Verlorene geglaubte, weggegebene, verschenkte oder
zurückgebrachte Dinge kehren zuweilen zu einer zurück.
So fand Troels Wohnungsschlüssel auf simple Art und Weise wieder
den Weg dorthin, wo er hin gehört. Zu mir.
-------
Gunnar hatte den Nachmittag über im Office gearbeitet. Kam
ab und an bei mir vorbei, und ich vermute ebenso bei Marie und den Kindern. Bei
Kate musste er das nicht. Denn sie arbeitet mit ihm im Büro. Kurz vor dem
Dinner eröffnete er mir, dass es schließlich Freitag wäre und er zu seinem
Bruder fahren würde. „Kommst du mit?“, hatte er gefragt und ich wie gewöhnlich
verneint.
Kate erbot sich jedoch augenblicklich als Begleiterin.
Gleichwohl Gunnar dem zustimmen mochte, sah ich in seinen Augen, hörte in
seiner Stimme und bemerkte an seiner Gestik, dass ihm ihr Angebot nicht
wirklich zu beglücken schien. Was ich nun überaus merkwürdig fand. Hatte er sie
doch noch vor kurzem für ihre Spontanität und ihre Partylaune gerühmt. Aber
womöglich war sein Bruder nur ein Vorwand für andere Aktivitäten. Wo selbst
Kate ihm im Weg sein würde.
Gleichgültig. Ich schwieg und ließ ihn ziehen.
Bereits seit Tagen hatte ich Probleme mit den Augen. Vergaß
ich doch immer wieder meine Sonnenbrille aufzusetzen und kniff stattdessen die
Augen zusammen. Was sie mir letztendlich mit Brennen und Jucken dankten.
Selbst Schuld. Wenn ich es mir auch nicht merken konnte!
Infolgedessen sah ich noch ein wenig fern und ging früh zu
Bett.
Als ich gerade dabei war das Licht zu löschen, klopfte es
an meinem Fenster.
Anfangs kam mir der Gedanke Gunnar sei zurückgekehrt und
wolle mir einen Streich spielen. Also ging ich zum Fenster und öffnete es. Da
stand Troels. Und Mads.
Ich schnappte nach Luft. Hatte es mir doch kurz die Sprache
verschlagen. Wie sollte ich nun darauf reagieren. Kreise es in meinem Kopf.
„Lässt du mich herein?“, fragte er.
Ich stand regungslos da. Schaute ihn an. Biss mir auf die
Lippe und wusste nicht, was ich tun sollte. Schloss dann wortlos das Fenster,
ging zur Tür und öffnete sie.
Ich hörte, wie sich Mads verabschiedete und Troels trat mit
vorsichtigen Schritten und sich die Schuhe abstreifend ein. Ich hatte mich
bereits von ihm abgewandt und ging Richtung Küche, als er mich einholte,
festhielt und mich zu sich drehte. Ohne weitere Worte schloss er mich in die
Arme und hielt mich fest.
Ich erwiderte seine Umarmung nicht und ließ meine Arme
seitlich an meinem Körper herunter hängen.
Er nahm mich bei den Schultern und sah mich zufrieden an.
Drückte mich noch einmal an sich und als ich auf seine euphorischen
Liebkosungen noch immer nicht einging, fragte er schließlich: „Gibst du mir
jetzt die Chance zu reden?“ Er schnaufte. Zog seine Jacke aus und legte sie auf
die Couch.
„Nein.“, schoss es aus mir heraus.
Troels blieb wie angewurzelt stehen und sah mich verwundert
an. „Nein?“
„Nein. Ich bin zu müde und die Medikamente tun ihr
Übrigens, sodass ich kaum mehr fähig bin zu realisieren, was in den letzten
fünf Minuten geschehen ist. Ich vermag in der Tat jetzt nicht mehr zu zuhören
oder ganz und gar zu debattieren. Gunnar ist nicht hier. Aber das weißt du
offensichtlich bereits. Warum legst du dich nicht einfach zu mir und wir
schlafen.“
Troels stutzte. „Okay.“
„Genau genommen wollte ich dir vorschlagen mit mir zu
kommen. Ich fühle mich nicht wohl in Gunnars Bett.“
Ich dachte an Kate, die keinerlei Skrupel hatte und gab
einen sarkastisch „hhmm“ von mir.
„Ich gedenke heute nirgendwohin mehr zu gehen. Gunnar wird
sicherlich erst Morgenmittag zurückkehren. Wenn früher? Ist es mir im
Augenblick ebenso gleichgültig.“
Troels räusperte sich. Er hatte sich zu mir ins Bett gelegt
und sich an mich geschmiegt. „Es war nicht wie du denkst mit dieser Frau.“,
begann er leise zu reden.
„Davon will ich jetzt nichts hören.“
Ich bemerkte Troels Erregung und wie er sich vorsichtig an
mir rieb. „Ich würde gern mit dir schlafen.“, sagte er leise. „Es ist lange
her.“
Ich stöhnte und legte mich auf den Bauch.
„Da war nichts mit dieser Frau!“, wurde er ein wenig
lauter. Alldieweil er offenkundig glaube, ich würde mich ihretwegen im
Allgemeinen so benehmen und nicht mit ihm schlafen wollen. „Ebenso wenig mit
irgendeiner anderen. Hörst du Rea? Ich liebe dich und keine andere. Egal, was
du Anstößiges glaubtest gesehen zu haben, es entspricht mitnichten der
Wahrheit.“
„Ich dachte, du wolltest mit mir schlafen. Nutze deine
Chance, solange ich noch wach bin. Reden können wir morgen.“
Ich hörte ein kurzes Lachen und schon war er über mir und
drang von hinten in mich ein. So leicht und schmerzlos wie jedes Mal. Ich
genoss seinen langen, schlanken Penis in vollen Zügen. Es dauerte nicht lang
bis er kam, ich in die Entspannung fiel und einschlief.
-------
Gunnar ist bis jetzt nicht nach Hause gekommen.
Und Troels verließ soeben das Zentrum.
Ich erwachte relativ früh und räkelte mich. Weckte Troels
damit, der sich ebenfalls genüsslich streckte. Ich schmiegte mich an ihn und er
begann zu schmusen, was unweigerlich zu einem zweiten sinnlichen Ineinander
führte. Dementsprechend entspannt und sogar noch ein wenig berauscht bin ich im
Augenblick.
Während unseres gemeinsamen Frühstücks berichtete er mir
dann, was es mit dieser blonden Frau auf sich, und was er zu diesem Zeitpunkt
mit ihr im Bad zu suchen hatte. „Hätte ich tatsächlich mit ihr ficken wollen,
hätte ich zumindest abgeschlossen.“, sagte Troels grinsend. „Meinst du nicht?“
Zu allem Überfluss befürchtete er in gleichem Maße wie
Gunnar an meiner Reise nach Kiew und dem Entschluss mit Wanja zu leben schuld
zu sein.
Ja. Es war tatsächlich das Tüpfelchen auf dem I. Der letzte
Grad bis zum sieden. Der Paukenschlag, welcher die Symphonie beendet. Was ich
jedoch nicht aussprach.
Zum Abschied gab Troels mir seinen Wohnungsschlüssel
zurück. Mit der Bitte ihn zu behalten, ihm zu vertrauen und nicht ständig so
derart impulsiv zu handeln.
„Ich liebe dich Rea, und keine andere. Verstehst du nicht?
Ich entschied mich für dich. Das ist wie ein Versprechen und ich würde mich
selbst betrügen, hintergehen, verleugnen, wenn ich tatsächlich mit irgendeiner
anderen Frau intim werden würde. Was jedoch nicht bedeutet, dass ich nicht
feiern, oder mit Frauen arbeiten und in meiner Freizeit mit ihnen zusammen sein
darf. Mein Leben hat sich verändert. Ich kann nicht ausschließlich nach deinen
Regeln leben. Ja. Ich weiß Gelegentlich trinke auch ich. Und ich weiß, das du
das nicht magst.“
„Gelegentlich?“, unterbrach ich ihn. „Ich würde meinen, bei
jedweder „Gelegenheit“. Ihr Nordländer sprecht allesamt dem Alkohol reichlich
zu. Und rauchen tust du zudem noch. Eine Kombination welche...“ Ich stockte. Ups.
„...dich ekelt.“, frühre er den Satz zu Ende.
Ich biss mir auf die Lippe und räusperte mich.
„Ich weiß das und bemühe mich in deiner Gegenwart das
Trinken sowie das Rauchen zu minimieren oder ganz und gar zu unterlassen.
Jedoch, wenn du dich dafür entschieden hast, weder zu trinken noch zu rauchen,
was sicherlich lobenswert sein mag, bedeutet dies noch lange nicht, dass ich
mich ebenso verhalten muss.“
Er sprach und sprach, und ich hörte den Klang seiner
Stimme. Die Bedeutung der Worte bereits nicht mehr. Sah mich in Gedanken und
Zweifel den Schlüssel auf Troels kleinen Fernsehtisch legen. Wie ich noch einen
Zettle mit einer Erklärung beifügen wollte, es dann aber ließ......
Als mich Troels zum Abschied das letzte Mal küsste,
versprach ich ihm so bald als möglich den von ihm zurück gebrachten Wohnungsschlüssel
zu nutzen.
Ja. In der Tat. Das werde ich.
Schlussendlich bin ich über die Wendung der Ereignisse doch
ganz zufrieden.
Es wäre zu schade gewesen, diesen Freund zu verlieren.