Nein. Ich ließ mich nur für einen
Nachmittag von Kevin entführen. Und es war unspektakulär. Wir saßen
nebeneinander und sahen schlicht und einfach fern.
Beim Lunch, im Restaurant, war Kevin
an unseren Tisch gekommen. Hatte Scherze gemacht und ich fühlte, dass er
ein Anliegen hatte. Denn er sah immer öfter zu Gunnar hinüber und räusperte
sich. Was ein untrügliches Zeichen gewesen war, dass ihm etwas auf dem
Herzen lag. Dennoch bezog sich seine vorläufige Bitte ausschließlich auf die
Stunden des Nachmittags.
„Darf ich dir unsere Frau
entführen?“, fragte er Gunnar grinsend, und auch ich musste lachen. Was ohnehin
viel zu selten geschieht. Kevin hat so wie so ein Talent dafür mich zum Lachen zu
bringen.
Gunnar verhielt sich gespielt
theatralisch. Räusperte sich, tupfte demonstrativ seinen Mund mit der Serviette
und legte sie auf den Tisch. „Hm. Wenn ich sie danach wieder haben darf?“
Kevin grinste noch immer und wiegte
bedächtig den Kopf. „Na ja. Vielleicht. Ich überlege es mir noch.“
So verbrachte ich den gestrigen
Nachmittag mit Kevin, seinem Pfleger Max und Tennis im Fernsehen. Nur einmal
ging ich nach draußen, um per SMS bei den beiden Detektiven anzufragen, wo
Gunnar sich aufhielt und was er tat. Sie bestätigten mir, dass er tatsächlich
im Office sei, wie er angegeben hatte, und arbeitete.
Nachdem ich mit Kevin und Max zu
Abend gegessen, kam Gunnar, so gegen acht zu uns, um mich abzuholen.
„Verzeih.“, entschuldigte ich mich
postwendend, „Wir haben bereits gemeinsam gespeist.“
Gunnar schien ein Lächeln zu
unterdrücken. „Das dachte ich mir bereits.“
„Und du? Diniertest du bereits? Oder
wolltest du jetzt mit mir zum Restaurant gehen?“, fragte ich beflissen.
„Nein. Ich war mit Lara essen.“
„Aha.“
Gunnar schickte sich an mich mit sich
nach Hause zu nehmen, was Kevin nun nicht wirklich zu gefallen schien. „Wie
wäre es“, begann er zügig zu fragen, bevor wir die Tür ereichten, „wenn ich dir
unsere Frau auch noch für diese Nacht entführte?“
Nun wandten wir uns beide wieder
Kevin zu.
„Dann frage sie, ob sie will.“,
forderte Gunnar Kevin auf.
Kevins Augen blickten nun wieder in meine Richtung. „Willst du
bleiben, heute Nacht?“, fragte er sanft und leise.
Augenblicklich wurde ich nervös. Sah
Gunnar an und dann wieder Kevin. Denn genau genommen wollte ich das eigentlich
nicht. Aber WIE das Kevin beibringen? Vor allem, ohne ihn zu verletzen.
Ich schnaufte kurz durch und begann
dann zu stottern: „Es geht mir nicht so gut, und ich will dich nicht mit meinen
kränklichen Problemen belasten. Denn du hast genug eigene.“, wandt ich mich doch eher die Wahrheit umgehend. Obwohl dies
nun nicht zur Gänze gelogen war. Ich hatte den Nachmittag über meine Schmerzen
und mein Unwohlsein mutig und ohne zu murren ertragen, weil ich dachte, Kevin
hätte Freude daran, dass ich bei ihm war. Was gleichwohl so gewesen sein mochte. Aber nun auch noch
die Nacht, und ich wusste, wie es war und was ich dabei empfand mit ihm in
einem Bett zu liegen. Nur vermochte ich ihm dies keinesfalls auch nur
anzudeuten. Denn es war in der Tat so, dass ich mich bei diesem Gedanken nicht
wirklich wohl fühlte. Was nun mitnichten bedeuten soll, dass ich Kevin nicht
mehr liebe, und es mag sicherlich eine Sache der Gewohnheit sein, mit einem
behinderten Menschen zu Bett zu gehen. Aber im Augenblick, vermochte ich es
nicht zu ertragen und ich wusste das genau. Jedoch ging es nicht darum, dass er
behindert war, sondern darum, dass es mein KEVIN war. Es machte mich unendlich
traurig ihn so hilflos zu sehen!
Im selben Augenblick meines Zögerns
sah ich Kevins Mundwinkel nach unten sinken und ich wusste, ich hätte womöglich
doch seiner Einladung freudig zustimmen sollen. Was nun nicht mehr rückgängig
zu machen war. Infolgedessen versuchte ich meine noch nicht ausgesprochene
Entscheidung/Absage zu rechtfertigen. „Ich bin in der Tat ein wenig unpässlich
Kevin. Und Gunnar weiß was zu tun ist. Selbst meine Nerven gälte es zu
beruhigen.“
„Dann sage mir, was ich tun soll!“
Ich biss mir auf die Unterlippe und
wusste kaum mehr, was ich noch erwidern sollte. „Dafür habe ich jetzt echt
nicht den Nerv. Bitte verzeih. Es wird noch andere Abende und Nächte geben.“
„Na ich dachte nur, zwei versehrte
gemeinsam in einem Bett. Und Du“, nun war jedweder Rest von Freundlichkeit aus
Kevins Gesicht gewichen und er sah Gunnar beinahe herausfordernd an, „weißt
genau, dass ICH nicht mehr mit Rea ficken kann. Obwohl sie allen Grund hätte
mit anderen Männern zu ficken, wenn du schon vier andere Frauen hast. Aber ich
weiß, dass sie dich nur nicht verärgern will und deshalb mit dir geht.“ Kevin
wendete trotzig seinen Rollstuhl und warf, mit einem lauten Knall, die
Schlafzimmertür hinter sich zu.
Ich schnaufte und es tat mir so
Leid........
Den Rest des Abends war meine Laune
nicht die Beste und wir schwiegen uns an.
Wir sahen gemeinsam bis etwa elf Uhr
fern und gingen dann zu Bett.
„Bleibst du heute Nacht?“, fragte ich
Gunnar mit zurückhaltender Stimme.
„Ich weiß noch nicht.“, wiche er meiner Frage mit dieser nicht
zufrieden stellenden Antwort aus.
„Was weißt du nicht?“, wurde ich ein
wenig ärgerlich. „Ich dachte, du triffst deine Vorkehrungen, wenn du planst des
Nachts mit einer deiner anderen Frauen zu schlafen.“
„Ja. Schon.“, war Gunnars erneut
zögerliche und undeutliche Erwiderung.
„Geht es vielleicht etwas genauer?“,
wurde ich trotz meines aufkeimenden Zorns wieder ein wenig ruhiger, um
keinen Streit zu provozieren und die Harmonie zu wahren.
Gunnar stöhnte. „Ja. Eigentlich
versprach ich Lara, während unseres gemeinsamen Abendessens, heute Nacht für
ein, zwei Stunden zu ihr zu kommen.“
Ich suchte meine Enttäuschung mit
einem etwas verunglückten, und doch eher zynischen Lächeln zu verbergen. Was
hatte ich denn erwartet? Ohnehin wäre jedes weitere Wort nun zu viel gewesen.
Also schwieg ich und legte mich in Gunnars Arme, so, wie ich es immer tat, um
einzuschlafen.
Als ich heute Morgen so kurz vor
sechs erwachte, war Gunnar noch nicht zurück. Also schloss ich noch einmal die
Augen und schlief weiter.
Gegen halb acht wurde ich dann von
ihm wach geküsst und er lag neben mir.
Allerdings brach er bereits kurz nach
dem Frühstück nach Stockholm auf und Hannes informierte mich per SMS, dass er
nicht allein gefahren wäre. Natascha war bei ihm gewesen. Und da wäre noch
etwas, was er mir mitteilen müsse.
Also ging ich, kurz bevor ich begann
diesen diary Eintrag zu schreiben, zu den Detektiven, um mir berichten zu
lassen.
Sie bestätigten mir noch einmal, dass
Gunnar tatsächlich bis halb sechs im Office gewesen war, wie er angegeben
hatte, um zu arbeiteten. Anschließend sei er allerdings eine Stunde bei einer
gewissen Snezana He gewesen, um sich zu vergnügen. Dann hätte er mit Lara De Witt im Restaurant zu Abend gegessen
und gleich anschließend sei er umgehend zu Kevins Hütte gegangen, um mich
abzuholen. Nachts war Gunnar dann noch einmal von Mitternacht bis fünf Uhr
Morgens bei dieser Lara.
„Wollen sie die Aufzeichnung sehen?“, fragte Hannes.
„Geben sie mir die DVD, wenn sie eine haben.“
Er grinste. „Ich dachte mir, dass sie das sagen.“, sprach es und
reichte mir, wonach ich verlange.
Ich weiß nicht, ob ich nun zu Kevin
gehen soll, oder ob er noch immer schmollt. Wir könnten über die Reise seines
Sohnes sprechen. Denn er dachte darüber nach ihn hier her zu sich zu holen,
nachdem Gunnar und ich ihn am Sonntagnachmittag mit Inula Castanea und Óðinn Aron besucht hatten.
Andererseits überlege ich mir gerade, ob ich mir nicht erst einmal
die DVD anschauen sollte.......