Wanja ist ein Denker. Ein
feiner und präziser Beobachter und Zuhörer. Er interessiert sich für DAS, was
mir im Kopf herum spuckt. Hinterfragt meine Aussagen und diskutiert mit mir
(ausführlich) über alles, worauf ich mich einlasse.
Gleichwohl er keine
Gedanken zu lesen vermag, trifft er mit seinen Vermutungen über meine jeweiligen
Stimmungen zumeist genau ins Schwarze. Zu Gute mag ihm dabei kommen, dass er
mich ausreichend kennt.
„Warum ringst du so mit
dir?“, fragte er, nachdem ich auf seine Frage, ob ich nun bei ihm bliebe eine
Sekunde zögerte und ein wenig den Mund verzog.
Nun, warum ringe ich so mit mir??
Weil ich mir nicht sicher
bin? Alles schient so nett und richtig. Die tadellose Lösung, welche ich
derzeit benötige. Nur, ist jeder neue Anfang stets reizvoller als dass, was man
gerade hinter sich ließ.
Warum ringe ich so mit mir?
Weil ich noch einen Funken
Verantwortungsgefühl in mir trage?
Wie vermag ich Gunnar in
so einer prekären Situation allein lassen?
Andererseits, bin ich
überhaupt fähig ihm zu helfen? Sind mir meine eigenen Probleme nicht genug?
Benötige ich nicht selbst ein gewisses Maß an Hilfe?
Warum ringe ich so mit mir?
Ist es die Angst Schuld
auf mich zu laden? Vertrauen zu missbrauchen?
Warum ringe ich so mit mir?
Weil man erfahrungsgemäß
vorher nie wissen kann, wie die Zukunft mit einem Mann sich in späterer
Hinsicht gestaltet? Wie er sich womöglich verändert. „Ent-puppt“?
Gibt es überhaupt eine
Sicherheit?
NEIN! Die gibt es zweifelsohne
nicht!
Folge dessen springt man
mit jeder Entscheidung, gleichgültig, wie sie auch ausfallen mag, ins viel
besagte, „kalte Wasser“ und lernt dann erst das Schwimmen.
Was sagt mir das nun?
Dass ich ebenso bei Gunnar
verbleiben kann?
Dass ich einen Neubeginn
mit Wanja wagen könnte?
Natürlich vermittelt sich
mir der Eindruck, dass wir uns, durch unser beider Weiterentwicklung in den
letzen Jahren, offensichtlich viel zu geben hätten. Erstaunlicherweise
registriere, oder mutmaße ich nun, nach einigen Jahren der Trennung von Wanja,
dass seine Charakterzüge doch viel besser zu mir passen als Gunnars. Exakt
durch diese, von mir nun neu entdeckten Attribute, die Kontinuität und seine
Vehemenz, ist er in der Lage mir vieles gewinnbringender als Gunnar zu
vermitteln, was ich vor allem durch seine tatkräftige Hilfe ebenso
ordnungsgemäß umzusetzen vermag. Ja. Ich bin in der Tat der Meinung, dass wir
gemeinsam, mit- und voneinander lernen können. Weil wir bewusst oder
gleichermaßen unbewusst des anderen Charaktereigenschaften nutzen.
Gunnar mag in vielerlei
Hinsicht weise sein. Magisches Wissen gesammelt und vordergründig als
strahlender Ritter auf dem weißen Schimmel daher geritten kommen.
Möglicherweise sieht er sich ebenso gern in dieser Rolle, oder versucht es
tatsächlich und ehrlich zu sein. Bewältigt diese Aufgabe jedoch nicht. Oder nicht
zur Genüge. Alldieweil er mit sich nicht im Reinen ist. Was er wahrscheinlich
bis dato ignorierte, um mein Held zu sein. Was ihm nun wieder zu Buche
geschrieben werden sollte.
Ob er mich gänzlich über
all das aufzuklären vermag, wenn ich ihn danach frage?
Vermutlich nicht. Denn er
wird sich selbst erst einmal finden und stabilisieren müssen.
Selbstredend hatte mich
Wanja zu dieser interessanten Analyse animiert.
Um tatsächlich etwas zu
lernen und ins Leben zu integrieren ist Wanjas Elan und Dynamik Erfolg
versprechender wie Gunnars schwankender Charakter, oder seine (Lebens-)Launen.
Seine Unsicherheiten und letztendlich sein Unvermögen mir kontinuierlich zu
helfen oder ganz und gar sein eigenes Leben unter Kontrolle zu bringen.
Jedoch rein menschlich
gesehen, kann, dürfte ich ihn nicht im Stich lassen?
Wanja tut schlicht und
einfach, was Gunnar nur ansprach. Ich weiß genau, dass ich seiner Präzision, Sorgfalt,
Disziplin und Kontrolle nicht entkommen kann.
Ich scheine gerade DIESE
Vehemenz zu benötigen, um zu lernen, was gut für mich ist. Weil ich
zugegebenermaßen zu bequem und nachlässig bin.
Wanja vertieft mit mir
jeden begonnen Gedanken. Bis in die letzten Schluchten meiner inneren Welt. Da
gibt es kein Entrinnen.
Selbstverständlich kann
ich Gunnars Leistung nicht schmälern. Er vermittelte mir zweifelsohne eine
ganze Menge an magischem Wissen. Jedoch vermochte er mich nicht dazu zu animieren,
selbstständig und weiterführend dieses Wissen zu vertiefen, beizubehalten,
anzuwenden und Schlüsse daraus zu ziehen, und mein eigenes Wissen, aus meinem
eigenen Inneren heraus zu holen, es zu gebrauchen und weiter zu entwickeln.
Denn genau DAS ist der Prozess der Entwicklung, den ich brauche.
Insbesondere die eigene
Weiterentwicklung, ist der Schlüssel, welchen Gunnar mir nicht zu geben
vermochte.
Wanja hingegen, ist ein
einziger Quell der Inspiration. Er weiß, was er tun muss, um Nachhaltigkeit zu
gewährleisten.
Er ist schlicht und
einfach nur wie er IST, und genau DAS scheine ich zu brauchen.
Früher waren mir diese
Eigenschaften nicht wichtig. Ich war nicht am Lernen interessiert. Dies kam erst
mit Gunnar und der Kränklichkeit. Daher konnte ich Wanja vor Jahren nicht
folgen und wir redeten fortwährend aneinander vorbei. Was letztendlich zur
Trennung beitrug.
Heute, sind wir zwei
Wissbegierige, die aufeinander treffen und voneinander lernen wollen.
Wanja ist auf seine Weise
ebenso flexibler geworden. Stellt sich besser auf mich ein als früher. Er ist
älter und reifer, als zu der Zeit, wo ich ihn kennen lernte und er ist
selbstverständlich noch immer an einem Leben mit mir wärmstens interessiert.
Obgleich ihm klar ist, dass ich krank bin und es gleichwohl bleiben werde.
Ich wähne, dass setzt eine
spezielle Art der Lieber zu mir voraus, die er nie verlor und auf irgendeine
Weise kultivierte bis zum heutigen Tag. Nur ich, vermochte ihn ebenso wenig zu
vergessen.
In der gesamten Zeit der
Trennung verloren wir uns nicht wirklich aus den Augen.
Im Moment erscheint mir mit
Wanja beinahe alles SO derart perfekt.
Aber, WO ist der Hacken?
Denn ich frage mich, was Wanja
nun über das „normale Sein“ zu wissen glaubt. Bereits damals, am Ende unserer
fünf Jahre, kam mir der Verdacht, dass er so leicht zum „anderen Ufer“
tendiert. Was ebenso ein Grund für unsere Trennung gewesen war. Jedoch war ich
mir nie wirklich sicher. Entspräche dies in der Tat der Wahrheit, was er
niemals zugeben würde und könnte, was hätte ich dann gewonnen? Wenn ich mich
tatsächlich für IHN entscheide?
Sind tatsächlich alle
attraktiven Männer bisexuell?
Das wäre überaus
beklagenswert!