Montag, 5. Mai 2014

Der Alltag und seine Wege



Gerade, dass wir einige Stunden beieinander waren, Gunnar und ich, denn er kam erst kurz vor dem Lunch zurück, verabschiedete er sich bereits gegen halb vier. Setzte sich in seinen Wagen und fuhr gen Stockholm davon. Dieses Mal jedoch „ohne“ Begleitung.

Kurz zuvor allerdings, war Ming Bei bei uns gewesen und äußerte sich sorgenvoll, wegen der in Kürze kommenden, neuen asiatischen Frauen und ihrem Stand als Gunnars Geliebte betreffend, was sie offensichtlich sehr bewegte. „Du wirst mich verstoßen und dir eine von den neuen Mädchen aussuchen.“, sagte sie und begann zu weinen.
Gunnar ging auf sie gegangen zu. Umarmt und eine Weile lang. Küsste sie sogar in meiner Gegenwart und ich musste es aushalte, es mit anzusehen.
Gleich anschließend kam sie auf mich zu. Schlang ihre Arme um meinen Hals und drückte sich an mich. „Danke.“, sagte sie leise. „Ich bin so froh, bei euch zu sein.“
Wie hätte ich ihr da noch böse sein können?

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Die Entscheidung, ob Cara Holm nun zukünftig ebenso zu den Clanschwester zählen soll oder nicht, war an mir hängen geblieben und ich entschied mich dafür. Da ich ohnehin am Sonntagnachmittag genügend Zeit zur Verfügung hatte, suchte ich sie auf und setzte sie davon in Kenntnis.
Doch zuvor ließ ich mir die Haare und mich selbst ein wenig auf hübschen. Alldieweil ich mir dachte am Abend selbst nach Stockholm zu fahren, um Troels zu besuchen.
Bevor ich jedoch losfuhr, rief ich ihn an. Er hörte nicht und war auch sonst nicht zu erreichen. Also, was tun mit der „freien Zeit“?

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Ich dachte noch einmal über Troels nach und war wütend. Wollte ihn aus meinem Gedächtnis streichen. Aber erinnerte mich in gleichen Augenblick an den Wohnungsschlüssel, welcher noch immer in meinem Besitz war.... und fuhr los. Stoppte jedoch nach wenigen Kilometern. Denn der Zweifel hatte an mir genagt, was ich dort sollte. Überdies hatte ich bemerkt, dass es mir beständig schlechter ging. Meine Kraft ließ nach. Die Glieder schmerzten. Also wendete ich und fuhr zurück zum Zentrum. Und bevor ich an unserem Haus mit dem Wagen zum Stehen kam, hätte ich beinahe noch Derek Moore überfahren. Ich hatte ihn nicht gesehen und als Entschuldigung, lud ich ihn zu mir nach Hause ein.
Er scheint mir ein Einzelgänger zu sein. Eine Art „einsamer Wolf“, der nicht wirklich zu jemandem gehört. Man sieht ihn oft allein und auf meine Frage, was er mitten in der Nacht, so gänzlich ohne Begleitung hier spazieren gehe, hatte er nur ironisch lächelnd geantwortet: „Sehe ich so aus, als müsse ich beschützt werden?“
Ich öffnete eine Flasche Champagner. Trank jedoch nur ein Glas und er zwei.
„Mr. Moore...“
„Derek“, unterbrach er mich und zwinkerte mir zu.
„Okay.“ Er fiel mir nicht wirklich leicht ihn zu duzen. Was mir jedoch mit Jason anfänglich genauso ging. Beginnt man mit einem oder zwei der Angestellten ein etwas näheres Verhältnis, ist es schwer, die gleichen Schritte wieder zurück zu gehen. Am Ende jedenfalls, ließ mich der Alkohol müde zusammen sinken und auf der Couch einschlafen, während wir noch fernsahen. Allerdings müssen es nur wenige Minuten gewesen sein, bis ich wieder erwachte, weil sich Derek offenkundig bewegte. Ich entschuldigte mich sogleich: „Es tut mir leid. Verzeihen sie.“, und schon war ich ganz automatisch wieder beim sie.
„Ich sollte gehen.“, sagte Derek und schickte sich an aufzustehen.
„Das müssen sie nicht.“, und noch immer der Automatismus des sie’s.
Er stutzte. Setzte sich wieder hin. Legte den Kopf ein wenig schief und sah mich ahnend an.
„Nein. Nein.“, wehrte ich ab. „Sie müssen nicht mit mir schlafen.“, schoss es unüberlegt aus meinem Mund heraus.
Er lachte. „Na ja. Ich meine....“ Derek kratzte sich verlegen am Kopf.
Ich sank zusammen. Senkte verschämt den Kopf. „So war das nicht gemeint. Es war nur überaus unpräzise formuliert.“
Nun zog er die Augenbrauen nach oben und legte die Stirn in Falten.
„Ich meine“, begann ich zu stottern, „wenn sie bleiben, bis ich eingeschlafen bin, ist das okay.“
Derek nickte.
Ab diesem Moment begann eine Zeit der befangenen Intimität. Zwei Menschen, die sich kaum kannten, trafen aufeinander und sahen sich in verhältnismäßig vertraulichen Umständen. Was an sich bereits ein wenig peinlich war. Ein Derek Moore, der mit mir des Nachts im Bad seine Zähne putzte. Sich zu mir ins Bett und seinen Arm um mich legte. Eine Frage hatte er jedoch noch: „Hättest du auch einen anderen Mann zu dir herein gebeten?“
Und erneut wehrte ich energisch ab. „Nein!“ Besann mich aber dann. Alldieweil ich an Jason dachte. „Jason Anekelea, sagte ich versonnen nickend, „Ihn hätte ich ebenso herein gebeten. Er kennt das Prozedere ganz gut.“
„Ja. Man erzählt sich so allerlei.“
„Nein. Nein. So ist das nicht.“, verwehrte ich mich erneut. „Er bleibt nur, so wie du jetzt“, bei diesen Worten kniff ich leicht beide Augen kurz zusammen, „ab und an bei mir, wenn Gunnar nicht hier ist. Das ist alles.“
„Gibt es vielleicht auch noch einen anderen?“
Ich räusperte mich. Denn genau genommen ging ihn das nicht wirklich etwas an. „Paul. Bradley womöglich noch. Wir drei, also Paul, Jason und ich, waren vor einiger Zeit gemeinsam in Berlin. Lernten uns dort ein wenig besser kennen.“
„Und was ist mit Troels?“
„Was soll mit ihm sein?“ Derek schien bestens über mich Bescheid zu wissen.
„Ich dachte, er....“
„Ja. Jedoch scheint er jetzt anderweitig beschäftig zu sein.“
„Ah.“
Derek blieb bis etwa fünf Uhr heute Morgen. Stand leise auf. Nahm meine Hand und küsste sie. „Ich gehe dann mal besser.“, sagte er lächelnd und wagte einen vorsichtigen Kuss auf den Mund, bei welchem er kur vor meinen Lippe inne hielt und mich noch einmal prüfend ansah. Ich lächelte. Er nickte und legte, für einen kurzen Augenblick, sanft seine Lippen auf die Meinen. Dann ging er.
Zwei Stunden später kam Gunnar.

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Briefing heute Morgen.
Es wurde beschlossen, Marion Voltaire, die Französin, zu uns ins Büro zu holen. Sie wird sich um den Schriftverkehr kümmern und als Übersetzerin tätig sein. Überdies fand die junge, attraktive Julia Lundin, die mir auf irgendeine Weise mit ihrem roten, langen Haar ähnelt, als Auszubildende ebenfalls im Büro ihren Platz. Ich hoffe, dass Gunnar seine Finger von ihr lässt.
Dahl Lindqvist schlug indes vor, die Asiatinnen, welche in der zweiten Thai-Massage Abteilung keinen Job mehr finden werden zu fragen, ob sie womöglich als Kellnerinnen, Zimmermädchen, Hilfspersonal oder eben da, wo sie gebraucht würden, eingesetzt werden wollten. Denn es sind in der Tat erstaunliche viele Frauen,  sich heute Nachmittag vorstellen werden.
Geoffrey Suris wurde auf Grund seiner Ausbildung dem Sicherheitsteam hinzugefügt.