Mittwoch, 8. Mai 2013

Eifersucht?



Gunnar sah ich beinahe den gesamten gestrigen Tag nicht. Er kam erst gegen drei von Stockholm zurück. Begrüßte mich kurz und begab sich sogleich auf den Weg zu seiner Mutter. Anschließend wolle er noch eine Runde joggen und schwimmen gehen. „Wir treffen uns dann gegen sieben im Restaurant.“, sagte er und ging.
Ich hatte mich, selbstredend, am Vormittag mit meinem Notebook beschäftig. Das Dinner mit Mary, Christine und Thomas im Restaurant eingenommen, und war dann mit Mary zurück zum Haus gegangen. Sie erzählte mir Geschichten ihres Stammes  und brachte mir einige Worte Lakota bei. Ich war erleichtert, dass sie mir keine Fragen stellte.
Ich musste an Kevin denken. Denn am Morgen war erneut ein Päckchen aus Deutschland mit Porzellan für mich angekommen. Zwei Teller. Siehe Foto. 
Würde ich doch nur den Mut finden, um nach Berlin zu reisen und Kevin zu suchen. Ich bin mir beinahe sicher, dass er tatsächlich noch lebt. (Hoffnung!)
Gunnar ging mir ebenso nicht aus dem Kopf. War er wirklich bei seiner Mutter? Joggen? Schwimmen? Oder vergnügte er sich mit dieser Elena in seinem Spielzimmer?
Ich stand unvermittelt auf und ließ Mary schlicht und einfach sitzen. Zog mir Schuhe und Jacke über und ging zum Office. Dort traf ich Christine, die mir bestätigte, dass Gunnar eine Zeit lang bei ihr gewesen war.
„Er sagte er wolle schwimmen gehen.“
„Ja. Ich weiß.“
Zurück zum Haus oder Mary wollte ich nicht. Um ins Restaurant zu gehen, war es zu früh. Ich stand im Flur vor dem Office und blickte zur Tür, die in das obere Stockwerk und Gunnars Spielzimmer führte. Sollte ich dem Impuls folgen und nach oben gehen?
Ich tat es, und fand NICHTS.
Da war niemand. Die Tür war verschlossen. Keine Geräusche. Nichts.
Alsdann ging ich nach draußen und schlug vorerst den Weg zu Troels ein.
„Ich wollte mich nur vergewissern, dass mein Geschenk angekommen ist.“, war meine durchschaubare Ausrede. Jedoch zuvor hatte ich die Hütte von Elena ins Auge gefasst. Es war mir der Gedanke gekommen Gunnar könnte möglicherweise dort sein. Nur, wie hätte ich das herausfinden können? Durch die Fenster spähen wie ein Einbrecher? An der Tür klopfen? Und was dann?
Nein. Ich war zu feige. Wagte es nicht.

Am aller liebsten hätte ich mit Troels gefickt. Gleichwohl es ein „Rache-Fick“ gewesen wäre. Was Troels mit Nichten verdient.
Wir redeten, sahen fern und ich gestand ihm meine Gedanken bezüglich dieser Elena. Er stellte es sich bildhaft vor, wie ich um die Häuser schlich und heimlich durch die geschlossen Fensterscheiben starrte.
„Das tust du doch nicht wirklich. Oder?“
„Ich weiß. Es wäre erniedrigend, wenn man mich dabei sähe. Die Chefin spioniert ihrem Mann hinterher, würde man sagen.“ Ich verzog das Gesicht. „Besteht indes nicht ausrechender Tatverdacht?“
„Gewiss. Mag sein.“
Ich nahm Troels Hand, stand auf und zog ihn in Richtung seines Zimmers. „Komm!“, bat ich ihn. Machte einen Schmollmund, legte meinen Kopf ein wenig schief und mein Haar um seinen Hals.
„Nein.“, wehrte er sich. „Nicht jetzt.“
„Du hast eine andere. Gib es zu?“, witzelte ich.
Troels schmunzelte und schüttelte den Kopf.
„Diese Kellnerin. Ich weiß es. Sie macht dir Avancen. Nicht wahr?“
„Jetzt ist es aber genug!“, rief er aus, zog mich zu sich und schloss mich in seine Arme. Seine Hände streichelten meinen Rücken und er küsste mich auf die Stirn. Auf die Wange. Auf den Mund. Dann sah er mich lächelnd an. „Wie kommst du nur darauf? Warum sollte ich das tun? Wenn ich eine so bezaubernde Frau wie dich haben kann Rea, bedarf es keiner anderen.“
„Du schmeichelst mir.“ Ich strich ihm verspielt mit dem Zeigefinger über die Lippen.
„Ein Berg voller Worte wären nicht genug, um deine Schönheit zu beschreiben.“
„Hmm. So poetisch?“ Meine Hand streifte „ganz zufällig“ seine Hose und ich spürte für einen Augenblick sein Glied. „Hhu!“ Mir wurde heiß.
Er schob mich einige Zentimeter von sich weg. „Lass es gut sein. Nicht jetzt. Hörst du?“
Sein Bruder Mads stand grinsend hinter uns und beobachtete das Schauspiel. Es machte mir nichts aus. Denn er hatte uns oftmals schmunzelnd dabei zugeschaut, wie wir uns küssten, und wusste „Bescheid“.

Am Ende blieb es beim Küssen und beim Fernsehen, und ich ging gegen sieben zum Restaurant, wo mich Gunnar bereits erwartete.
„Wo bist du gewesen? Du warst nicht im Haus.“
„Nein. Ich war bei Troels.“, antwortete ich freimütig.
„Warum?“ Gunnar sah mich zweifeln an und zog seine linke Augenbraue nach oben.
„Weil ich Lust dazu hatte. Mich mit ihm unterhalten wollte. Mary ist mir zu langweilig. Ich interessiere mich nicht für sie.“
„Aber für Troels?“
„Eifersüchtig?“, fragte ich und biss mir auf die Unterlippe.
„Hätte ich Grund?“ Gunnar sah mich prüfend an.
Mir war einigermaßen klar, dass er über alles Bescheid wusste. Jedoch hatte ich es nie zugegeben, dass es tatsächlich so war. Er hatte nicht darauf bestanden. Es nie gefordert.
„Hatten wir dies nicht bereits erörtert?“, sagte ich herausfordernd, als könne ich ihm in der Tat beweisen, dass da nicht war. Mit mir und Troels. „Und was ist mit dir und diesem Model?“, warf ich ihm entgegen.  Meine Augen fixierten ihn, um auch nur die kleinste Reaktion erkennen zu können.
Gunnar nahm in aller Seelenruhe seine Serviette und tupfte sich die Mundwinkel. „Ich dachte, damit sind wir ebenfalls durch.“
Er schien ebenso vehement darüber schweigen zu wollen. Folge dessen beließ ich es dabei.
Dessen ungeachtet quälte mich die Frage, ob er nicht doch am Nachmittag bei ihr gewesen war. Ich hatte so ein ungutes Gefühl in meinem Magen. Zwischen Gunnar und mir baute sich ein leichter Nebel des Misstrauens auf, der sich nur schwerlich auflösen wollte.

Während ich am Abend zum wiederholten Male an meinem Notebooks saß und Gunnar fernsah, erzählte er mir von Stockholm und dem „kurzen“ (?) Besuch bei Hjalmar. Er wolle mit seinen Brüdern am Donnerstag zum Fußball gehen.
„Wird dies nun zur festen Gewohnheit?“, konnte ich mir die Frage nicht verkneifen.
Gunnar räusperte sich nur. Antwortete jedoch nicht.
Am liebsten hätte ich ihm an den Kopf geworfen, dass ich ihn mit diesem Model ficken sah. Ich verscheuchte schleunigst meine Gedanken und vertiefte mich besser in Auktionen und Mails. Sah mir Fotos und einen Film an, anstatt sein albernes Sportprogramm.

Als wir zu Bett gingen kam Vertrauen und Liebe zu uns zurück.
Ich war erleichtert und schmiegte mich an den warmen Körper meines Ehemanns. War müde und erschöpft von den reichhaltigen Facetten des Tages und schlief sogleich ein.

Heute Morgen in aller Frühe, kam die Visite der Vampire.
Die Einen lechzen nach meinem Blut. Die Anderen nach meinem Geld.
Gunnar blieb bei mir. Hielt meine Hand. Anschließend frühstückten wir und im Augenblick wird er im Office sein. Denke ich zumindest.