Christine bestellte mir
einen Roibusch Tee. Er würde mir gut tun. Sagte sie und sah mich forschend an.
Ich hatte nicht die
Absicht auf ihre durchdringenden Blicke einzugehen. Oder mich ganz und gar zu
rechtfertigen. Denn ich vermutete, dass es ihr nicht entgangen war, dass ich die
letzte Nacht nicht in unserem Haus verbracht hatte.
Nach dem Lunch ging ich
allein und gemächlich zum Haus. Ich war, wie stets nach dem speisen, ziemlich
erschöpft und setzte mich auf die Couch. Döste vor mich hin schlief
letztendlich ein, währenddessen ein Hörbuch lief. Als ich aufwachte, war es
bereits halb fünf.
Ich dachte an Gunnar.
Wollte ihn anrufen. Jedoch ein Gedanke folgte dem anderen und ich ergab mich
allen in mir aufsteigenden destruktiven Gefühlen, die mit Gunnar und meinem Leben an sich einhergingen. Ein
Anflug von Depression schien mich zu durchziehen, welchem ich genau genommen
nicht bereit war nachzugeben. Aber ich tat es dennoch und streifte durch mein
derzeitiges Leben. Wurde wütend und traurig. Besonders darüber, dass sich
ausgerechnet MIR diese vermaledeite Krankheit bemächtigen musste. Mit all den
Schmerzen, Problemen und Schwierigkeiten, die sich bisher für mich daraus
ergaben.
Wut und noch mehr Wut
stieg in mir auf. Ich schlug mit beiden Fäusten auf das dunkle Leder der Couch neben
mir. „Nein!!“, schrie ich laut. „NEIN!“ Ich werde NIEMALS in einem Rollstuhl
sitzen! Ich werde IMMER gehen und Treppen steigen können! ICH werde NICHT
aufgeben!
Ich beschloss mich zu
wehren.
Kurze Zeit darauf verwarf
ich es wieder. Ich schnaufte vor Zorn und fasste neuen Mut. Presste noch einmal
einen lauten Schrei aus meiner Kehle, der von ganz unten, tief aus meinem
Inneren kam und ich bemerkte die Anspannung der Kraft, die ihm folgte. Nein!
Ich, Rea, würde nicht aufgeben. Basta!
Noch eine Weile saß ich
so, während die Bilder verschiedener Zukünfte vor meinem inneren Auge wie in
einem Kinofilm an mir vorüber zogen. Kam dann zu mir und dachte an Gunnar.
Ich musste ihn dringlichst
anrufen.
Nachdem ich mich
vergewissert hatte, dass es ihm gut ging, stieg ich umgehend in meinen Wagen, fuhr
zu ihm und blieb bei ihm bis gegen zehn Uhr abends.
Gunnar sorgte sich.
Dachte. Es fiele mir schwer des nächtens zurück zum Zentrum zu fahren. Aber ich
hatte es nicht weit zu Troels Wohnung.
Troels wartete bereits. Runzelte
die Stirn, als ich zur Tür herein trat. Fragte jedoch nicht weiter nach. Ich
sah mich ebenso wenig in Erklärungszwängen. Vermutete schlicht und einfach, dass
er sich ebenfalls um mich sorgte.
Nachdem ich Schuhe und
Kleidung abgestreift hatte, duschte ich kurz und setzte mich dann zu ihm auf
die Couch.
Er war nicht viel früher
als ich hier angekommen. Wie er mir berichtete.
„Magst du einen Tee?“,
fragte er, lächelte mir von der Seite zu, küsste mich auf die Wange, stand auf
und bereitete ihn zu.
Wir sahen noch lange fern.
Bis nach Mitternacht und waren beide so erschöpft, dass wir an intimen
Aktivitäten keinerlei Interesse mehr hatten.
Als ich mich heute Morgen
bereits zum weggehen herrichtete, hatte er sich abgewendet und ich war mir
sicher eine Traurigkeit in seinen Augen wahrgenommen zu haben. Möglicherweise
dachte er, dass ich ausschließlich zum Schlafen zu ihm kommen würde, und mir
vielleicht besser ein Hotelzimmer hätte mieten, oder gleich bei meinem Ehemann
hätte bleiben sollen.
Ich hatte von Gunnar
geträumt, diese Nacht. Er hatte mich gerettet.
Irgendein alter Mann war
hinter mir her gewesen. Überall waren nur Mauern und verschlossene Türen.
Gunnar hatte mir die Hand gereicht und mich zu sich nach oben gezogen.
Um Troels Willen beklagte
ich selbstredend meinen raschen Aufbruch. Aber ich gedachte so schnell wie
möglich wieder bei meinem Ehemann zu sein.
Wir Frühstückten in aller
Kürze und ich fuhr zum Krankenhaus.
Als ich schwungvoll und
gut gelaunt das Zimmer betrat, hielt ich abrupt in meiner Bewegung inne. Mein
Lächeln gefror. Fiel in sich zusammen und ich, gleich hinterher. Denn da stand
Elena an Gunnars Bett. Lachte und scherzte mit ihm.
Ich funkelte die beiden
an. Sah wie Gunnar etwas zu mir sagte und mich mit einer Handbewegung zu sich
winkte. Verstand jedoch nichts. Wollte, konnte nichts verstehen.
Ich drehte mich um,
verließ das Zimmer und schlug die Tür. Rannte den Flur entlang. Wartete nicht
einmal auf einen Fahrstuhl. Sondern benutze sogleich das Treppenhaus. Rannte
zum Wagen und fuhr zurück zu Troels.
Troels saß mit seinem
Notebook auf der Couch und sah mich erstaunt an, als ich die Tür öffnete.
„Das war aber ein kurzer
Besuch.“, bemerkte er beinahe belustigt und ich konnte sehen, wie ein schnelles
Lächeln über sein Gesicht huschte. „Was ist passiert?“, fragte er jedoch dann
mit ernster Stimme.
Ich sah ihn missbilligend
an. Wollte ihm nicht wirklich auf seine Frage antworten. Sagte aber dann nur
ein einziges Wort: „Elena.“
„Aha. Und?“ Er hatte die
Arme zur Hälfte ausgebreitet, die Handflächen nach außen gedreht und sah mich
fragend an.
Ich antwortete nicht. Ging
stattdessen zur Küchenzeile um mir einen Tee zuzubereiten.
„Du bist doch nicht etwa
weggelaufen?“
Troels schien sich nun
wieder darüber zu amüsieren.
Ich schnaufte wurde wütend.
„Wieso tust du das?“,
fragte ich dann.
„W-a-s tue ich denn?“
„Erheitert dich mein
Verhalten etwa? Ich kann genau so gut wieder gehen.“
„Hey, hey, hey. Jetzt mal
langsam.“, sagte Troels und Bedauern schwang in seiner Stimme. Er klopfte mit
der Hand neben sich auf die Couch und forderte mich auf sich neben ihn zu
setzen.
„Ich wollte doch nur damit
sagen, dass es feige ist, einem anderen, oder einer anderen ohne Kampf das Feld
zu überlassen.“ Er lebte seinen Arm um meine Schulter und drückte mich an sich.
„Ich bin doch um jede einzelne Minute glücklich, die du bei mir bist.“