Gunnar
war, erstaunlicher Weise, während ich schrieb, im Fitnessstudio trainieren.
Anschließend
der gemeinsame Lunch. Gleich danach ein ausgedehnter Spaziergang rund um den
See, wie ich ihn schon lange nicht mehr gegangen war. Es war anstrengend. Wenn
auch nicht kalt. Wenn man kontinuierlich geht, bemerkt man die Kühle nicht.
Nach
einiger Zeit allerdings, war es nötig für mich, immer wieder Pausen einzulegen.
Was für Gunnar ein Leichtes war, ist für mich ein Marathon. An dessen Ende ich
beinahe zusammen brach. Und ich fragte mich, WARUM tat ich mir das an? Das
hätte nicht sein müssen. Gunnar hatte wieder und wieder angemerkt, dass es doch
vielleicht besser wäre umzukehren. Aber nein. Ich stellte mich ganz bewusst
dieser Herausforderung. Weil ich schlicht und einfach neugierig war, was und
wie viel ich noch zu leisten im Stande bin.
„Ich trage
dich, wenn es sein muss.“, sagte Gunnar besorgt und griff nach meiner Hand.
Ich zog
sie zurück und ging noch schneller voran. „Nein. Lass mich. Ich schaffe das
schon.“
Gunnar
schnaufte und lief mir hinterher. Holte mich ein und umfing mit seinen Armen
meine Taille. Hob mich hoch und ließ mich strampeln.
„Lass mich
los!“, widersetzte ich mich.
„Rea! Sei
doch bitte vernünftig!“, mahnte er.
Als wir,
nach der Runde um den See, beinahe beim Restaurant angelangt waren, kamen uns
Kevin, Janina und Vince entgegen. Ich taumelte schon fast auf ihn zu. Gunnar hielt
meine Hand und ließ ich es ihn tun. Weil ich befürchtete umzukippen. Es muss
ein eigenartiger Anblick gewesen sein und im Nachhinein schäme ich mich dafür.
Wie konnte ich Kevin nur so brüskieren?
„Kevin!“,
rief Gunnar meinem alten Freund entgegen, „Kannst Du Rea nicht zur Einsicht
bewegen?“
Ich blieb
vor Kevin stehen, atmete schwer und wankte, als wäre ich betrunken. Genau
genommen, war ich einer Ohnmacht nahe.
„Was ist
denn passiert?“, hörte ich Kevin Stimme fragen. Sie klang so nah und dann
wieder so fern.
„Oh mein
Gott!“, kreischte eine Frau. Es musste Janina gewesen sein. „Haltet sie doch.
Sie fällt gleich um.“
Ich spürte,
wie sich energisch ein Arm von hinten und noch einer von vorne um mich legten.
Es mussten Gunnars Arme gewesen sein. Denn sein Gesicht war mir so nah. Ich sah
die Stoppeln seines Bartes. Sie schimmerten golden in der prallen Sonne.
Ich war so
euphorisch in diesem Augenblick, dass ich kaum meinen Körper spürte. Lächelte,
drehte meinen Kopf von einem zum anderen und gab Gunnar eine Kuss auf die
Wange. Nebenher hörte ich Kevins Stimme.
„Setz sie
doch zu mir auf den Stuhl und wir bringen sie zum Haus. Dann trägst du sie
rein.“
„Was hat
sie getan?“, vernahm ich erneut die stimme der Frau, die für meine Ohren alles
durchdrang.
„Nichts.
Sie ist nur gelaufen.“, sagte Gunnar zu ihr. „Es war einfach zu viel.“
„Hat sie
es nicht gewusst, dass sie das nicht
mehr kann?“ Besorgnis klang in Janinas Stimme und ich......musste lachen.
„Ja.
Natürlich wusste sie das.“
„Warum tut
sie es dann?“
„Frag’
nicht so viel.“, herrschte Kevin Janina an und ich..........lachte weiter.
Sie
redeten und redeten, als wäre ich nicht dabei.
„Es ist
einer dieser Tage“, Gunnars Stimme nahm kapitulierende Züge an und
ich,......lachte vor mich hin.
„Ist sie
betrunken?“, fragte Janina Gunnar schließlich, ohne auf Kevins Rat zu hören,
nichts mehr zu fragen.
„Nein.
Selbstverständlich nicht.“, verteidigte mich mein Ehemann.
„Warum
lacht sie dann?“
„Janina.
Sei bitte still jetzt. Wir müssen ihr helfen.“ Kevin. So kannte ich ihn. Bei
Gefahr,.....über-legen. Und ich........lachte und lachte. Die anderen wunderten
sich. Sicher starrten sie mich an und waren am Staunen. Oder schauten sie eher
befremdlich drein? Ich wusste es nicht. Nahm es nicht...mehr.....wahr. Die
Schmerzen, die Krämpfe drangen nun in mein Bewusstsein durch und erreichten ein
Maß der Unerträglichkeit. Es ging NICHTS mehr! Meine Beine gaben nach und ich
sackte zusammen.
Gunnar
fing mich auf und setzte mich auf Kevins Schoß und sie brachten mich nach
Hause. Gunnar trug mich ins Haus, nachdem er sich bei Kevin bedankt und
verabschiedet hatte.
Was für
eine Rally. Dachte ich noch so, während Gunnar mich nieder legte. Ich konnte hören,
wie er schnaufte.
„Was
ist?“, fragte ich ihn.
„Du bist verrückt.“,
was eine Feststellung zu sein schien. „Weißt du das?“
„Warum?“
„Du weißt
genau, dass du nicht so weit gehen kannst. Warum tust du es dann?“
„Ich
wusste es nicht.“, rechtfertigte ich mich und wurde ernster. „Es war mir danach
es auszuprobieren. Du warst doch bei mir, zur Sicherheit. Was hätte mir da
schon passieren können? Nichts. Wie du siehst.“, beantwortete ich mir meine Frage
selbst.
„Rea. Was
machst du nur.“ Ich sah Gunnar wie er sich neben mir fallen ließ. Er beugte
sich zu mir herüber und küsste mich. „Du bist eine Irre.“ Er lachte und legte
sich neben mich. Ich lachte mit.
Nach einer
Weile des gemeinsamen Gelächters bekam ich Appetit. „Bestelle mir bitte eine
Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen dazu. Und was möchtest du?“ Ich wendete
meinen Kopf Gunnar zu und lächelte ihn an.
Er
grinste. „Ich glaube, ich nehme das Selbe.“ Und im gleichen Atemzug die besorgte
Frage: „Geht es Dir wieder gut?“
„Besser.
Bis auf meine Beine. Die Krämpfe an Bauch und Rücken. Und die Füße. Sie
brennen.“
„Das sind
Nervenschmerzen. Magst du vielleicht etwas dagegen einnehmen?“
„Nein.“
„Was macht
dein Herz? Ist da ein Druck? Ein Stolpern?“
„Nein.
„Gut.“ Und
du lügst mich auch nicht an?“
Erneut
musste ich lachen. „Nein. Warum sollte ich das tun?“
„Damit du
einen Anlass hast, die Medikamente abzusetzen. Und ich weiß, dass du es
willst.“
„Ja.
Natürlich. Was denkst du denn? Die Ärzte sagen, dass es meinem Herz besser geht
und trotz alldem verschreiben sie mir noch mehr von diesem Zeug. Was soll denn
das sein? Ich verstehe das nicht.“
„Nimm’ sie
doch erst einmal. Du kannst sie doch auch später noch aus dem Medikamentenplan
streichen.“
Unwilligkeit
machte sich in mir breit. Dennoch wusste ich, Gunnar hatte Recht.
„Ja.
Meinetwegen.“, gab ich auf.
----------------------------------
Am Abend
sahen wir ein wenig fern und ich surfte zuweilen im Internet. Schrieb sogar
bereits ein wenig an diesem Post. Marie rief kurz an und Gunnar sprach mit
seinen Kindern. Was man so sprechen nennen kann. Zumindest war er glücklich dabei.
Derek rief
an, um mir zu sagen, dass er erkältet war. OH Gott! Dachte ich. Nur gut, dass
ich dieses Wochenende NICHT bei ihm war.
„Sei bitte
vorsichtig und infiziere deine Mutter nicht. Du weißt, es wäre gefährlich.“
„Ja. Ich
habe auch ihr bereits Bescheid gesagt.“
Später:
„Du hast
heute nicht fremd gefickt.“, bemerkte ich gänzlich ungeniert meinem Ehemann
gegenüber.
Der
lachte! Und warf seinen Kopf zurück. „Nein.“
„Und? Hältst
du es auch noch weiterhin aus?“
„Wir
werden sehen?“
„WAS soll
das bitteschön bedeuten?“ Die Frage war doch eher als Scherz gedacht.
Gunnar zog
mich zu sich hinüber und drückte mich fest an seinen Körper heran.
„Hab’
keine Angst. Ich schaffe das schon.“ Was ICH genau genommen bezweifelte. Nun,
wir werden sehen.
„WIE wird
es heute Nacht sein?“, fragte ich vorsichtig an.
Gunnar
lächelte. „Ich bleibe bei dir. Nichts anderes. Das verspreche ich.“
Ich sah
ihn nachdenklich an. „Was geschieht da gerade mit dir?“
„Ich
versuche nur, dir ein guter Ehemann zu sein.“
„Wie
lange?“, vermochte ich mir diese Frage nicht zu verkneifen. „Bis wir wieder in
Stockholm sind und du zu Alexa gehst?“
„Ja.
Vielleicht.“
„Vielleicht?
Wann hast du vor zu gehen?“ Nun war meine Aufmerksamkeit geweckt.
Gunnar
begann mich sanft zu streicheln. Er blieb, im Gegensatz zu mir, ganz ruhig.
„Wir fahren gemeinsam. Am Montagmorgen zurück.“
Seine
Worte beruhigten mich und ich lächelte ihn an. „Okay. Das ist gut zu wissen.
Und bis dahin? Bleibst du mir treu?“
Noch immer
strahlte Gunnar Gelassenheit aus. „Aber natürlich tue ich das.“
War er
tatsächlich bestrebt ein braver(er) Ehemann zu sein? Ich konnte es kaum
glauben. Dennoch erfreute ich mich daran.
-----------------------
Wir hatten
uns noch einen Film angesehen und gingen viel zu spät ins Bett. Es muss so
gegen halb drei gewesen sein. Natürlich war nicht sekündlich ans Einschlafen zu
denken.
„Wie wäre
es, wenn wir beide wieder einmal eine Zeit bei Erik im Zauberwald verbringen?“,
fragte mich mein Ehemann und ich war erstaunt.
„Ach.
Tatsächlich? Ohne Alexa, oder irgendeine andere Frau. Nur wir beide bei Erik?“
„Ja.“
Mit diesen
Gedanken vermochte ich gut in den Schlaf zu kommen.
Kein Sex.
Gleichwohl nicht am Morgen. Obwohl auch mir so la, la danach war. Und Gunnar so
wie so. Allerdings war es bereits zehn, als wir erwachten.
Im
Restaurant begegneten wir Derek.
„Komm’
nicht zu nah’.“, wehrte ich energisch ab. Denn ich hatte mitnichten die Absicht
mich bei ihm anzustecken. „Ich hoffe, du warst mit deiner Erkältung nicht bei
deiner Mutter.“, rief ich ihm noch zu.
„Nein, war
ich selbstverständlich nicht. Ich weiß, dass es gefährlich für sie ist.“
Etwas
später kamen Thomas und Natasha an unseren Tisch. Setzten sich jedoch nicht.
Sagte ausschließlich Hallo.
„Ich hoffe
du hast es dir überlegt und bleibst noch eine Weile.“, sagte ich zu ihm.
Er
schmunzelte und hob die Schultern. Machte ein verklärtes Gesicht. „Vielleicht.“
Gunnar ist
joggen gegangen. Zumindest hoffe ich das. Wenn nicht, wird man es mir
sicherlich später erzählen..........