Sonntag, 19. Mai 2013

Eine ganz andere Seite des Lebens


Gespräche während der „Observation“ vor Kevins Haus: (Wobei ich mir überaus wichtig und geheimnisvoll vorkam. Es war spannend, wie in einem gelebten Kriminalroman.)
Paul hatte vorgeschlagen zu warten, bis die Frau mit dem Kind aus dem Haus sei. Dann könne ich den Versuch wagen, an der Tür zu klingeln und abwarten, was geschieht.
„Paul, sie hätten Lust mich zu (ficken) küssen (milderte ich meinen Wortwahl ab). Nicht wahr?“ Ich hatte bemerkt, wie er mich wieder und wieder von der Seite her ansah. Mich „aus Versehen“, natürlich, ab und an berührte. Mit der Hand am Bein. Oder sein Körper, welcher dem Meinen sehr nahe kam, wenn er sich nach vorne beugte, um im Handschuhfach zu kramen.
„Hhu. Sie sind aber sehr direkt.“
Ich zuckte mit den Schultern. Sah ihn abwartend an.
„Ja. Natürlich“, sagte er ein wenig verlegen lächelnd. Er räusperte sich. „Und Jason?“, schien er mir von sich abzulenken.
„Was soll mit ihm sein?“
„Hat er es versucht? Heute Nacht.“
„Nein. Ich würde es ohnehin nicht tun. Gleichwohl nicht mit ihnen Paul.“ Ich grinste ihn an. Ohnehin hätte ich es nicht gekonnt. Meine Menses hatte sich (glücklicherweise) eingestellt. Um einige Tage zu spät. Woran die mir verabreichten Medikamente einen nicht unerheblichen Anteil hatten.
„Sie sind nicht SO wie man sich erzählt.“, sagte Paul und sah mich wohlwollend an.
„Was redet man denn so über mich?“ Nun war ich ein wenig verlegen. Aber gleichzeitig ebenso herausfordernd und neugierig.
Paul schmunzelte. „Zahlreiche unanständige Sachen.“
„Ahhh kommen sie Paul. Sagen sie es mir!“
„Man sagt ihnen nach, sie würden mit jeden ficken, der sich ihnen anbietet. Und Troels wäre ihr Liebhaber. Ryan behauptet ebenfalls ihnen bereits ziemlich Nahe gekommen zu sein.“
Ich schüttelte lachend mit dem Kopf. „Nur weil ich den Versuch wagte mit drei Männern gleichzeitig zu leben, ficke ich deshalb nicht gleich jeden. Ian, welchen sie noch kennen lernen werden, liebte ich wie niemand anderen. Jedoch seine Musik ist ihm wichtiger. Mit Frauen an sich, nimmt er es ebenso wenig genau. Besonders, wenn er betrunken ist. Kevin liebte ich ebenso. Er war ein witziger, lebenshungriger und überaus attraktiver Mann. ER ist der vorrangige Grund, warum wir hier sind. Ich erzählte ihnen bereits, dass man mir die Schuld an seinem Tod zuschob. Ryan. Denken sie tatsächlich ich würde mit ihm intim sein wollen? Nein. Nie und nimmer.“
Paul nickte. Wir mussten bei lachen.
„Sie sind weder eingebildet, noch unnahbar oder leicht zu haben.“ Sein anerkennender Blick streifte mich.
„Nun. Troels, ist in der Tat mein Liebhaber.“, sprach ich weiter.
Jetzt sah mich Paul beinahe entsetzt an.
„Was?“ Ich hob die Schulter und sah ihn fragend an. „Er ist ein wahrhaft ehrenvoller, ruhiger und sympathischer Mensch. Ein wahrer Freund noch obendrein. Zudem scheint er mich in der Tat ernsthaft zu lieben.“ Ich zwinkerte ihm kurz mit beiden Augen zu. „Und nun Paul, gehen sie uns etwas zu Essen besorgen. Während ich hier die Stellung halte.“

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Es verging Stunde um Stunde. Paul hatte schnellstmöglichst vom Fahrer eines Speiseservice zwei Portionen Großküchenessen organisiert, was kaum zu genießen war.  Gleichgültig.
Ich indes beschloss mit Gunnar zu sprechen. Was ich mir hätte ersparen können. Er wusste bereits wo ich war und was ich tat.
„Denkst du nicht, dass ich als Magier ohnehin über alles Bescheid weiß?“
„Ich dachte, du bist böse mit mir, weil ich eine so impulsive Entscheidung traf und ohne dein Wissen nach Berlin flog.“
„Es war unvermeidlich. Du willst Klarheit ob deiner Schuld oder Unschuld. Das ist verständlich.“
Gunnar überraschte mich.
„Es geht dir gut. Oder?“, fragte er beflissen, obwohl er sicherlich die Antwort bereits kannte.
„Ja. Es geht unerwarteter Weise ganz gut.“
„Hast du Kevin schon gefunden?“
„Nein. Aber ich arbeite daran.“
„Nun. Dann wünsche ich dir viel Erfolg.“
Ich staunte noch mehr.
„Ich dachte, du kommst erneut, um mich zurück zu holen?“, bemerkte ich zögerlich.
„Ich denke, dass brauche ich nicht. Du bist schließlich nicht gänzlich allein. Paul und Jason sind mit Sicherheit um dein Wohl besorgt. Ohnehin gibt es hier viel zu tun?“
„Zu tun?“, fragte ich verwundert. „Was gibt es denn zu tun?“
„Ich versprach dir Lösungen und hatte so einige Ideen, die ich gerade im Begriff bin umzusetzen.“
„Ist DAS die Überraschung von der du sprachst?“
„Nein.“
„Kannst du mir nicht sagen, um was es geht?“
„Nein. Dann wäre es keine Überraschung mehr.“
„Was ist mit Mary und Rodney?“
„Sie sind bei Erik.“
„Und du?“
„Genau genommen bin auch ich noch bei Erik. Komme nur tags über zum Zentrum, um hier Arbeit zu übernehmen.“
Am Ende stellte er noch einmal die unvermeidliche Frage, ob ich dem Geschehen, welchen ich mich aussetzte, gleichwohl gewachsen sei.
Wenn ich im Nachhinein dieses Gespräch mit Gunnar Revue passieren lasse, entdecke ich einige merkwürdige Ungereimtheiten.
Er war so ungewöhnlich ruhig und gefasst, ob meiner übereilten Abreise und unseres letzten Streitgespräches. Vor allem, was für „Lösungen“ hatte er gefunden, die er bereits „umsetzte“?
„Er wird alle anderen Weiber zum Teufel jagen, auf den Knien um Verzeihung bitten und ein Fest für ihre Rückkehr organisieren.“, sagte Paul lachend, mit welchem ich über mein Gespräch mit Gunnar geredet hatte.

Der erste Tag blieb ohne Erfolg.
Kevin Frau verließ das Haus nicht.

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„Möglicherweise wohnen sie nicht mehr dort? Wohnt überhaupt noch jemand dort? Ich sah niemanden.“, bemerkte ich, während wir am Abend zusammen saßen. Mehr beiläufig und für mich.
„Es muss jemand dort wohnen. Ich habe Bewegung hinter den Fenstern gesehen.“, sagte Paul, der sich eines Fernglases bedient hatte, um das Haus von Weitem zu observieren. „Wichtig ist, dass man sie nicht sieht Rea.“ Er nickte mir zu. „Morgen suchen wir uns einen anderen Wagen und einen anderen Platz. Es ist auffällig, wenn zwei Tage hintereinander ein fremder Wagen für Stunden an ein und der Selben Stelle parkt.“
„Ja. Sie haben Recht Paul.“
„Wann kommt mein Einsatz?“, fragte Jason.
„Ihr Job ist es, mich des Nachts zu schützen und abzusichern. Während sich Paul ausruht für den Tag. Wenn es ihnen langweilig ist, hätte ich in der Tat eine Beschäftigung für sie. Ich gebe ihnen ein Foto, zwei, drei Adressen. Sie suchen diesen Mann, beobachten ihn, und berichten mir dann.“
Jason grinste. „Hhuu. Das ist beinahe wie richtige Detektivarbeit. Gefällt mir.“
Solang Paul und ich uns um Kevin kümmerten, konnte Jason Ian betreffend die Vorarbeit leisten. Durchaus eine begrüßenswerte und effiziente Idee.

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- Ich sandte eine SMS an Wanja: „Bin in Bln. Können wir uns treffen?“
Antwort: „Bin in Kalifornien. Tut mir leid. Du könntest bei mir sein, wenn du wolltest.“
- Troels. Am liebsten würde ich ihn anrufen. Jedoch vermute ich, er würde mich schelten. Meines Benehmend wegen.

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Paul verliert zunehmend die Beherrschung. Wird „vertraulicher“. Beinahe zu intim. Insbesondere von ihm hätte ich dies nicht erwartet. Er schien so korrekt. So reserviert.
Es kommt mir zu Gute, dass ich eine Frau „der offenen Worte“ bin. Er spricht beinahe ungezwungen aus, was er denkt. Zumindest annähernd und ich ermutige ihn dazu. So kann ich ermessen, wie weit er bereit sein könnte sich „gehen zu lassen“, um mein eigenes Verhalten darauf abzustimmen. Ob ich lieber vorsichtiger oder doch vertraulich sein kann.
Erwähnte er doch heute Morgen tatsächlich, nachdem ich ihn aufforderte zu reden, alldieweil er mich schmunzeln anstarrte, dass er mich am aller liebsten auf dieses Bett werfen und mit mir ficken würde.
„Hho. Hho. Paul. Das lassen wir doch besser.“, sagte ich zu ihm und sah ihm direkt in die Augen.
Infolge dieses, seines „Geständnisses“, wird es ratsam sein, vorsichtiger mit ihm umzugehen.
Genau genommen hatte ich dergleichen Avancen eher von Jason als von dem „kühlen Paul“ erwartet.
Jason hingegen war ein exzellenter Begleiter durch die Nacht. Ohne Anzüglichkeiten. Wer hätte es gedacht?!

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Die Aufgaben sind verteilt.
Ich hoffe auf mehr „Glück“ am heutigen Tag.
Paul mahnt zur Eile.
Ich muss gehen.