Es ist in der Tat im Augenblick
nicht einfach mit Gunnar. Die Verbände bedecken noch immer seine Augen.
Vielleicht noch ein oder zwei Tage, bis er wieder sehen kann. Wir hören
überwiegend CDs und reden miteinander. Eine gute Gelegenheit also, nach den
Ursachen meiner Panik Attacken zu forschen oder die Reinkarnationsarbeit zu
beginnen. Warf er ein. Jetzt, wo er so viel freie Zeit zur Verfügung hätte.
Es gibt gleichwohl so
viele Thematiken, über die sich unterhalten werden will und kann. Die
Auswertung des Deltascans gehört ebenso dazu. Wonach mir bisher noch immer
nicht wirklich zu mute war. Insbesondere die Empfehlungen der Naturtherapeutin
sind mir bislang ein unüberwindliches Hindernis in Bezug auf die Einnahme
verschiedener Medikamente oder Substanzen. Ich scheue mich noch immer davor
eine „salzsäurehaltige“ Tablette zu schlucken und dann abzuwarten, was passiert.
Sie wies darauf hin, dass ich ebenso zu wenig anstatt zu viel Magensäure haben
könnte. Was ich mit der Einnahme der „Tablette“ dann sicher bemerken und wissen
würde. Ich finde dies, ein überaus waghalsiges Unternehmen.
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Gunnar bekommt so viel Aufmerksamkeit.
So viel Besuche.
Christine, Thomas und Erik
waren selbstverständlich hier, um zu sehen, wie es ihm geht. Ebenso seine
Brüder Sven und Carsten. Hjalmar zog es vor ein Fußballspiel zu besuchen,
welches Gunnar nebenbei im Radio verfolgte.
Stine hatte gelacht. „Mein
Bruder will noch attraktiver werden, wie er schon ist.“
Chris, Taylor und Jonathan
kamen mit einer Flasche Bier vorbei, um auf die „Veredlung“, wie sie es
nannten, anzustoßen.
Sarah Sjögren kam und
blieb, um mir zu helfen.
Ungeniert bot sich Elena
für den gleichen Job an. Was ich selbstredend ablehnte. Gunnar meinte jedoch,
wenn sie unbedingt etwas tun wolle, könne sie sich bei der Versorgung der Gäste
nützlich machen. Was sie schlussendlich auch tat.
Sogar Ryan schaute vorbei
und trank ein Bier mit Gunnars Saufkumpanen.
Die Ereignisse glichen einer
Geburtstagsfeier. Sogar die zahlreichen Blumen sprachen dafür. Nur hätte ich so
ein Fest doch eher in den großen Saal verlegt. Mit Personal, welches sich um
alles hätte kümmern können. Diese „Belagerung“ unseres Hauses war mir eine
regelrechte Zumutung. Zumal Gunnar genau genommen nichts wirklich allein tun
kann, und wo sich die simpelsten Dinge bereits schwierig gestalten.
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Als die „Party“ in vollem
Gange war, gesellte sich noch ein „ungebetener“ Gast zu uns. Siv.
„Oh! Hier gibt es
offensichtlich was zu feiern und eine Menge Arbeit.“, bemerkte sie, als sie
eintrat und sich umsah.
Gunnar horchte auf.
Erkannte ihre (die) Stimme (seiner Domina) und streckte die Hände nach ihr aus.
Es war das erste Mal, dass ich hörte wie ER, Gunnar, ihren Namen rief. „Siv.
Hier bin ich. Kommst du bitte zu mir?“, ließ er beinahe in bettelndem Ton
verlauten.
Mein wütender Blick traf
sie. Was sie beide nicht bemerkten.
Siv ging auf Gunnar zu.
Blieb etwa einen guten Meter vor ihm stehen und streckte mit einer euphorisch
übertriebenen Geste ruckartig die Arme nach ihm heraus. „Schön dich lebendig zu
sehen. Gut siehst du aus!“, sagte sie laut, sodass sich einige nach ihr umdrehten
und sie entgeistert oder kopfschüttelnd ansahen.
Sie drückte Gunnar einen
innigen Kuss auf die Lippen und es sah gerade so aus, als würde sie ihn,
inmitten der Gäste, zwischen die Beine greifen.
Elena sah sie kurz an und
verzog den Mund. Offenkundig schien auch sie Siv nicht zu mögen. (Wo mir der
Gedanke kam, mich mit Elena zu verbrüdern. „Der Feind meines Feindes ist mein
Verbündeter.“, sagte mein Vater des Öfteren und ich hatte mir diesen Spruch gut
eingeprägt.)
Um „Präsenz“ zu zeigen,
trat ich ein Stück näher an die beiden heran und bedachte sie als Begrüßung mit
einem kurzen Nicken. Welches sie gleichwohl nicht zur Kenntnis nahm.
Was für eine überhebliche
Kuh. Dachte ich.
Da ich nicht beabsichtigte,
dass sie hier noch heimisch würde, wies ich, eher kleinlaut, aber so, dass sie
mich zwischen all den Stimmen hören konnte darauf hin, dass ich das Personal
kommen lassen konnte, um zum Schluss die Reste der „Krankenfeier“ beseitigen zu
lassen und dachte ihr somit zu suggerierten, dass es nicht nötig sei, dass sie
am Ende noch länger als die anderen Gäste blieb.
Sie winkte ab. „Das
schaffen wir schon“, sagte sie und zwinkerte Elena zu, die sich nun gleichfalls
an Gunnars Seite platziert, und ihre Hand auf seine Schulter gelegt hatte.
Wie gut kannten sich die
beiden eigentlich? Und was bildete sich diese Elena überhaupt ein? Es war gerade
so, als wolle SIE meinen Platz einnehmen und anstatt meiner Präsenz
demonstrieren.
Was geschah hier
eigentlich? Buhlten etwa gleich drei Frauen vor aller Augen um Gunnars Gunst?
Siv nahm sich ein Bier,
schaute in die Runde ohne mich oder Elena weiter zu beachten und stieß dann
(obligatorisch) mit Gunnar an. Denn ER trank nur wenig und schluckweise.
Sarah zog die Augenbrauen
nach oben, legte die Stirn in Falten und sah kurz zu mir. Ich nickte ihr zu und
zauberte mir ein gequältes Lächeln auf die Züge meines Gesichts.
Gunnar schien dies alles
gänzlich „normal“ zu finden und war offensichtlich überaus erfreut über so viel
Aufmerksamkeit.
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Erst am späten Abend bat
ich dann den Rest der Gäste, einschließlich Siv zu gehen. Denn ich sah Gunnar
an, dass er erschöpft gewesen war. Und ich, was es ebenso.
Siv ging, wie sie gekommen
war. Extravaganz und laut. Küsste Gunnar innig auf die Lippen und gebärdete
sich beim Gehen eher wie ein Mann. „Ich soll nicht helfen?“, fragte sie noch
einmal.“
Ich verneinte.
Die letzte die ging, war
Elena. Ihre Abschiedsgestik ließ, meiner Meinung nach, so einiges offenbar
werden. Sie ging sehr vertraut mit Gunnar um. Andererseits konnte dies
natürlich ebenso ein gekonnter Schachzug von ihr sein, um mich erneut darauf
hin zu weisen, dass sie, wie sie möglicherweise dachte, ein Recht auf Gunnars
Gegenwart und Sympathie hätte.
Ich begleitete Elena bis
vor die Tür und hielt sie noch einen Augenblick lang auf der Veranda fest.
„Kennst du Siv gut?“, fragte ich sie, um einen Anknüpfungspunkt vorweisen zu
können.
Sie sah mich misstrauisch
an. „Hhmm.“, ließ sie mürrisch hören. „Nein. Eigentlich nicht.“, sagte sie
nachdenklich und schien tatsächlich zu überlegen. „Warum?“, folgte sogleich die
argwöhnische Frage.
„Ich dachte nur.“,
antwortete ich zügig. „Sie schien mir so vertraut mit dir zu sein.“
„Ich weiß wer sie ist und
was sie macht.“, sagte sie abfällig. „Diese verdammte Schlampe.“
Ups. Hatte ich da etwa
einen „Nerv“ getroffen?
„Du weißt es doch auch.
Oder nicht?“
Ich sah sie an und wartete
ab.
„Sie steckt Gunnar Sachen
in den Arsch. Fesselt und peitscht ihn. Wie abartig ist das denn?“
Wie kommt ausgerechnet
Elena darauf, dass dies „abartig“ sei? Wo ich mir sicher war, dass sie ganz
andere „Spielarten“ beherrschte. Oder etwa doch nicht?
„Du weißt aber schon, dass
Gunnar das mag?“, fragte ich mit zweifelndem Blick.
„Ja.“, kam die einsilbige
und eher betretene Antwort. „Gefällt dir das etwa auch?“
„Nein.“ Meine Stimme war
ruhig und ausgeglichen. So als würde ich mich mit einer guten Freundin
unterhalten.
„Und du lässt das zu?“
Ich musste lächeln. „Was
sollte ich denn tun? Gunnar ist nun einmal wie er ist. Seine Neigungen werden
sich nicht ändern. Gleichgültig, was ICH davon halte.“
JETZT hatte ich, wie mir
schien, die einmalige Gelegenheit Elena klar zu machen, dass sie Gunnar nie
genügen würde. Da sie offensichtlich auf seine Neigungen ebenso wenig
einzugehen vermochte als ich.
„Denkst du, Du könntest
ihn zufrieden stellen?“, ging ich in die Offensive.
Sie sah mich unvermittelt
an und ihre Augen verrieten, dass sie nicht wusste, worauf ich eigentlich
hinaus wollte.
„Kannst DU es denn?“, kam
die doch eher hämische Antwort.
„Nein. Oder nur
gelegentlich. Aber ich lasse ihn tun, was er tun muss. Würdest du dass können?“
Elena kaute auf ihrer
Lippe. Sah mich an. Wendete den Blick zum See und dann wieder zu mir. „Ich bin
mir nicht sicher. Ich glaube nicht.“
Sie verzog den Mund ein
wenig und schien sogar zu lächeln. Jedoch so wirklich nahm ich ihr das nicht
ab. Denn sie hatte mit großer Sicherheit schon einiges mehr über Männer
erfahren als ich, obwohl sie gut zehn Jahre jünger war als ich.
„Warum schickst du ihn
nicht in die Wüste. Hast du nicht genügend Geld?“
Ich schmunzelte. „Liebe,
hat mit Geld nichts zu tun.“
„Du liebst ihn
tatsächlich?“, fragte sie zweifelnd.
Ich stutzte. „Wieso denkst
du, dass ich dies nicht tue?“
Jetzt schmunzelte sie.
„Gunnar denkt, du liebst ihn nicht wirklich.“ Sie sah mich an, als wüsste sie
nicht, ob sie weiter reden sollte oder nicht.
Wie kam Gunnar genau
genommen dazu mit IHR über MICH zu sprechen??
„Hast du nicht noch andere
Kerle?“, fragte sie. Legte den Kopf ein wenig schief und sah mich abwartend an.
Ich glaubte nicht, dass
ich ausgerechnet mit Elena darüber reden sollte. Dachte ich so.
„Wie kommst du darauf?“,
fragte ich stattdessen.
„Es wird viel erzählt
unter dem Personal.“
„Was erzählt man sich denn
so?“, fragte ich mit einer aufgesetzten Unschuldsmiene.
Sie grinste. „Troels.“,
platzte sie heraus.
„Und?“, gab ich mich
bieder.
„Man spricht von Paul und
Jason.“
„Das ist nicht wahr.“,
sagte ich beinahe teilnahmslos.
„Du hättest im Ausland
auch noch andere Männer.“
Ich lächelte und
schüttelte den Kopf. „Kevin ist verheiratet. Hat ein Kind und sitzt im
Rollstuhl. Ian ist wer weiß wo auf dieser Welt und spielt seine Musik. Außerdem
hat er Annica.“ Ich hielt inne. Dachte an Wanja.
„Was ist mit dem Spanier“,
hörte ich Elena fragen.
„Er ist schon längst
Geschichte.“, bemerkte ich augenzwinkernd in ihrem Jargon, um ihr ein Stück
näher zu kommen, sodass sie möglicherweise ein wenig aufgeschlossener wurde.
Eine Weile lang standen
wir nebeneinander und scharrten mit den Hufen.
„Du hasst mich. Nicht
wahr?“, fragte sie dann.
Ich räusperte mich. „Nein.
Natürlich nicht. Zugegeben“, und dabei sah ich ihr direkt in die Augen, „bin
ich eifersüchtig gewesen. Das mag schon so sein.“
„Denkst du, ich nehme ihn
dir weg?“
„Willst du es denn?“
Sie senkte den Kopf. „Ich
hätte doch keine Chance. Er liebt DICH.“
„Es gibt doch so viele
Männer. Du musst dich nicht unbedingt an Gunnar (klammern) halten.“
„Aber er hat so viel für
mich getan.“ Ihre Stimme hatte sich leicht gehoben, war vehementer und der
Blick, den sie dabei aussandte, schien mir tatsächlich ehrlich zu sein.
„Ich weiß, und ich finde
dies durchaus bewundernswert. Aber als seine Ehefrau, würdest du, denke ich,
kaum bestehen.“ Bei diesen vermessenen Worten zitterte mir beinahe die Stimme.
Denn genau genommen, dachte ich dabei viel mehr an mich als an Elena. Aber ICH
war die ältere, die stärkere und hatte ein Recht so zu argumentieren. Basta!
„Ich würde alles für ihn
tun.“, platze sie heraus.
Da war ich mir sicher.
Dachte ich. Reagierte jedoch nicht weiter darauf.
„Möglicherweise findet er
mich nicht hübsch genug.“ Elenas Blick traf mich und sie schien etwas zu
erwarten. Aber ich blieb sachlich. „Ich denke, du weißt sehr wohl, dass du
überaus attraktiv bist, und jung noch dazu. Du verführst die Männer sicher
reihenweise.“
Sie lächelte. „Aber nie
den Richtigen.“, bemerkte sie leise und schmunzelte vor sich hin.
Ich musste innerlich
lachen bei dem Wort „Der Richtige“. Es gab keinen „Richtigen“. Sollte ich ihr
das sagen? Würde sie mich überhaupt verstehen? Oder war sie zu jung dafür?
„R-e-a!“, hörte ich Gunnar
rufen.
„Dein Ehemann ruft.“,
sagte sie und ging die Treppen hinunter, und ich, zu Gunnar.
Elena musste nun nicht
zwingend oder augenblicklich zu einer guten Freundin werden. Jedoch eine „Annäherung“
konnte nicht schaden, und es war mit aller größter Wahrscheinlichkeit ebenso in
Gunnars Interesse und könnte gegebenenfalls ebenso anderweitig nützlich sein.
Wogegen auch immer.
Ich hätte sie vielleicht
noch mit intimeren Details konfrontieren sollen. Aber dazu würde sich
sicherlich noch eine passende Gelegenheit ergeben.
Wanja hatte sie nicht
erwähnt. Möglicherweise hatte sie ihn nur vergessen. Was gleichwohl besser so gewesen
war.
Womöglich war sie an einer
freundschaftlicheren Beziehung zu mir sogar interessiert?? Ist es nicht stets ein
ausgezeichneter Schachzug, anfänglich zur guten Freundin der Ehefrau zu werden,
damit man sie dann schneller und effektiver aus dem Weg zu räumen vermag?
Ist dieses junge Mädchen
in der Tat so durchtrieben? Oder irre ich mich da?
In jedem Fall werde ich
„wachsam“ sein! Versprochen.