Mittwoch, 11. September 2013

Verschlungene Analysen, oder „Wo ist der Hacken“



Wanja ist ein Denker. Ein feiner und präziser Beobachter und Zuhörer. Er interessiert sich für DAS, was mir im Kopf herum spuckt. Hinterfragt meine Aussagen und diskutiert mit mir (ausführlich) über alles, worauf ich mich einlasse.
Gleichwohl er keine Gedanken zu lesen vermag, trifft er mit seinen Vermutungen über meine jeweiligen Stimmungen zumeist genau ins Schwarze. Zu Gute mag ihm dabei kommen, dass er mich ausreichend kennt.
„Warum ringst du so mit dir?“, fragte er, nachdem ich auf seine Frage, ob ich nun bei ihm bliebe eine Sekunde zögerte und ein wenig den Mund verzog.
Nun, warum ringe ich so mit mir??
Weil ich mir nicht sicher bin? Alles schient so nett und richtig. Die tadellose Lösung, welche ich derzeit benötige. Nur, ist jeder neue Anfang stets reizvoller als dass, was man gerade hinter sich ließ.
Warum ringe ich so mit mir?
Weil ich noch einen Funken Verantwortungsgefühl in mir trage?
Wie vermag ich Gunnar in so einer prekären Situation allein lassen?
Andererseits, bin ich überhaupt fähig ihm zu helfen? Sind mir meine eigenen Probleme nicht genug? Benötige ich nicht selbst ein gewisses Maß an Hilfe?
Warum ringe ich so mit mir?
Ist es die Angst Schuld auf mich zu laden? Vertrauen zu missbrauchen?
Warum ringe ich so mit mir?
Weil man erfahrungsgemäß vorher nie wissen kann, wie die Zukunft mit einem Mann sich in späterer Hinsicht gestaltet? Wie er sich womöglich verändert. „Ent-puppt“?
Gibt es überhaupt eine Sicherheit?
NEIN! Die gibt es zweifelsohne nicht!
Folge dessen springt man mit jeder Entscheidung, gleichgültig, wie sie auch ausfallen mag, ins viel besagte, „kalte Wasser“ und lernt dann erst das Schwimmen.
Was sagt mir das nun?
Dass ich ebenso bei Gunnar verbleiben kann?
Dass ich einen Neubeginn mit Wanja wagen könnte?
Natürlich vermittelt sich mir der Eindruck, dass wir uns, durch unser beider Weiterentwicklung in den letzen Jahren, offensichtlich viel zu geben hätten. Erstaunlicherweise registriere, oder mutmaße ich nun, nach einigen Jahren der Trennung von Wanja, dass seine Charakterzüge doch viel besser zu mir passen als Gunnars. Exakt durch diese, von mir nun neu entdeckten Attribute, die Kontinuität und seine Vehemenz, ist er in der Lage mir vieles gewinnbringender als Gunnar zu vermitteln, was ich vor allem durch seine tatkräftige Hilfe ebenso ordnungsgemäß umzusetzen vermag. Ja. Ich bin in der Tat der Meinung, dass wir gemeinsam, mit- und voneinander lernen können. Weil wir bewusst oder gleichermaßen unbewusst des anderen Charaktereigenschaften nutzen.

Gunnar mag in vielerlei Hinsicht weise sein. Magisches Wissen gesammelt und vordergründig als strahlender Ritter auf dem weißen Schimmel daher geritten kommen. Möglicherweise sieht er sich ebenso gern in dieser Rolle, oder versucht es tatsächlich und ehrlich zu sein. Bewältigt diese Aufgabe jedoch nicht. Oder nicht zur Genüge. Alldieweil er mit sich nicht im Reinen ist. Was er wahrscheinlich bis dato ignorierte, um mein Held zu sein. Was ihm nun wieder zu Buche geschrieben werden sollte.
Ob er mich gänzlich über all das aufzuklären vermag, wenn ich ihn danach frage?
Vermutlich nicht. Denn er wird sich selbst erst einmal finden und stabilisieren müssen.
Selbstredend hatte mich Wanja zu dieser interessanten Analyse animiert.


Um tatsächlich etwas zu lernen und ins Leben zu integrieren ist Wanjas Elan und Dynamik Erfolg versprechender wie Gunnars schwankender Charakter, oder seine (Lebens-)Launen. Seine Unsicherheiten und letztendlich sein Unvermögen mir kontinuierlich zu helfen oder ganz und gar sein eigenes Leben unter Kontrolle zu bringen.
Jedoch rein menschlich gesehen, kann, dürfte ich ihn nicht im Stich lassen?

Wanja tut schlicht und einfach, was Gunnar nur ansprach. Ich weiß genau, dass ich seiner Präzision, Sorgfalt, Disziplin und Kontrolle nicht entkommen kann.
Ich scheine gerade DIESE Vehemenz zu benötigen, um zu lernen, was gut für mich ist. Weil ich zugegebenermaßen zu bequem und nachlässig bin.
Wanja vertieft mit mir jeden begonnen Gedanken. Bis in die letzten Schluchten meiner inneren Welt. Da gibt es kein Entrinnen.
Selbstverständlich kann ich Gunnars Leistung nicht schmälern. Er vermittelte mir zweifelsohne eine ganze Menge an magischem Wissen. Jedoch vermochte er mich nicht dazu zu animieren, selbstständig und weiterführend dieses Wissen zu vertiefen, beizubehalten, anzuwenden und Schlüsse daraus zu ziehen, und mein eigenes Wissen, aus meinem eigenen Inneren heraus zu holen, es zu gebrauchen und weiter zu entwickeln. Denn genau DAS ist der Prozess der Entwicklung, den ich brauche.
Insbesondere die eigene Weiterentwicklung, ist der Schlüssel, welchen Gunnar mir nicht zu geben vermochte.
Wanja hingegen, ist ein einziger Quell der Inspiration. Er weiß, was er tun muss, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten.
Er ist schlicht und einfach nur wie er IST, und genau DAS scheine ich zu brauchen.
Früher waren mir diese Eigenschaften nicht wichtig. Ich war nicht am Lernen interessiert. Dies kam erst mit Gunnar und der Kränklichkeit. Daher konnte ich Wanja vor Jahren nicht folgen und wir redeten fortwährend aneinander vorbei. Was letztendlich zur Trennung beitrug.
Heute, sind wir zwei Wissbegierige, die aufeinander treffen und voneinander lernen wollen.

Wanja ist auf seine Weise ebenso flexibler geworden. Stellt sich besser auf mich ein als früher. Er ist älter und reifer, als zu der Zeit, wo ich ihn kennen lernte und er ist selbstverständlich noch immer an einem Leben mit mir wärmstens interessiert. Obgleich ihm klar ist, dass ich krank bin und es gleichwohl bleiben werde.
Ich wähne, dass setzt eine spezielle Art der Lieber zu mir voraus, die er nie verlor und auf irgendeine Weise kultivierte bis zum heutigen Tag. Nur ich, vermochte ihn ebenso wenig zu vergessen.  
In der gesamten Zeit der Trennung verloren wir uns nicht wirklich aus den Augen.

Im Moment erscheint mir mit Wanja beinahe alles SO derart perfekt.
Aber, WO ist der Hacken?
Denn ich frage mich, was Wanja nun über das „normale Sein“ zu wissen glaubt. Bereits damals, am Ende unserer fünf Jahre, kam mir der Verdacht, dass er so leicht zum „anderen Ufer“ tendiert. Was ebenso ein Grund für unsere Trennung gewesen war. Jedoch war ich mir nie wirklich sicher. Entspräche dies in der Tat der Wahrheit, was er niemals zugeben würde und könnte, was hätte ich dann gewonnen? Wenn ich mich tatsächlich für IHN entscheide?
Sind tatsächlich alle attraktiven Männer bisexuell?
Das wäre überaus beklagenswert!