Samstag, 23. Januar 2016

Einfach nur ein angenehmer Mann



Die Frage war, was tun am Freitagnachmittag? Bei Derek bleiben? Oder zurück nach Stockholm, zu Gunnar fahren. Denn Gunnar hatte schließlich angemerkt: „.....und das Wochenende, nur für uns zwei.“ (Was ich ohnehin bezweifle. Denn Alexa ist stets gegenwärtig.)
Nun, die Entscheidung wurde mir quasi abgenommen. Aber dazu später.

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Derek und ich waren noch ungewöhnlich lange mit Thomas, Kevin, Imara, den beiden Marions und Ben Holmgren im Büro. Dementsprechend spät war der Lunch, so gegen drei.
Dereks Mutter kam zu uns an den Tisch, während wir noch speisten. Sie lachte. „Ihr seid noch beim Mittagessen und ich komm’ zum Kaffeetrinken her.“
„Den Kaffee trinke ich gleich im Anschluss an den Lunch.“, antwortete ich ohne weiter darüber nachzudenken. Sie lächelte, nickte mir zu und nahm Platz.
Wir blieben eine lange Weile mit Magdalena sitzen. Sprachen verschiedene Themen an. Gieselle, das Kind, und was SIE, so ganz persönlich, darüber denkt.
„Schließlich möchte jede Mutter für ihren Sohn das Beste.“, sagte ich zu ihr. „Und ICH bin eine zwar emanzipierte, aber kranke Frau, deren Beziehungen ständig am scheitern sind und die zudem niemals mehr Kinder bekommen wird. Welche Mutter würde ihrem Sohn raten, sich mit so einer Person zu verbinden?“, sprach ich schlicht und einfach aus, was ich dachte. Und es war mir gleichgültig, WIE sie es (an-)nahm. Es war überhaupt eine sehr OFFENE Diskussion. Von ALLEN beteiligten. Was ich doch sehr zu schätzen weiß. Magdalena scheint eine ebenso kranke, jedoch recht selbstbewusst gewordene, ältere Frau zu sein, die genau zu wissen scheint, was sie wann aussprechen kann und wann sie besser, in ihrem eigenen Interesse, schweigt. Vielleicht sollte ich sogar soweit gehen, sie als eine weise Frau zu bezeichnen, die gelernt hat, sich mit ihrer Umwelt und den sie umgebenden Bedingungen anzufreunden. Womöglich zudem noch ihren Nutzen daraus zu ziehen und trotz alledem zu anderen ehrlich zu bleiben. DAS würde ich schon weise nennen. Ebenso, dass sie in keinster Weise feindselig oder zänkisch ist. Sondern eher ruhig und gelassen. Allerdings vermag ich mir vorzustellen, dass sie gleichwohl auch anders kann.
Nun, vorerst werden es Vermutungen bleiben. Denn so gut und so lange kenne ich Dereks Mutter noch nicht. Ich kann ausschließlich spekulieren, was sie wirklich denkt. Nicht mehr.

In einer der Diskussionspausen läutete mein iPhone. Es war Gunnar. Ich hatte es mir bereits gedacht und mich gefragt, WANN er anrufen würde. Nun war es soweit und ich konnte es kaum erwarten zu hören, WAS ER MIR zu sagen hatte.
„Hey Schatz, wo bleibst du denn? Ich dachte du kommst heute zurück.“
Ich erklärte ihm kurz, dass es im Büro noch zu tun gab und dass ich gerade erst den all zu späten Lunch zu mir genommen hatte.
„Okay. Kein Problem. Dann kommst du jetzt?“
„Ja.“, sagte ich, obwohl ich in diesem Augenblick lieber nein gesagt hätte. Jedoch erinnerte ich mich an Gunnars (Versprechen???) Worte, dass es (wieder einmal) ein Wochenende NUR für uns zwei werden sollte.
Ich hörte, wie Gunnar sich räusperte und fragte, was sei.
„Wir werden Besuch bekommen?“, antwortete er.
„Wir? Wer ist wir? Du, ich und Alexa? Oder nur du und ich? Und WELCHEN Besuch bitteschön?“, wurde ich stimmlich ein wenig provokant.
„Ja. Wir drei. Du, Alexa und ich.“, womit geklärt war dass es mitnichten ein Wochenende nur für uns zwei werden wird. „Mein Bruder Carsten ist der Besuch. Mit seiner Freundin Dalal und ihrer Familie.“
Ich hüstelte. „Wie bitte?“ Ich entrüstete mich. „Hast du sie etwa eingeladen?“
„Nein!“, kam noch augenblicklich der Widerruf.
„Kannst du ihnen nicht absagen? Ich gedachte mich zu erinnern, dass du sagtest, ein Wochenende nur für uns zwei.“
„Ja. Mag sein.“, druckste er herum „Ich kann meinem Bruder doch nicht einfach absagen, wenn er kommen will.“
„Doch kannst du.“
„Nein. Kann ich nicht.“, widersprach er mir.
„Okay. Wie du meinst.“ Jetzt wurde ich tatsächlich zornig. War mitnichten bereit etwas hinzunehmen, was mir widerstrebte. „Ich denke du weißt genau, dass ich meine Zeit NICHT mit solchen Leuten verschwende. Es tut mir leid. WENN du darauf bestehst, dass sie kommen, dann bleibe ich hier.“
Stille..................
Es war mein Tonfall, der Gunnar zu verstehen gab, dass es mir ernst mit dem Gesagten war. Nun schien er nachzudenken. Und dann ein: „Meinetwegen. Wie du willst.“, sprach es und legte auf.
Offenkundig hatte er angenommen, dass ich alles hinnehmen und trotz alledem zu ihm kommen würde. So wie für gewöhnlich. Aber warum sollte ich? Hatte ich doch tatsächlich das aller erste Mal sogar ernsthaft über eine Scheidung von ihm nachgedacht. Und es selbst vor Derek und seiner Mutter ausgesprochen. Vielleicht sollte ich ganz und gar als freie, wilde Frau und Chefin meines eigenen spirituellen Zentrums hier, im Haus am See wohnen und mir die Männer nehmen, wie es mir gerade beliebt. DAS wäre EINE Möglichkeit, die ich nur all zu gern in Betracht ziehen würde. Denn eine Entscheidung zu Gunsten Dereks wollte ich, augrund dieser Giselle und ihrer Schwangerschaft, tatsächlich noch nicht fällen.
„Kevin ist anscheinend deine letzte Option.“, bemerkte Derek ein wenig lapidar, als wir über meine Gefühle zu ihm sprachen. Denn ich hatte ernsthaft angemerkt, dass ich noch immer, in meinem Inneren, etwas für Kevin empfand.
„Warum denn nicht?“, sagte ich gerade heraus UND es war mir total ernst damit. Wenn mir so nach und nach die Freier ausgehen, würde ich sogar mit Kevin, dem Mann im Rollstuhl, vorlieb nehmen. Und es war nicht NUR eine letzte verzweifelte Tat. Nein. Ich könnte es mir durchaus vorstellen mit ihm zusammen zu sein. Und ich würde mich gleichwohl an seine Kränklichkeit gewöhnen. Denn immerhin war er  noch DER Kevin, den ich schon so lange Zeit kannte und in gleichem Maße auf eine besondere Weise liebte. Ob er nun gehen konnte oder nicht.
Derek war von meinen ach so ehrlich und offenen Gedanken nicht wirklich angetan. Magdalena schmunzelte. Tat dazu nur wenig Bemerkungen kund, sodass ich erneut nicht einzuschätzen vermochte, wie sie tatsächlich zu mir und meiner Sicht der Dinge stand.
Irgendwann war ich es leid, Rede und Antwort zu stehen. Es war ähnlich, wie auf einer Anklagebank zu sitzen. Was ich total unnötig fand. Infolgedessen brach ich ab und ging allein zurück zum Haus, während Derek seine Mutter zur ihrer Hütte begleitete. Gleich anschließend kam er noch einmal kurz zu mir, um mich davon in Kenntnis zu setzen, dass er JETZT beabsichtigte, ins Fitnessstudio zu gehen.
„Nun gut. Wenn es denn sein muss. Dann schreibe ich eben und surfte ein wenig im Internet.“
„.....wie du es immer tust.“, vervollständigte er meinen Satz aus seiner Sicht heraus.
Ich erwiderte nicht und ließ ihn ziehen.

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Derek kam gegen acht zurück, als er fertig war Gewichte zu stemmen. Okay. Ich verstehe, dass so ein muskulöser Körper Training braucht. Warum nicht? In jedem Fall ist es besser Derek im Kraftraum zu wissen, als (m)einen Ehemann mit anderen Frauen.
Von Gunnar hörte ich an diesem Abend kein einziges Wort mehr. Nichts. Kein Anruf. Keine Aufforderung zum Kommen. Keinerlei Verständnis. Kein Einlenken. Zudem fragte ich mich, ob Alexa das alles so zu tolerieren vermochte. Anscheinend konnte sie es.
WAS soll ich daraus schließen? Dass ihm seine Familie, seine Brüder wichtiger sind als ich? Oder will er mich einfach nur bestrafen? Mich nötigen nachzugeben.
Ich weiß es nicht.
Im Gegenzug dachte ich über eine Strafe für Gunnar nach. Eine Reise mit Derek nach Australien, zum Tennisturnier, kam mir in den Sinn. Nur war ich mir nicht sicher, ob Derek mich überhaupt begleiten würde. Muss er sich doch hier um seine Mutter kümmern. Schließlich hat er es ihr versprochen. Also ließ ich den Gedanken fallen und schwieg.

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Es ist ein angenehmes Zusammensein mit Derek. Ich könnte mich womöglich sogar daran gewöhnen. Wer weiß. Allerdings ist er gleichwohl ein Familienmensch und seine Familie ist ebenso groß wie Gunnars. In dieser Hinsicht würde sich wohl kaum etwas verändern und ich bin auch in seinem Fall nicht bereit, mich Familiensitten anzupassen oder in seine Familienstrukturen einzufügen. Ich bin kein wirklich geselliger Mensch.

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Der Abend, die Nacht und der Morgen (samt Sex), einfach nur........s-c-h-ö-n! Angenehm und lebenswert. Keinerlei Beschwerde.
Derek besuchte sogleich nach dem Frühstück seine Mutter und im Augenblick trainiert er bereits.
Ich,.......denke über meine nächsten Schritte nach und warte auf einen Aufruf von meinem Ehemann. Oder sollte ICH IHN etwa anrufen?