Mittwoch, 6. Januar 2016

Ein beinahe tadelloser Ehemann



Auf dem Weg ins Zentrum ließ ich noch einmal die vergangenen Stunden mit Gunnar Revue passieren. Ein zufriedenes Lächeln huschte bei diesen Gedanken über mein Gesicht. Alles an mir,...war zufrieden.
Und dann fiel mir ein, ich hatte nicht einmal danach gefragt, ob wir uns heute Abend wieder sehen und wenn,....allein?
Verdammt! Diese Unsicherheit übertünchte und verdrängte doch tatsächlich meine Glücksseligkeit. Nun gut. Meinetwegen. Derek war schließlich auch noch da. Wie ein Licht am Ende des Tunnels. Ich hoffte nur, er wurde meiner Vorstellung gerecht und erwies sich erneut als strahlender, geduldiger, loyaler Held und Liebhaber. Allerdings befürchtete ich, dass er mir, wegen meines Verschwindens böse sei.

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Ich ging nicht gleich nach Ankunft im Zentrum zum Büro. Stattdessen sandte ich Thomas eine Nachricht, dass ich später kam. Und eine Andere zum Restaurant, um meinen Lunch zu bestellen. Welchen man mir ins Haus liefern sollte.
Thomas schrieb zurück, dass sich Derek für heute frei genommen hätte. Das war doch äußerst vorteilhaft. So vermochte ich am Nachmittag meine Geschäfte zu erledigen. (Ohne mich rechtfertigen zu müssen.)
Doch während ich so allein saß und meine Dinkelnudeln verspeiste, dachte ich darüber nach, dass es doch nur anständig wäre, bei Derek vorbei zu schauen. Gleichwohl, um seine Stimmung einzusehen.
Ich fasst Mut...und ging......zum Büro. Und genau DORT ergab es sich am späten Nachmittag, so gegen fünf, von ganz allein. Derek kam, um zu sehen, ob an diesem Tag noch etwas zu tun für ihn war. Ich saß noch immer fleißig mit Kevin und Imara an meinem Rechnungspaket. Es war ohnehin Zeit das ganze zu beenden. Denn meine Augen brannten, vom intensiven Starren in den Bildschirm.
„Oh! Du bist hier? Das wusste ich nicht. Hättest du nicht etwas sagen können?“
„Ich kam erst am Nachmittag und seitdem sitze ich hier über den Abrechnungen. Mit den Bestellungen habe ich noch nicht einmal begonnen. Das hat so wie so noch bis Morgen Zeit.“
Derek kam etwas näher an mich heran. „Bleibst du heute?“
„Das vermag ich noch nicht zu sagen. Vielleicht.“
„Aber zu Abend können wir doch zumindest gemeinsam essen?“, fragte er dann.
„Ja. Natürlich. Dann kannst du mir berichten, was du heute, an deinem freien Tag, so getan hast.“
„Meiner Mutter geholfen. Nichts weiter.“, beantwortete er meine Frage sofort.
Als Derek mit Kevin, Thomas und Imara sprach, ging ich nach draußen um Gunnar anzurufen.
„Wie sieht es heute Abend für uns aus?“, fragte ich ihn sofort.“
„Gut.“
„Gut?“, fragte ich nach, um sicher zu gehen. „WAS bedeutet das?“
„Das ich so gut wie fertig bin und wenn du magst, können wir gemeinsam das Dinner einnehmen.“
„Du und ich? Allein?“
„Ja.“
„Okay. In einer halben Stunde bin ich bei dir.“
„Wo bist du denn?“
„Im Zentrum, im Büro und schwitze schon seit Stunden über den Abrechnungen von letzten Jahr.“
„Okay. Dann lasse ich mir Zeit und du dir auch beim Fahren. Wir sehen uns im Apartment. Ich bringe das Essen mit.“
Nach einer kurzen Pause bemerkte ich noch leise: „Gunnar, ich liebe dich!“
Vermutlich konnte er nur erahnen, wie glücklich er mich damit machte, sich wie ein (beinahe!) richtiger Ehemann zu benehmen.
Ich ging zurück ins Büro und sagte Derek ab, der selbstredend traurig war.
„Sei nicht böse. Bitte.“, flehte ich. „Gunnar hat mich soeben angerufen und zum Essen eingeladen.“ Mehr gedachte ich nicht zu sagen. Es war schließlich nicht ganz gelogen.
„Vielleicht Morgen?“, sagte er noch, während ich bereits meinen Mantel überzog.
„Ich kann es dir nicht versprechen Derek. Wir werden sehen.“
Somit hatte sich mein Abend,....von ganz allein geregelt. Ich verbrachte ihn (allein!!!) mit meinem Ehemann. Ebenso die Nacht und den Morgen.

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Wir schliefen aus. Nun ja, bis acht. Dann doch noch Sex. Gunnar kann es nicht lassen. Offensichtlich ist genau DAS der Treibstoff für ihn, um passabel in den Tag zu starten.
Noch während wir uns ankleideten, läutete Gunnars iPhone. Er wurde im Büro gebraucht. Und da auch ich Dringlichstes zu erledigen hatte, verabschiedeten wir uns ohne gemeinsam gefrühstückt zu haben und jeder ging seiner Wege. Allerdings verdarb mir an diesem Morgen kein beklemmender Gedanke die Fahrt zum Zentrum. Nichts störte meine Glückseligkeit. Allenfalls die Vorstellung Derek zu treffen und zu sehen, wahrzunehmen, dass es zwischen uns eine Missstimmung geben würde. Was wahrscheinlich war. Angesichts dessen, dass ich ihn bereits für zwei Abende einen Korb überreicht hatte und ihm heute den Dritten geben musste.

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Derek kam später ins Büro als sonst. Offenkundig hatte er sich noch um seine Mutter gekümmert. Ich winkte ihm zu, sobald er das Zimmer betrat und bedeutete ihm, zu mir zu kommen.
„Hey. Wie geht’s es Dir.....und deiner Mutter?“, fügte ich höflicher Weise noch hinten an.
Sein Gesicht blieb ernst. Was doch recht bedenklich war. Er hatte die Stirn gekräuselt und blies die Luft durch die Lippen. Ich war besorgt.
„Geht es ihr gut?“
„Ja, ja. Alles okay.“ Der Ton seiner Stimme gefiel mir nicht.
„Derek! Lüg mich bitte nicht an. Was ist mit ihr?“
„Ich habe gestern Abend einen Arzt rufen müssen. Die klimatische Veränderung setzen meiner Mutter offensichtlich zu.“
„Sie wird sich sicherlich daran gewöhnen.“, beruhigte ich ihn und streifte kurz seine Hand. „Komm, gib mir einen Kuss.“, forderte ich ihn auf.
Er sah sich um. „Vor all den Leuten? Wollten wir während der Arbeitszeit nicht professionell bleiben?“
Ich musste schmunzeln und auch er lächelte leicht. „Komm schon.“, ermutigte ich ihn und zeigte mit einem bedeutsamen Blick mit dem Finger auf mich und dann auf ihn. „Ich Chefin. Du Mitarbeiter.“, sagte ich und grinste ihn mit einem viel sagenden Augenaufschlag an. Derek grinste zurück und beugte sich zu mir herunter, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben und mir mit seiner Hand leicht über den Rücken zu streichen. Ahhhhh....wie angenehm. Ich schloss vor Verzückung, die ich ihn bemerken ließ, die Augen und genoss.
Er schüttelte lachend den Kopf. Beugte sich noch einmal zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr. „Rea, du weißt schon, wie du Männer glücklich und zufrieden machst.“ Er zwinkerte mir zu und drückte noch einmal meine Hand.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass man uns beobachtete. Kevin grinste leicht süffisant. Er schien nicht wirklich glücklich darüber zu sein, mich und Derek so sehen. Thomas und Ellen lächelten nur kurz und Imara wendete sich offensichtlich eher höflich ab. Kate stand der Hohn ins Gesicht geschrieben. Die anderen schienen diesen Augenblick schlicht und einfach zu übergehen. Nur die zwei Jüngsten, Julia und Casandra, konnten  ein Feixen nicht verbergen. Was mir gleichgültig war.
Die Chefin ist stets das Ziel von Gesprächen und Gerüchten. Das hatten wir bereits schon einmal....an Gedachtem.
Allerdings war ich mir noch immer nicht wirklich sicher, was Dereks Stimmung betraf. Und genau in diesem zweifelhaften Gemütszustand verbrachte ich noch einige Stunden, bis ich mit den Bestellungen fertig war. Dachte zwischendurch einmal daran, ihn zum Lunch einzuladen. Ließ es aber schließlich. Denn es konnte nicht gut sein, ihm hinterher zu kriechen und mich einzuschmeicheln. DAS hatte ich in der Tat NICHT nötig. WENN er den Wunsch verspüren sollte, mit mir Essen zu gehen, war es an IHM mich einzuladen. Punkt.

Kurz vor Mittag kam Derek auf mich zu. Ich lächelte ihm entgegen in der Hoffnung, dass er nun offensichtlich doch mit mir zu Tisch gehen wollte. Allerdings, ging er an mir vorüber, nickte mir ausschließlich zu und lenkte seine Schritte nach draußen.
Ups! Er war tatsächlich noch immer verärgert.
WAS sollte ich jetzt tun? Trotzig reagieren? Auf keinen Fall! DAS wäre in keinster Weise (meiner Position) angemessen und stand mitnichten zur Debatte! Infolgedessen, gleichwohl ich nun einigermaßen enttäuscht und unzufrieden war, musste ich, trotz alledem, die Kontenance bewahren und mir nichts anmerken lassen. Wie es sich eben für mich gehört.

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Ich ging allein zum Restaurant, um dort zu speisen. Dachte, während ich so aß darüber nach, meiner Naturheilkundigen einen Besuch abzustatten, um mir so allmählich meine optimale Medikation aufstellen zu lassen. Rief sie an und bekam einen kurzfristigen Termin am Nachmittag.
„Nun, so rasch kann ich ihnen das jedoch nicht zusammenstellen. Es braucht Zeit und mehrere Sitzungen, damit alle Beschwerden bedient und abgeklärt, und vor allem die verschiedenen Medikamente aufeinander abgestimmt werden können. Es wird wahrscheinlich sein, dass wir nacheinander ausprobieren, WAS ihnen am besten bekommt. Wir sind ja eigentlich noch in der letzten Phase unserer Behandlungstherapie. Aber okay. Nichts desto trotz können wir in die Zukunft schauen. Es kann schließlich nicht schaden, schon einmal die Dinge anzusprechen, damit ich mir einen Überblick verschaffen kann.“
Gerade hatte ich das Gespräch beendet und aß mein Kompott, kam Derek mit seiner Mutter herein. Was sollte ich tun? Ihnen winken? Oder abwarten?
Ich entschied mich für Letzteres.
Derek suchte sich einen anderen freien Tisch. Kam nicht zu mir. Allerdings wusste ich genau, dass er mich bemerkt haben musste. Er schob den Stuhl seiner Mutter zurecht, sodass sie sich setzen konnte. Sah dann doch kurz zu mir herüber und nickte. Er blieb jedoch ernst. WAS war geschehen? Trotzte er? War er tatsächlich böse mit mir, weil ich ihn bereits zwei Tage versetzte? Nun gut. ICH würde jedenfalls NICHT um seine Gunst buhlen. Aus welchem Grund sollte ich das tun? Jedoch blieb ich trotz alledem höflich. Ging beim hinaus Gehen zu ihnen hin und begrüßte Magdalena kurz.
„Hallo. Schön sie zu sehen. Wie geht es ihnen?“
Sie nickte und setzte ein etwas gequältes Lächeln auf. „Die Kälte, macht mir zu schaffen. Das bin ich nicht gewohnt.“
Ich tat einen kurzen Seitenblick zu Derek und wandt mich dann wieder seiner Mutter zu. „Wenn sie etwas brauchen, sagen sie es mir.“
Sie nickte.
„Ich dachte“, warf Derek ein, „wir hätten uns auf das DU geeinigt?“
„Oh ja.“, Tat ich überrascht. „Natürlich. Also, Magdalena, wenn ich dir irgendwie behilflich sein kann, haben sie, äh, habe bitte keine Scheu und sprich es an.“ Ich lächelte die beiden ein wenig verlegen an. „Ich werde mich erst noch daran gewöhnen müssen. Verzeihen sie. Das DU fällt mir noch schwer. Vielleicht belassen wir es im Augenblick dabei.“ DAS war eine überaus verwerfliche Retourkutsche, die ich Derek verpasste. Über seine Mutter zu gehen. Jedoch war es nicht einmal böse gemeint und gleichwohl von mir nicht beabsichtigt. Denn ich hatte in der Tat Schwierigkeiten damit, mich mit Dereks Mutter zu duzen. Nur Derek würde es sicherlich genau so auffassen, wie ich vermutete.
Ich sah Dereks irritierten Blick. Schwieg jedoch dazu. Verabschiedete mich stattdessen und verließ, ohne mich weiter zu erklären, das Restaurant. Schließlich hatte auch ER nicht danach gefragt, ob wir uns heute noch sehen.
Thomas sandte ich eine SMS, dass ich erst Morgen wieder kommen würde. Die Bestellung der Medikamente für unsere Apotheke und der Veranstaltungsplan konnte bis Morgen warten. Denn ich musste mir ohnehin erst einen Überblick über die Finanzen verschaffen.

Ich konnte es einfach nicht glauben. Derek zickt tatsächlich. Das hatte er noch nie in dieser Form getan. Er war nie längere Zeit mit mir böse gewesen. Und im Büro hatte ich ihn doch bereits wieder gewonnen,...... soweit....auf meine Seite gezogen! WAS war also geschehen? Warum ist er mit Magdalena nicht zu mir an den Tisch gekommen? Was genau genommen selbstverständlich gewesen wäre. Ich konnte es nicht verstehen!
War es möglich, das seine Mutter etwas damit zu tun hatte? Dass sie ihn......besprach?

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Bevor ich zur Naturheilpraxis ging, besuchte ich Gunnar im Büro und sagte ihm Bescheid, dass ich dann am Abend auf ihn warten würde.
„Es dauert heute nicht so lange. Ich werde frühzeitiger fertig sein. Wenn du magst, kann ich dich begleiten. Oder dich von dort abholen.“
„Ach, weißt du was Gunnar?“, entschied ich mich noch im Moment,  „genau genommen ist mir die Lust auf Weggehen vergangen. Ich werde noch einen Kaffee trinken und warte in unserem Apartment bis du fertig bist. Dort kann ich mich ausruhen, schreiben oder telefonieren.
„Okay.“, erwiderte Gunnar. Küsste mich noch einmal auf den Mund und ich verabschiedete mich in die Runde. Achtete nicht auf Alexa oder speziell auf jemand besonderen. Blieb distanziert, aber dennoch höflich und ebenso ein wenig erhaben.
Und während ich nach draußen ging, hatte sich ein warmes, zufriedenes Lächeln über  mein Gesicht gezogen und breitete sich in meinem ganzen Körper aus.
WAS war nur mit meinem Ehemann geschehen, dass er sich jetzt ausschließlich und so liebevoll um mich bemühte? (Was jedoch nicht von Dauer sein musste.) Allerdings gedachte ich Alexa meinerseits ihm gegenüber vorerst mit keinem Wort mehr zu erwähnen. Dessen ungeachtet, brannten mir drei Fragen im Gemüt. Wollte er nicht auch Zeit mit ihr verbringen? Und WIE nahm sie es auf, dass Gunnar nun beinahe die gesamte Freizeit mit mir verbrachte? Was tat SIE während dieser Stunden? Konnte es womöglich sein, dass er Streit mit ihr hatte?
Ich wusste es nicht. Während meines kurzen Besuches in seinem Büro, war dies nicht auszumachen.

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Als ich das Büro verließ, verspürte ich in der Tat keine Lust mehr darauf, noch einmal weg zu gehen. Sagte den Termin kurzer Hand wieder ab und ging zu unserem Apartment, um mich auszuruhen. Vorher trank ich noch einen Kaffee latte.
Zu Hause angekommen, führte ich ein langes Gespräch mit Marie und schrieb, bis jetzt.