Sonntag, 24. Januar 2016

Sonntagsgesichter



Ich dachte über Gunnar nach, während ich auf einen Anruf von ihm wartete und Derek noch im Fittnessstudio war.
Sind unterschiedliche Interessen, Geselligkeit, Familienbewusstsein und Gunnars Neigungen, welche ich nicht mit ihm zu teilen vermag, Scheidungsgründe???
Wenn ich es genau bedenke, sind wir recht unterschiedlich. Aber das wäre es mit Derek gleichermaßen. Also hätte ich, würde ich mich für ihn entscheiden, nicht wirklich etwas gewonnen. Zudem hätte er gleichwohl ein Kind mit einer anderen Frau. Allenfalls ist ER zumindest zuverlässig und charakterfest. Sei denn, er würde sich noch ändern. Was man schließlich nie wissen kann. Zu Beginn einer Beziehung, zeigt jeder nur sein Sonntagsgesicht.

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Den Lunch nahmen wir erneut erst sehr spät ein und es war, wie am Tag zuvor. Dereks Mutter kam ins Restaurant, um ihren Kaffee zu trinken.
Und wieder blieben wir noch eine Weile gemeinsam sitzen. Auch ICH gönnte mir gleich im Anschluss an mein üppiges Mahl, welches aus gegartem Kürbis, Möhren, Zwiebeln, einer Champignoncremsoße und einem Soja Cordon bleu bestand, einen Kaffee Latte. Später, wurde dann noch ein Smoothie bestellt. Jedoch erst, nachdem mich Derek zum Sport genötigt hatte.
„Komm“, sagte er zu mir, „wir gehen ein Stück.“
Mir war nicht danach. Dessen ungeachtet ließ mir Derek keine Ruhe, bis ich ein Stück mit ihm ging. Ab und an gab er Anregungen, was ich tun sollte. Wie beispielsweise: „Hohl’ ganz tief Luft und jetzt einmal die Arme hoch.“ Es fiel Schnee und war noch immer verhältnismäßig kalt. Als wir zurück zum Haus kamen, war es bereits dunkel. Ich hatte dann auch.....genug.

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Bis zum Abend noch immer nichts von Gunnar. Hatte er mich vergessen??? Oder was??????
Infolgedessen blieb ich bei Derek im Zentrum und.......wartete ab. Bis ich es schlussendlich leid war zu warten und selbst zum iPhone griff. Von Derek erntete ich einen missbilligenden Blick. Sicher sähe er es gerne, wenn ich weiterhin bei ihm bliebe. Dachte ich so. Dennoch tippte ich auf die Taste mit Gunnars Nummer. Er nahm sogleich ab.
„Hey Schatz. Wo bleibst du denn? Wir warten auf dich.“
„W- i – r? Wer ist wir?“
„Alexa und ich. Ossian und Taylor sind ebenfalls hier. Wir wollen heute Abend zu Hjalmar gehen und dann vielleicht mal durch die Bars.“
Ich schnaufte und verdrehte die Augen. „Angesichts deiner Vorhaben, meinst du tatsächlich, dass es sich für mich lohnt zu dir zu kommen? Ich vermute wohl kaum. Alexa wird dich sicherlich gern begleiten.“ Und Taylor mag mich ohnehin nicht gut leiden. Hätte ich am aller liebsten noch erwähnt.
„Ja. Ich denke schon.“, kam seine Antwort total unbedarft.
„Dann werde ICH dir sicherlich NICHT fehlen.“
Eine kleine Pause entstand. Wusste er etwa nicht mehr, was er erwidern sollte? Eigenartig. Aber dann doch noch ein paar versöhnliche Worte. Bla, bla, bla....
„Natürlich fehlst du mir. Was denkst du nur. Ich finde es überaus schade, dass du mich nicht begleitest. Wäre es so, ich würde mich freuen.“
Natürlich doch. Das sagte er doch nur, um mich zu beruhigen. Würde ich mich ihm tatsächlich anschließen auf seiner Stimmungstour, wäre ich ihm doch nur eine Last. Oder die Spaßbremse für seine Brüder und Freunde. Allenfalls wäre es ihm womöglich zu viel, sich ständig um mich zu kümmern, wenn es mir dann doch nicht gefiel und ER in Partystimmung ist.
„Schon okay. Ich bleibe eine weitere Nacht hier.“, sagte ich traurig und legte auf. In meinem Hals hatte sich ein Kloß geformt und genau genommen, war ich den Tränen nahe. Wieso tat er das?????
Es ist zu vermuten, dass er sich der Tragweite seiner Handlungen nicht einmal bewusst geworden war. Zumindest verhält er sich nicht so, als wäre es ein Säumnis. Für ihn scheint das alles so völlig normal. NICHT für mich. Was ist denn DAS für eine Ehe, wenn einer jedes Wochenende ohne den anderen trinken und feiern geht??? Ich verstehe Gunnar nicht. Wird er denn nie erwachsen???? Begreift er nicht, dass mir so ein Leben nicht zuträglich ist? Und obendrein nicht gefällt! Wäre es da nicht selbstverständlich für den geliebten Ehepartner zurückstecken? ICH, würde es zumindest tun. ER offensichtlich nicht. Männer....eben. Sie denken, in ihrer selbst-herr-lichen Art, alles tun zu können, was ihnen beliebt.

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Somit verbrachte ich bereits den dritten Abend und die dritte Nacht mit Derek in meinem Haus am See. Nun ja, zumindest vermag ich über ihn nicht zu klagen. Obwohl es einen minimalen Zwischenfall mit Giselle gegeben hat. Sie hatte ihn im Restaurant angesprochen. Er fertigte sie kurz und knapp ab. Ich, versuchte sie nicht weiter zu beachten. Ignorierte sie ganz einfach.
Das späte Dinner nahmen wir mit Magdalena, Kevin, seinem Sohn Vince und Janina ein. Als sich Janina so zwischenzeitlich die Nase pudern gegangen war, zog mich Kevin zu sich heran und gestand mir, dass sie sich gestritten hatten. Deshalb also der verspannte Gesichtausdruck und der zornige Blick von ihr.
„Um was ging es denn?“, fragte ich höflicher Weise.
Kevin grinste. „Um dich.“
Ich musste lachen. „Wieso das denn? Es gibt doch keinerlei Anlass dafür.“
„Ich weiß das und du ebenfalls.“ Kevin nickte mir zu mit einem bedeutsamen Blick. „Aber sie nicht. Ich vermute, dass sie hier nicht wirklich zufrieden ist ihr Frust äußert sich in solchen Streitereien, die jeglicher Grundlage entbehren.“
Ich schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid Kevin.“
„Das muss dir nicht Leid tun, Rea. ICH bin glücklich hier.“ Kevin zwinkerte mir verschwörerisch zu und ich wusste, er meinte es ernst.
Sein Sohn Vince hatte die Ohren gespitzt und nickte nun ebenfalls. „Ja Papa. Mir gefällt es hier auch.“
„Na dann ist doch alles gut.“ Kevin strich seinem Sohn mit der Hand über den Kopf. „Wenn es dir gefällt, bleiben wir selbstverständlich hier.“ Jetzt küsste er ihn aufs Haar und der Kleine schien total zufrieden.

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Der Abend geruhsam. Der Morgen mit durchschnittlichem Sex. Aber dennoch überaus liebevoll und recht bezaubernd.
Das Frühstück im Restaurant. Wo wir Dereks Mutter Magdalena trafen und neben uns saß Thomas mit seiner.....(Schlampe) Lebenspartnerin. Sie könnte seine Tochter sein(!). Zudem begann sein Verhältnis mit ihr in der Zeit, als Gunnars Mutter noch sehr lebendig war.
„Was schaust du sie so böse an?“, fragte Derek und schmunzelte.
Bevor ich jedoch antwortete, tat ich einen prüfenden Seitenblick zu Magdalena hinüber. „Ich mag sie nicht, weil sie sich zwischen Christin, Gunnars Mutter““, sagte ich zur Erklärung Magdalenas, „und Thomas gedrängt hat. Sie hatten ein Verhältnis, als Sie noch am Leben war. Wie konnte er DAS nur tun?? Ich vermute, sie wusste davon.“
„Oh! Auch so einer dieser Sorte Männer.“, bemerkte Magdalena nur und verzog das Gesicht.
„Er ist kein schlechter Mensch.“, verteidigte ich ihn aus einem sonderbaren Impuls  heraus, der selbst mir, sobald ich ihn bemerkte, befremdlich erschien. Welchen Grund hatte ich diesen Mann vor Diffamierung zu schützen? Mag sein, er ist ein warmherziger, loyaler und sympathischer Mensch. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass er fremdgegangen ist.
„Wieso tun Männer das?“, sprach ich laut aus und war noch in Gedanken.
Magdalena lachte mild und ihre Mimik war ein wenig zynisch. „Weil es eben Männer sind und sie es können.“
Oho! Dachte ich so. Sie ist (natürlich!) auch eine dieser Frauen, welche die Selbstherrlichkeit und Dominanz der Männer bereits zu spüren bekommen hat. Wie fast alle Frauen dieser Welt. Nur die meisten sind so tief im Stockholm Syndrom, wie man nur in einem Moor versinken kann. Sie schützen und verteidigen die Männer noch mit Klauen und Zähnen. Was genau dieser anerzogene Impuls von mir eben bewies. Allerdings bemerke ich es zumindest so allmählich.
Derek lenkte nur unsere Aufmerksamkeit auf etwas anderes. Womöglich war es ihm unangenehm, wenn seine Mutter derartiges sprach. Wer weiß.
„Hattest du nicht erwähnt“, wandte er sich nun mit einem durchgehenden, gewinnenden Lächeln an mich, „das du nach Australien fliegen wolltest?“
„Ach! Hatte ich dies tatsächlich bereits angemerkt. Ich war der Meinung, ich hatte es für mich behalten.“
Derek lachte. „Nein.“
„Warum fragst du danach?“
„Ich dachte nur, dass wir zusammen reisen und ich ein paar Tage in Japan bleiben könnte.“
Ich stutzte „Wie bitte? Du gedenkst mich allein zu lassen?“ Ich hatte den Sinn seiner Aussage noch nicht gänzlich erfasst. Jedoch noch im selben Moment erschloss sich mir die Essenz des Gesagten. Was mir Derek mit den folgenden Worten bestätigte.
„Nein. Nein. Das will ich selbstverständlich nicht!“, wandt sich Derek heraus, wie ich fand. „Ich dachte nur. Wenn wir schon einmal in dieser Gegend unterwegs sind, könnte ich meinen Vater dort besuchen. Was meinst du, wenn wir gemeinsam nach Australien fliegen und auf dem Rückweg kommst du mit mir nach Osaka.“
Ich räusperte mich, um meine Unwilligkeit auszudrücken. „Genau genommen dachte ich nicht an eine Familienfeier teilzunehmen. Du weißt, dass ich das nicht mag.“
Aus dem Augenwinkel sah ich Magdalena schmunzeln. Es war mir klar warum. Sie war nicht gut auf ihren Ehemann zu sprechen. Insbesondere JETZT, wo er mit seiner zweiten Frau zusammen lebte. Dennoch gab sie ihren Kommentar dazu.
„Du willst also deinen Vater besuchen.“ Es war keine Frage, doch eher eine Feststellung.
„Ja. Warum denn nicht? Wenn sich die Gelegenheit bietet.“, verteidigte er sich.
Sie ließ es nun eigenartiger Weise darauf beruhen und wandt sich ihrer Tasse Kaffee zu.
Derek saß da mit gesenktem Kopf und gab Ruhe. ICH, für meinen Teil, würde jedenfalls NICHT zu dem Preis den Rest seiner Familie kennen lernen zu dürfen (müssen!), nach Australien fliegen. In diesem Fall, verzichte ich lieber darauf. Punkt!