Donnerstag, 10. März 2016

Mein „Territorium“!



Der Abend war wenig ereignisreich. Wir sahen fern. Erst gegen Mitternacht, als der Neumondtag zu Ende ging, rief Erik an und hatte drei Namen zur Auswahl für Gunnars Sohn parat. Arvid, Asger, oder Ingsvarr. Am Ende sollte es Asger sein. Infolgedessen würde Gunnars Sohn nun Óðinn Asger Sølgård Whitfield heißen. Und der Zwilling dazu, seine Tochter Inula Castanea Sølgård Whitfiel. Wie bisher.
Überdies gedachte Marie mit den Kindern und ihrem Lebenspartner, und hier kann ich mir sicher sein, dass es auf Henriks Empfehlung hin geschah, nun doch unserer Einladung zu Beltane nach Schweden zu folgen. Gunnar war sichtlich glücklich und freut sich darauf, seine Kinder zu sehen.

Gestern gingen wir verhältnismäßig spät zu Bett. Es war so gegen halb zwei. Was zur Folge hatte, dass wir beide heute Morgen bis acht Uhr schliefen und dann, wie bereits am Tag zuvor, was ich vergas zu erwähnen, ein intimes Ineinander pflegten. Als Gunnar in einem relativ gewohnten Zeitrahmen zu Ende gekommen war, bemerkte er, dass es noch nicht einmal das übliche und wie stets, verhältnismäßig grobe massieren seiner Glocken gebrauchte hatte, um seinen Samen auszustoßen. Was vermutlich sogar eine Art Fortschritt war in seinem Bemühen um Normalität und aus den gewohnten Bahnen der Sektenalltäglichkeit heraus zu kommen. Gleichwohl darüber schien er doch recht glücklich zu sein.
Kaum hatte sich Gunnar entspannt neben mich gelegt, läutete sein iPhone. Es war Alexa, die in diesem Augenblick, warum auch immer, Gunnar bat, am Abend bei ihr zu sein.
Als er aufgelegt hatte, entstand eine kurze Diskussion zwischen uns beiden. Es ging um die Planung der kommenden Tage.
„Ich weiß noch nicht genau, was ich heute Abend tue. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich bis in die Nacht hinein arbeiten, weil ich mir gestern frei genommen hatte. Deshalb wird es durchaus möglich sein, dass ich es heute Abend nicht schaffe hier her zu dir zurück zu kommen.“
„Und freitags?“
„Bin ich natürlich hier.“ Gunnar gab mir einen Kuss und hielt dann inne. „Aber,....eigentlich wollte ich.....“
„Mit deinen Brüdern um die Häuser ziehen und dich in eine Bar mit ihnen betrinken.“, beendete ich seinen Satz mit spitzer Zunge.
„SO würde ich es nicht ausdrücken.“
„Also, was nun? Wirst du bei mir, oder bei deinen Brüdern sein?“, fragte ich ihn in einem schärferen Ton.
Gunnar blies die Luft durch seine Lippen. „Wir werden sehen. Ich weiß noch nicht. Und ebenso wenig, was der Samstag bringen wird. Am Sonntag allerdings, sind wir bei Stine eingeladen. Und es heißt WIR, und nicht nur ICH.“
„Wird Alexa dich nicht begleiten?“, fragte ich.
„Sie wird UNS vielleicht begleiten.“ Er schnaufte.
„Ich mag das nicht.“, weigerte ich mich weiter.
„Es ist Familie. Verstehst du das?“
„Ja. Natürlich. Deshalb frage ich mich, was dann Alexa dort zu suchen hat.“
Gunnar antwortete mir nicht.
„Ist Alexa NICHT mit von der Partie, werde ich dich zum Geburtstag deiner Schwester begleiten. Allerdings ist nicht sicher, ob ich das bis zum Ende durchhalten werde.“, gab ich zu bedenken.
„Du musst doch nichts weiter tun, als da zu sitzen. Wäre das okay für dich.“
„Und DU würdest dich wirklich darüber freuen?“
Gunnar schüttelte nun lächelnd mit dem Kopf und nahm mich in seine Arme. „Herr Gott noch mal, WAS soll denn das? Natürlich würde das mein Herz mit Freude erfüllen. Schließlich waren wir schon längere Zeit nicht mehr zusammen aus. Und der Geburtstag meiner Schwester in zu einen eine gute Gelegenheit und zum anderen ein muss.“

Gunnar frühstückte nicht mit mir. Er fuhr, gleich nachdem er sich geduscht, rasiert und angekleidet hatte nach Stockholm los. Ich hingegen, bat Derek, das Frühstück mit mir gemeinsam einzunehmen. Allerdings war er bereits im Büro. Kam jedoch dann zu mir ins Restaurant und informierte mich vorab über das, was am heutigen Tage vor uns lag.
Das ist eine ganze Menge.“, bemerkte ich ein wenig besorgt. Denn mir war bewusst, dass meine Kraft nicht unendlich war.
„Es muss nicht alles heute erledigt werden.“, beruhigte er mich. „Und DU REA, wirst spätestens nach dem Mittagessen nach Hause gehen. DAS versprichst du mir.“ Dereks ernster Blick, welcher keine Widerrede duldete, traf mich. Ich nickte nur.

Im Büro, so kurz vor der Lunch, kam noch einmal die gleiche Thematik auf, welche ich bereits gestern intern mit Derek und Kevin diskutierte. In erster Linie ging es um die Finanzen und WAS wir noch an Bestellungen zu tätigen hätten. Hier wies ich doch eher auf Zurückhaltung hin. Woraufhin Imara anmerkte, dass es doch zahlreiche Buchungsanfragen aus den Vereinigten Emiraten, sowie aus dem Oman und ebenso aus Saudi-Arabien gab.
An dieser Stelle gab ich noch einmal ein kurzes Statement, dass es innerhalb unserer Mauern keinen einzigen dieser muslimischen Menschen geben wird. Weder heute noch zukünftig. Weder als Angestellten, noch als Gast.
„Wem meine Anordnungen nicht zusagt, dem steht es frei zu gehen.“, gab ich allen deutlich zu verstehen. „Und wer ihr zuwider handelt, wird fristlos entlassen.“
„Seit wann diskriminieren wir?“, leistete Imara Widerstand.
„Wir diskriminieren nicht. Wir wissen nur wer wird sind und was wir wollen. Und das vertreten wir gleichwohl im geschäftlichen Sinne und Bereich.“ Hier war für mich geboten mit wenigen Worten, einer aufrechten, gebieterischen Haltung und mit großem Selbstvertrauen in der Stimme eine unmissverständliche Aussage zu treffen, welche alle umgehend verstanden. Denn gerade HIER, stand ich in keinster Weise in einem Rechtfertigungszwang. Allerdings war ich Imara nach dieser Frage eine Antwort schuldig.
Selbstredend hätte ich mich noch weiter erklären können. Jedoch wozu??? Die Anweisung war klar. Und wer dachte sie nicht befolgen zu müssen, dem drohte die Kündigung. Schließlich war dies hier mein Territotium!
„Was ist mit Juden?“ Imara gab noch immer keine Ruhe. Sie wagte sich in der Tat weit vor und die anderen blieben wie angewurzelt stehen und verfolgten die Herausforderung.
Noch immer in aufrechter  und autoritärer Pose, die keinen Zweifel daran ließ, WER hier das Sagen hatte, lächelte ich Imara mit einem würdevollen Ausdruck in den Augen an. Denn ich gedachte keineswegs selbstgefällig oder herablassend zu erscheinen. „Solang sie sich nicht verschleierten, nicht das Fleisch ausgebluteter, gequälter Tiere essen und den gesamten Wellnessbereich wegen ihres Glaubens, für sich alleine beanspruchen, mögen sie ihr Geld ruhig bei uns lassen. Wie sie allerdings mit unseren Unterhaltungs- und Freizeitangeboten umgehen, ist ihre Angelegenheit. Wer hier her kommt, weiß, was sie, oder ihn erwartet. Hier geht es nicht um Religion an sich oder einen monotheistischen, Frauen feindlichen Gott. Hier geht es um die Göttin. Um die weibliche Kraft. Um Spiritualität. Die Völker des Nordens. Um Runenkunde und Erdverbundenheit. Um Druidentum und Schamanismus. Gelegentlich sogar um die First Nation und ihre wunderbare Kultur. Und ebenso um die Nordische. Es geht darum frei und offen zu sein, für die schönen Dinge des Lebens und sie zuzulassen. Es geht hier nicht um Regeln und Verbote. Niemand soll hier eingeschränkt leben. Jeder soll die Möglichkeiten und Angebote unseres Zentrums frei nutzen können, ohne dem anderen das Gefühl zu geben, dass er minderwertig sei.“
„Nun, dann sollten wir doch gerade tolerant gegenüber allen Nationen und Glaubensrichtungen sein.“
Diese Imara stellte meine Geduld in der Tat auf eine harte Probe. Und ich verstand nicht, warum sie sich mir hier so vehement widersetzte.
Nun sah ich nicht mehr in die Runde, sondern sprach sie direkt an. „Imara. Ich frage dich, hast du je den Koran gelesen?“
Sie reagierte nicht. Infolgedessen ging ich davon aus, dass sie nicht wusste, was dort stand.
„An dieser Religion ist nichts Friedliches. Sie ist über die Maßen Frauen feindlich und intolerant. Fordert die Ihren auf, alle anderen als Ungläubige zu sehen und sie zu töten. Und DAS ist nur EIN Beispiel, was dort steht.“
„Sehen das die Juden nicht ähnlich?“
Was reitet sie jetzt auf den Juden herum? War sie etwa antisemitischer Einstellung? Wenn ja, aus welchem Grund?
Ich stutzte und schnaufte. „Wissen sie, nicht nur der Koran ist mir bekannt. Sondern ebenso die Tora. Und mir ist durchaus bewusst, dass auch in diesem Glauben verankert ist, dass er der einzig wahre sei. Aber von den Mitarbeitern eines spirituellen Zentrums erwarte ich, dass sie wissen, dass es keinen einzig wahren Glauben gibt. Sonst haben sie hier wohl kaum etwas zu suchen. Ich hoffe, wir haben uns verstanden. Und jeder, der dies nicht akzeptiert weiß, WO das Tor dieses Zentrums ist.“, gedachte ich nun diese unsägliche Diskussion zu beenden.
WIE, in der Göttin Namen, kam diese Imara so urplötzlich dazu, meine Entscheidungen in Frage zu stellen und mich so derart vorführen zu wollen? Bisher dachte ich, sie sei eine loyale Mitarbeiterin. Was hatte sie sich dabei gedacht? Ich werde fortan ein Auge auf sie haben und nahm mir vor, noch am selben Tag ihre Akte durchzugehen.

Den Lunch nahm ich mit Derek ein, der mich gleich anschließend zu meinem Haus begleiten wollte.
„Ich muss noch einmal ins Büro.“
Derek legte die Stirn in Falten. „Wir haben doch alles im Griff und obendrein ausgemacht, dass du nachmittags nach Hause gehst.“
„Ich muss mir eine Personalakte noch einmal genau ansehen.“
„Oh! Hoffentlich nicht meine.“ scherzte Derek.
„Nein.“
„Jemand kann sie dir bringen.“, schlug er vor.
„Es braucht ein wenig Diskretion. Verstehst du mich?“
„Ah. Ich glaube, ich weiß, um wen es geht.“
Nun sah ich Derek abwartend an.
„Um Imara. Nicht wahr.?“
„Ja.“
„Du willst sie doch nicht etwa feuern, weil sie dir die Stirn geboten hat?“
„NICHT weil sie mir die Stirn geboten, oder mich vor den anderen Mitarbeitern in Frage gestellt hat. Nein. Ich vermute, bei ihrem Einstellungsgespräch übersah, oder überhörte ich etwas.“
„Du meinst, sie ist eine Muslima?“
„Ja. Das vermute ich.“
„Und wenn sie es ist?“
„Dann wird sie entlassen.“
„Das kannst du nicht tun?“, empörte sich Derek.
Ich hob den Kopf und sah Derek verwundert an. DER verstand sofort.
„Aber sie ist gut in ihrem Job und wir brauchen sie.“
„Es ist nicht nötig, weiter zu argumentieren. Geht aus ihren Akten hervor, dass sie eine Muslima ist, wird sie entlassen. Wenn nicht, werde ich noch ein Gespräch unter vier Augen mit ihr führen, und stellt es sich dann heraus, dass sie dem Islam angehörig ist, kündige ich ihr fristlos. Punkt!“
„Du kannst sie nicht auf Grund ihrer Religion entlassen.“
„Nein. Das werde ich selbstverständlich nicht. Und ich werde gleichwohl noch ein wenig Zeit verstreichen lassen, bevor ich ihr die Entlassungspapiere überreiche. Ein Grund hat sich bis dahin sicherlich gefunden.“
Derek räusperte sich. Ich sah, dass er damit nicht einverstanden war. Daher setzte ich nach. „Und auch mit DIR werde ich nicht weiter darüber diskutieren. Wir waren uns einig, dass es innerhalb dieser Mauern keinen einzigen von diesen Leuten geben wird.“
„Sie hat sich doch angepasst und ist keine Bedrohung.“, bemerkte er ein wenig despektierlich.
„Nein. Aber KEIN bedeutet KEIN. Ausnahmen wird es in diesem Fall nicht geben.“, erwiderte ich resolut.
Derek schnaufte. „Okay. Wir gehen jetzt gemeinsam zu deinem Haus, bleiben dort und wenn wir sicher sind, dass alle gegangen sind, werden wir nach dem Dinner noch einmal ins Büro gehen und die Akte holen. Nur, um Gerüchten vorzubeugen. Was meinst du dazu?“
„Okay.“ Derek hatte Recht. Nach dem Vorfall am Vormittag wäre es doch höchst auffällig, wenn Imaras Akte am Nachmittag verschwunden wäre. Es war nicht nötig, dass es irgendwer erfuhr. Und schon ganz und gar nicht, was meine Intension dazu war.