Samstag, 14. Dezember 2013

Nichts geht wirklich verloren



Verlorene geglaubte, weggegebene, verschenkte oder zurückgebrachte Dinge kehren zuweilen zu einer zurück.
So fand Troels Wohnungsschlüssel auf simple Art und Weise wieder den Weg dorthin, wo er hin gehört. Zu mir.

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Gunnar hatte den Nachmittag über im Office gearbeitet. Kam ab und an bei mir vorbei, und ich vermute ebenso bei Marie und den Kindern. Bei Kate musste er das nicht. Denn sie arbeitet mit ihm im Büro. Kurz vor dem Dinner eröffnete er mir, dass es schließlich Freitag wäre und er zu seinem Bruder fahren würde. „Kommst du mit?“, hatte er gefragt und ich wie gewöhnlich verneint.
Kate erbot sich jedoch augenblicklich als Begleiterin. Gleichwohl Gunnar dem zustimmen mochte, sah ich in seinen Augen, hörte in seiner Stimme und bemerkte an seiner Gestik, dass ihm ihr Angebot nicht wirklich zu beglücken schien. Was ich nun überaus merkwürdig fand. Hatte er sie doch noch vor kurzem für ihre Spontanität und ihre Partylaune gerühmt. Aber womöglich war sein Bruder nur ein Vorwand für andere Aktivitäten. Wo selbst Kate ihm im Weg sein würde.
Gleichgültig. Ich schwieg und ließ ihn ziehen.

Bereits seit Tagen hatte ich Probleme mit den Augen. Vergaß ich doch immer wieder meine Sonnenbrille aufzusetzen und kniff stattdessen die Augen zusammen. Was sie mir letztendlich mit Brennen und Jucken dankten.
Selbst Schuld. Wenn ich es mir auch nicht merken konnte!
Infolgedessen sah ich noch ein wenig fern und ging früh zu Bett.
Als ich gerade dabei war das Licht zu löschen, klopfte es an meinem Fenster.
Anfangs kam mir der Gedanke Gunnar sei zurückgekehrt und wolle mir einen Streich spielen. Also ging ich zum Fenster und öffnete es. Da stand Troels. Und Mads.
Ich schnappte nach Luft. Hatte es mir doch kurz die Sprache verschlagen. Wie sollte ich nun darauf reagieren. Kreise es in meinem Kopf.
„Lässt du mich herein?“, fragte er.
Ich stand regungslos da. Schaute ihn an. Biss mir auf die Lippe und wusste nicht, was ich tun sollte. Schloss dann wortlos das Fenster, ging zur Tür und öffnete sie.
Ich hörte, wie sich Mads verabschiedete und Troels trat mit vorsichtigen Schritten und sich die Schuhe abstreifend ein. Ich hatte mich bereits von ihm abgewandt und ging Richtung Küche, als er mich einholte, festhielt und mich zu sich drehte. Ohne weitere Worte schloss er mich in die Arme und hielt mich fest.
Ich erwiderte seine Umarmung nicht und ließ meine Arme seitlich an meinem Körper herunter hängen.
Er nahm mich bei den Schultern und sah mich zufrieden an. Drückte mich noch einmal an sich und als ich auf seine euphorischen Liebkosungen noch immer nicht einging, fragte er schließlich: „Gibst du mir jetzt die Chance zu reden?“ Er schnaufte. Zog seine Jacke aus und legte sie auf die Couch.
„Nein.“, schoss es aus mir heraus.
Troels blieb wie angewurzelt stehen und sah mich verwundert an. „Nein?“
„Nein. Ich bin zu müde und die Medikamente tun ihr Übrigens, sodass ich kaum mehr fähig bin zu realisieren, was in den letzten fünf Minuten geschehen ist. Ich vermag in der Tat jetzt nicht mehr zu zuhören oder ganz und gar zu debattieren. Gunnar ist nicht hier. Aber das weißt du offensichtlich bereits. Warum legst du dich nicht einfach zu mir und wir schlafen.“
Troels stutzte. „Okay.“
„Genau genommen wollte ich dir vorschlagen mit mir zu kommen. Ich fühle mich nicht wohl in Gunnars Bett.“
Ich dachte an Kate, die keinerlei Skrupel hatte und gab einen sarkastisch „hhmm“ von mir.
„Ich gedenke heute nirgendwohin mehr zu gehen. Gunnar wird sicherlich erst Morgenmittag zurückkehren. Wenn früher? Ist es mir im Augenblick ebenso gleichgültig.“
Troels räusperte sich. Er hatte sich zu mir ins Bett gelegt und sich an mich geschmiegt. „Es war nicht wie du denkst mit dieser Frau.“, begann er leise zu reden.
„Davon will ich jetzt nichts hören.“
Ich bemerkte Troels Erregung und wie er sich vorsichtig an mir rieb. „Ich würde gern mit dir schlafen.“, sagte er leise. „Es ist lange her.“
Ich stöhnte und legte mich auf den Bauch.
„Da war nichts mit dieser Frau!“, wurde er ein wenig lauter. Alldieweil er offenkundig glaube, ich würde mich ihretwegen im Allgemeinen so benehmen und nicht mit ihm schlafen wollen. „Ebenso wenig mit irgendeiner anderen. Hörst du Rea? Ich liebe dich und keine andere. Egal, was du Anstößiges glaubtest gesehen zu haben, es entspricht mitnichten der Wahrheit.“
„Ich dachte, du wolltest mit mir schlafen. Nutze deine Chance, solange ich noch wach bin. Reden können wir morgen.“
Ich hörte ein kurzes Lachen und schon war er über mir und drang von hinten in mich ein. So leicht und schmerzlos wie jedes Mal. Ich genoss seinen langen, schlanken Penis in vollen Zügen. Es dauerte nicht lang bis er kam, ich in die Entspannung fiel und einschlief.

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Gunnar ist bis jetzt nicht nach Hause gekommen.
Und Troels verließ soeben das Zentrum.

Ich erwachte relativ früh und räkelte mich. Weckte Troels damit, der sich ebenfalls genüsslich streckte. Ich schmiegte mich an ihn und er begann zu schmusen, was unweigerlich zu einem zweiten sinnlichen Ineinander führte. Dementsprechend entspannt und sogar noch ein wenig berauscht bin ich im Augenblick.
Während unseres gemeinsamen Frühstücks berichtete er mir dann, was es mit dieser blonden Frau auf sich, und was er zu diesem Zeitpunkt mit ihr im Bad zu suchen hatte. „Hätte ich tatsächlich mit ihr ficken wollen, hätte ich zumindest abgeschlossen.“, sagte Troels grinsend. „Meinst du nicht?“
Zu allem Überfluss befürchtete er in gleichem Maße wie Gunnar an meiner Reise nach Kiew und dem Entschluss mit Wanja zu leben schuld zu sein.
Ja. Es war tatsächlich das Tüpfelchen auf dem I. Der letzte Grad bis zum sieden. Der Paukenschlag, welcher die Symphonie beendet. Was ich jedoch nicht aussprach.
Zum Abschied gab Troels mir seinen Wohnungsschlüssel zurück. Mit der Bitte ihn zu behalten, ihm zu vertrauen und nicht ständig so derart impulsiv zu handeln.
„Ich liebe dich Rea, und keine andere. Verstehst du nicht? Ich entschied mich für dich. Das ist wie ein Versprechen und ich würde mich selbst betrügen, hintergehen, verleugnen, wenn ich tatsächlich mit irgendeiner anderen Frau intim werden würde. Was jedoch nicht bedeutet, dass ich nicht feiern, oder mit Frauen arbeiten und in meiner Freizeit mit ihnen zusammen sein darf. Mein Leben hat sich verändert. Ich kann nicht ausschließlich nach deinen Regeln leben. Ja. Ich weiß Gelegentlich trinke auch ich. Und ich weiß, das du das nicht magst.“
„Gelegentlich?“, unterbrach ich ihn. „Ich würde meinen, bei jedweder „Gelegenheit“. Ihr Nordländer sprecht allesamt dem Alkohol reichlich zu. Und rauchen tust du zudem noch. Eine Kombination welche...“ Ich stockte. Ups.
„...dich ekelt.“, frühre er den Satz zu Ende.
Ich biss mir auf die Lippe und räusperte mich.
„Ich weiß das und bemühe mich in deiner Gegenwart das Trinken sowie das Rauchen zu minimieren oder ganz und gar zu unterlassen. Jedoch, wenn du dich dafür entschieden hast, weder zu trinken noch zu rauchen, was sicherlich lobenswert sein mag, bedeutet dies noch lange nicht, dass ich mich ebenso verhalten muss.“
Er sprach und sprach, und ich hörte den Klang seiner Stimme. Die Bedeutung der Worte bereits nicht mehr. Sah mich in Gedanken und Zweifel den Schlüssel auf Troels kleinen Fernsehtisch legen. Wie ich noch einen Zettle mit einer Erklärung beifügen wollte, es dann aber ließ......

Als mich Troels zum Abschied das letzte Mal küsste, versprach ich ihm so bald als möglich den von ihm zurück gebrachten Wohnungsschlüssel zu nutzen.
Ja. In der Tat. Das werde ich.
Schlussendlich bin ich über die Wendung der Ereignisse doch ganz zufrieden.
Es wäre zu schade gewesen, diesen Freund zu verlieren.