen suche, und es beinahe vollbracht hatte.

Meine sich um Kevin drehenden Gedanken wurden von dem Klang des iPhones unterbrochen. Zügig wischte ich über die Oberfläche in der Hoffnung Kevins Stimme zu hören. Es war Wanja. (Wie ernüchternd!) Mit ein wenig Sarkasmus in der Stimme berichtete er mir, dass er einen Verkehrsunfall zum Opfer gefallen sei. Sich ein Bein gebrochen hätte und nun im Krankenhaus läge. Seiner Mutter ginge es gleichermaßen nicht sonderlich gut. Man befürchte, dass sie nicht mehr lange zu leben habe. Was nun bedeutete, dass er vorläufig in seiner Heimat verblieb. „Ein Aufschub für uns.“, sagte er zynisch. „Verabschiede dich besser schon von deinem Ehemann. Wenn ich genesen bin, komme ich dich holen.“, tönte er bissig.
War das eine Drohung? Wieso diese Vehemenz?
„Nein.“, sagte ich leise.
„Nein. Was?“, fragte er.
„N-E-I-N!“, wurde ich lauter. „Unsere Beziehung ist bereits seit Jahren beendet. Wir hatten festgestellt, dass wir nicht wirklich zusammen passen. Da gibt es nichts mehr aufzufrischen!“, wurde ich mutiger und legte schlicht und einfach auf. Alldieweil sich meine Gedanken ganz woanders tummelten.

Was jedoch in keinster Weise bedeutet, dass ich meinen Ehemann nicht mehr zu genießen vermag. Ich schlief in seinen Armen und kuschelte mich an seinen Körper, während der volle Mond mir ins Gesicht schien.
„Darf ich?“, fragte Gunnar heute Morgen. Ich fühlte seine warme Hand auf meine Wange, die mich streichelte. Er lächelte mich an, ich nickte und im nächsten Augenblick schwang er sich über mich und schmiegte sich an meinen Rücken. Sogar die Gleitcreme vergaß er nicht. Schließlich war ich unvorbereitet und es hätte mich schmerzen können. Behutsam drang er in mich ein. Kam jedoch zügig zum Ende.
Ich dachte an Maries Worte. Sie hatte Recht. Gunnar konnte so überaus einfühlsam und zärtlich sein. Kein Wunder also, dass sie begeistert von ihm war.
Gleichwohl mich der Sex am heutigen Morgen nicht wirklich befriedigte fühlte es sich gut an. Er hinterließ ein gewisses Wohlbehagen. Eine Zufriedenheit mit dem, wie es nun einmal ist und verscheuchte zum überwiegenden Teil meine Gedanken an Kevin. Was vermutlich ein Stück  Absicht dahinter gewesen war. Gleichgültig.
Der Himmel ist leicht bewölkt. Die Sonne wärmt das Land. Ein kurzer Spaziergang könnte nicht schaden. Und ja, ich werde um einiger Worte Willen Troels ebenso aufsuchen wie Christine im Office, um mich über den aktuellen Stand aller Dinge informieren zu lassen.


Rea new’s
- Diesen überaus attraktiven, jungen Musiker sah ich heute Morgen am See joggen.
- Man ermunterte mich erneut zum Karten spielen. Das ist durchaus nett gemeint. Jedoch wäre ich im Augenblick sicherlich keine gute Gesellschafterin.
- Das porzellanerne Model strapaziert meine Geduld. Sie ist der „Dorn in meinem Auge“. Alldieweil ich mich des Eindrucks nicht zu erwehren vermag, dass sie beständig Gunnars Gegenwart sucht. Überdies scheint sie mir an Schönheit (beinahe) ebenbürtig, und ihre Jugend übertrifft die Meine.
- Jason Anakelea. Ein fortwährendes Thema. Und einer „kleinen Sünde“ wert. Was mich überdenken lässt, welch anderer aus unserem Sicherheitsteam mir durchaus ebenso sympathisch wäre. Eine aufreizende Gedankenspielerei für den heutigen Tag, über welche ich gegebenenfalls im nächsten Post berichten werde.