Hat es die Zeit mit Wanja tatsächlich gegeben?
Hatte ich in der Tat die Absicht meinen Ehemann um
seinetwillen zu verlassen?
Ja.
Jedoch warum ruft mich Wanja nicht an?
Warum erreiche ich ihn ebenso wenig?
Oder Alexej und Natascha?
Keine Nachricht aus dem „östlichen Sektor“.
-------
„Was ist eigentlich los?“, fragte mich Norman, als er mir
auf dem Rückweg vom meinem Massagetermin zum Haus begegnete.
Ich sah ihn an und kniff die Augen leicht zusammen.
„Ich dachte, sie hätten sich von Gunnar getrennt und gingen
jetzt mit dem Russen? Allerdings erzählt man sich jetzt etwas ganz anderes?“
„Was erzählt man sich denn?“, fragte ich ein wenig gereizt.
„Sie hätten sich reumütig gefügt und wären nun wieder mit
ihrem Ehemann zusammen.“
Ich senkte den Kopf, schwieg und ging weiter.
Norman räusperte sich kaum hörbar und wechselte das Thema.
-------
Gunnar war die meiste Zeit des Tages bei mir. Oder ich bei
ihm. Kate sah ich während unseres späten Lunches im Restaurant, wie sie sich
einen Kaffee gönnte und später ebenso im Office als ich half Bestellungen zu
tätigen und Waren entgegen zu nehmen. In der Vorweihnachtszeit gibt es
reichlich zu tun im Zentrum.
Ellen Parker sah ich ebenfalls. Sie senke beschämt den
Blick, als ich ihr erhobenen Hauptes entgegen kam. Was meine Aufmerksamkeit
erregte und meine Neugier weckte. Sollte ich aus ihrem Blick etwa entnehmen,
dass sie Gunnar ebenfalls nachstellte? Oder es bereits zu mehr gekommen war als
nur zu freundlichen Worten?
Obgleich Gunnar es vehement geleugnet hatte, schöpfte ich
nun wieder Verdacht.
Marie kam mit den Kindern ins Restaurant, nachdem Kate
gegangen war. Sie setzt sich zu uns und legte Óðinn Aron in Gunnars Arme. Ich nutzte die
Gelegenheit und sprach das Thema Henrik Espen Olafson an.
„Er ist ein gut aussehender Mann. Nicht wahr? Du hattest
doch bereits ein Auge auf ihn geworfen?“
„Ja. Aber ich verletzte ihn damals vermutlich zu sehr, als
dass ich hoffen könnte, dass er noch einen einzigen Gedanken an mich
verschwendet.“
Ich lächelte ihr milde und verständnisvoll entgegen, wohl
wahrnehmend, dass da doch ein Fünkchen bedauern in ihren Worten schwang, was
mich hoffen ließ, dass man da doch noch etwas arrangieren könne. „Wer ist schon
fehlerfrei?“, erwiderte ich und tätschelte ihre Hand. „Und wer weiß?
Möglicherweise....?“ Ich zwinkerte ihr verschwörerisch zu in der Hoffnung, dass
sie mich nicht falsch verstand. Jedoch kam ihre probte Bemerkung: „Du willst
Gunnar ja nur für dich allein.“
„Kannst du es mir verdenken?“, sagte ich zu ihr und wir
beide mussten tatsächlich darüber lachen.
In der Zwischenzeit hatte Gunnar eine Hand zu mir herüber gestreckt
und ich gab ihm die Meine. Er führte sie zu seinen Lippen und küsste meine
Finger und dann ließ er mich bewusst die kleine Hand von Óðinn Aron berühren und lächelte zu mir
herüber.
Ich zog meine
Hand zurück und schnitt eine Grimasse, um meinen Unwillen über seine Aktion
kund zu tun.
„Ahhh. Jetzt
sei nicht so Tante Rea. Es sind doch nur Kinder.“
„Ich mag keine
Kinder.“, sagte ich trotzig und im selben Moment gab mir Marie Inula Castanea
in die Hände.
Ich stöhnte
und hielt sie. Was blieb mir übrig? Schließlich konnte ich sie nicht einfach
weg werfen wie ein Bündel alter Lumpen.
Die Kleine gab
merkwürdige Laute von sich und griff mit ihren kleinen Händchen nach meinem
Gesicht. Eine eher unwillkommene Situation für mich.
-------
Gunnar schien neugierig und wir sprachen am Abend über die
Tage bei Arkadij und Grigorij in Moskau. Dieses Thema interessierte ihn immens.
Wir redeten eine lange Weile über die Möglichkeiten der Quanten- und Biophysik
und ebenso „erneut“ über die Umstellung meines Tagesplanes und –rhythmuses zum
Besten meiner Gesundheit. Das wir das Lernen und das Genesen vorantreiben
müssten und ICH gleichermaßen darüber nachdenken solle, wie. Und auch darüber,
dass ich anstatt im Internet zu surfen besser meine Augen schonen und
imaginieren sollte.
Ja. Ich weiß. Aber surfen ist gewohnheitsmäßig bequemer...
-------
Als ich heute Morgen die Augen öffnete, hatte ich im selben
Moment und gänzlich ohne weiter darüber nachzudenken eine Frage auf den Lippen:
„Warst du weg, diese Nacht?“
Gunnar räkelte und streckte sich. „Nein.“, antwortete er
und schloss mich in seine Arme. „Aber wenn ich so darüber nachdenke, wäre ich
reif für eine Session mit Siv.“
Ich löste mich ein wenig aus seinen Armen, drehte meinen
Kopf zu ihm und sah ihm ungläubig in die Augen.
Während ich nun in seinem Blick zu ergründen suchte, ob es Spaß
oder ernst mit seinen Worten war, sagte er: „Und ich wäre glücklich, wenn du
mit dabei wärest.“
-------
Da es mir nicht nach Gesellschaft zumute war, frühstückten
wir heute Morgen im Haus. Während ich meinen Kaffee schlürfte, erinnerte mich
Gunnar an Hjalmars Geburtstag am 21. Dezember. Also am Freitag nächste Woche.
Ich schnaufte nur. „Wieder ein Tag und eine Nacht, in
welcher wir getrennt sind.“
„Was nicht sein muss. Du bist stets aufs herzlichste
eingeladen und kannst mich begleiten.“
Poch. Poch. Poch. Marie stand mit den Kindern vor der Tür.
Nun war ich doch ihrer Gegenwart und der der Kinder nicht
entkommen.
-------
Genau genommen dachte ich einen Beauty-day einzulegen.
Nötig wäre er in jedem Fall. Jedoch erscheint es mir vernünftiger nach
Stockholm fahren, um Troels Schlüssel zurückzugeben. Jedoch möglichst ohne ihm zu
begegnen.