Donnerstag, 26. Dezember 2013

Komplexe Einfachheit



Ich sprach mit Nadjeschda von der Akademie in Moskau. Sie erkundigte sich nach Wanja, und selbstredend wusste sie, was ihm und seinem Bruder zugestoßen war. „Ich hatte ihnen angedeutet, was geschehen würde.“, sagte sie. „Und sie Rea, haben sich bereits wieder von ihm abgewendet.“
„Womöglich können sie mir eine Antwort auf den Wahrheitsgehalt meiner Seelenpartnerschaft mir Gunnar geben.“, platze ich schlicht und einfach heraus. „Ich fühle mich ihm in der Tat zugehörig.“
„Das mag gut sein. Er ist ein Magier.“
„Bedeutet das, dass er lügt?“
„Nein. Er weiß, dass man Gott nicht belügen kann. Er ist tatsächlich auf mehreren, wenn nicht sogar auf allen Ebenen mit ihnen verbunden.“
„Wie könnte ich dann aber mit Wanja zusammen sein?“
„Es wäre eine neue Komponente, welche sie ihrem derzeitigen Leben hinzufügen. Eine Erfahrung so zu sagen, welche sich auf alle und alles andere auswirken wird. Und es ist nicht das erste Mal, dass sie ihn treffen. Im weitesten Sinne!“
Ich stöhnte. „Für derart komplizierte Komplexitäten fehlt mir im Augenblick der Sinn.“
Nadjeschda lachte. „Lesen sie. Verinnerlichen sie und machen sie sich ein Bild. Dann wird es leichter verständlich.“
„Lesen?“
„Ja. Und fragen sie jetzt nicht WAS. Das wollten sie doch gerade. Nicht wahr? Wir betreiben hier keinen Smalltalk.“
„Entschuldigen sie bitte.“, sagte ich kapitulierend. „Ich weiß. Sie meinen die Bücher von Arkadij Petrov. Das von ihnen empfohlene Buch ist bereits, nach langem Warten, bei mir angekommen. Ich begann heute ein weinig zu blättern. Las die ersten zwanzig Seiten.“
„Gut. Machen sie weiter. Und vergessen sie nicht zu üben. Imagination plus das Wissen wie es geht, ist beinahe das fertige Rezept für Gesundheit, Erfolg und persönliche weiter Entwicklung. Aber alles bedingt sich gegenseitig. Und haben sie Geduld. Nehmen sie sich Zeit.“
Ich seufzte.
„Okay. Geben sie mir einen Termin für unsere erste skype Lektion.“, forderte sie.
 „Ich würde sagen, in der zweiten Januarwoche. Wenn die Raunächte zu Ende gegangen sind.“
„Okay. Bis dann.“

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Eine Zeit lang saßen wir zusammen. Gunnar und ich. Jeder mit seinem Notebook. Dann war er stundenlang verschwunden. Als ich ihn nach seiner Rückkehr fragte, sagte er, er sei bei Christine und Thomas gewesen und auf dem Rückweg selbstverständlich noch bei seinen Kindern. Kate hatte er nicht besucht.
Womöglich eine andere? Es gibt immerhin genügend Frauen, die liebend gern mit Gunnar das Bett teilen würden. Im Augenblick ist mir diese „Ellen“ verdächtig. Sucht sie doch beständig Gunnars Nähe und hat diesen schmachtenden Blick in ihren Augen, wenn sie ihn ansieht.
Mit Elena, gleichwohl sie meine Freundin mimt, bin ich mir nach wie von nicht sicher. Ich sah sie in letzter Zeit nun noch gelegentlich.
Jedoch weiß ich zweifelsfrei, dass Gunnar mit dieser Alicia telefonierte. Ich hörte, wie er ihren Namen sagte, als er draußen auf der Veranda in sein Handy sprechend hin und her gelaufen war.

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„Du musst niemandes Erwartungen erfüllen. Auch nicht die meinen.“, sagte Gunnar am Abend zu mir, als wir bereits zu Bett gegangen waren, und streichelte lächelnd meine Wange.
In der Tat. Er hatte Recht. Ich war unruhig. Wusste nicht, ob er Lust auf Sex hatte oder nicht. Sollte ich ihn animieren? Oder getrost die müden Augen schließen und schlafen?
„Kein Mensch hat das Recht Erwartungen zu hegen. Alles geschieht ein-fach, und DAS ist das Leichteste. Vertrauen zu haben. Vertrauen, dass alles genau so passiert, wie es richtig für einen ist.“ Gunnar richtete sich auf, beugte sich zu mir herüber und küsste mich auf den Mund. „Keine Angst. Ich erwarte nichts von dir. Ich weiß, dass du erschöpft bist. Wir müssen nicht jeden Tag miteinander ficken.“ Er grinste schelmisch, legte sich zurück an meine Seite und schob seinen Arm unter meinen Kopf. „Zudem sollst du keinen lustvollen Gedanken haben.“, kam es eher sarkastisch von ihm herüber. „Das ist nicht gut in deiner derzeitigen Situation.“
„Es ist nicht so, dass ich es nicht wollte.“, entgegnete ich.
„Aber wenn wir jetzt miteinander schlafen, wird es nur noch schlimmer.“
„Ja. Kann sein.“ Ich grinste ihn von der Seite her an.
„Lass gut sein. Auch wenn du mich für unersättlich hältst, ist das nicht so. Ja. Sex ist tatsächlich die schönste Nebensache dieser Welt. Muss jedoch nicht ständig gegenwärtig sein. Wir bauen unser Leben schließlich nicht auf Ficken auf. Oder?“ Gunnar strich mit seiner Hand über meine Schulter und drückte mich schmunzelnd an sich. „DAS wäre keine Grundlage. Kein solides Fundament.“
„Aber womöglich lebst du diese Begierden mit anderen aus?“ Ganz bestimmt sogar. Dachte ich.
Gunnar lachte. „Schon wieder eifersüchtig?“ Er wurde ernster. „Auf DIE Frauen, mit denen ich meine Gelüste auslebe, musst du wirklich nicht eifersüchtig sein. Sie haben nur wenig Bedeutung in meinem Leben. Sind austauschbar. DU bist es jedoch nicht! Aber nicht das du denkst ich sei ein Unmensch. Diese Frauen wissen das und sind zumeist nicht anders.“
Während Gunnar seine letzten Worte sprach, driftete ich bereits ins Reich der Träume....