Mittwoch, 11. Dezember 2013

Bequem- und Unbequemlichkeiten



Hat es die Zeit mit Wanja tatsächlich gegeben?
Hatte ich in der Tat die Absicht meinen Ehemann um seinetwillen zu verlassen?
Ja.

Jedoch warum ruft mich Wanja nicht an?
Warum erreiche ich ihn ebenso wenig?
Oder Alexej und Natascha?
Keine Nachricht aus dem „östlichen Sektor“.

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„Was ist eigentlich los?“, fragte mich Norman, als er mir auf dem Rückweg vom meinem Massagetermin zum Haus begegnete.
Ich sah ihn an und kniff die Augen leicht zusammen.
„Ich dachte, sie hätten sich von Gunnar getrennt und gingen jetzt mit dem Russen? Allerdings erzählt man sich jetzt etwas ganz anderes?“
„Was erzählt man sich denn?“, fragte ich ein wenig gereizt.
„Sie hätten sich reumütig gefügt und wären nun wieder mit ihrem Ehemann zusammen.“
Ich senkte den Kopf, schwieg und ging weiter.
Norman räusperte sich kaum hörbar und wechselte das Thema.

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Gunnar war die meiste Zeit des Tages bei mir. Oder ich bei ihm. Kate sah ich während unseres späten Lunches im Restaurant, wie sie sich einen Kaffee gönnte und später ebenso im Office als ich half Bestellungen zu tätigen und Waren entgegen zu nehmen. In der Vorweihnachtszeit gibt es reichlich zu tun im Zentrum.
Ellen Parker sah ich ebenfalls. Sie senke beschämt den Blick, als ich ihr erhobenen Hauptes entgegen kam. Was meine Aufmerksamkeit erregte und meine Neugier weckte. Sollte ich aus ihrem Blick etwa entnehmen, dass sie Gunnar ebenfalls nachstellte? Oder es bereits zu mehr gekommen war als nur zu freundlichen Worten?
Obgleich Gunnar es vehement geleugnet hatte, schöpfte ich nun wieder Verdacht.

Marie kam mit den Kindern ins Restaurant, nachdem Kate gegangen war. Sie setzt sich zu uns und legte Óðinn Aron in Gunnars Arme. Ich nutzte die Gelegenheit und sprach das Thema Henrik Espen Olafson an.
„Er ist ein gut aussehender Mann. Nicht wahr? Du hattest doch bereits ein Auge auf ihn geworfen?“
„Ja. Aber ich verletzte ihn damals vermutlich zu sehr, als dass ich hoffen könnte, dass er noch einen einzigen Gedanken an mich verschwendet.“
Ich lächelte ihr milde und verständnisvoll entgegen, wohl wahrnehmend, dass da doch ein Fünkchen bedauern in ihren Worten schwang, was mich hoffen ließ, dass man da doch noch etwas arrangieren könne. „Wer ist schon fehlerfrei?“, erwiderte ich und tätschelte ihre Hand. „Und wer weiß? Möglicherweise....?“ Ich zwinkerte ihr verschwörerisch zu in der Hoffnung, dass sie mich nicht falsch verstand. Jedoch kam ihre probte Bemerkung: „Du willst Gunnar ja nur für dich allein.“
„Kannst du es mir verdenken?“, sagte ich zu ihr und wir beide mussten tatsächlich darüber lachen.  
In der Zwischenzeit hatte Gunnar eine Hand zu mir herüber gestreckt und ich gab ihm die Meine. Er führte sie zu seinen Lippen und küsste meine Finger und dann ließ er mich bewusst die kleine Hand von Óðinn Aron berühren und lächelte zu mir herüber.
Ich zog meine Hand zurück und schnitt eine Grimasse, um meinen Unwillen über seine Aktion kund zu tun.
„Ahhh. Jetzt sei nicht so Tante Rea. Es sind doch nur Kinder.“
„Ich mag keine Kinder.“, sagte ich trotzig und im selben Moment gab mir Marie Inula Castanea in die Hände.
Ich stöhnte und hielt sie. Was blieb mir übrig? Schließlich konnte ich sie nicht einfach weg werfen wie ein Bündel alter Lumpen.
Die Kleine gab merkwürdige Laute von sich und griff mit ihren kleinen Händchen nach meinem Gesicht. Eine eher unwillkommene Situation für mich.

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Gunnar schien neugierig und wir sprachen am Abend über die Tage bei Arkadij und Grigorij in Moskau. Dieses Thema interessierte ihn immens. Wir redeten eine lange Weile über die Möglichkeiten der Quanten- und Biophysik und ebenso „erneut“ über die Umstellung meines Tagesplanes und –rhythmuses zum Besten meiner Gesundheit. Das wir das Lernen und das Genesen vorantreiben müssten und ICH gleichermaßen darüber nachdenken solle, wie. Und auch darüber, dass ich anstatt im Internet zu surfen besser meine Augen schonen und imaginieren sollte.
Ja. Ich weiß. Aber surfen ist gewohnheitsmäßig bequemer...

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Als ich heute Morgen die Augen öffnete, hatte ich im selben Moment und gänzlich ohne weiter darüber nachzudenken eine Frage auf den Lippen: „Warst du weg, diese Nacht?“
Gunnar räkelte und streckte sich. „Nein.“, antwortete er und schloss mich in seine Arme. „Aber wenn ich so darüber nachdenke, wäre ich reif für eine Session mit Siv.“
Ich löste mich ein wenig aus seinen Armen, drehte meinen Kopf zu ihm und sah ihm ungläubig in die Augen.
Während ich nun in seinem Blick zu ergründen suchte, ob es Spaß oder ernst mit seinen Worten war, sagte er: „Und ich wäre glücklich, wenn du mit dabei wärest.“

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Da es mir nicht nach Gesellschaft zumute war, frühstückten wir heute Morgen im Haus. Während ich meinen Kaffee schlürfte, erinnerte mich Gunnar an Hjalmars Geburtstag am 21. Dezember. Also am Freitag nächste Woche.
Ich schnaufte nur. „Wieder ein Tag und eine Nacht, in welcher wir getrennt sind.“
„Was nicht sein muss. Du bist stets aufs herzlichste eingeladen und kannst mich begleiten.“
Poch. Poch. Poch. Marie stand mit den Kindern vor der Tür.
Nun war ich doch ihrer Gegenwart und der der Kinder nicht entkommen.

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Genau genommen dachte ich einen Beauty-day einzulegen. Nötig wäre er in jedem Fall. Jedoch erscheint es mir vernünftiger nach Stockholm fahren, um Troels Schlüssel zurückzugeben. Jedoch möglichst ohne ihm zu begegnen.