Alles ist okay.
Aber stimmt das wirklich?
Sein diary zu belügen
wäre, als würde man sich selbst betrügen.
Es ist nicht alles okay.
Oder möglicherweise doch??
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Schneller als ich es
dachte erinnerte ich mich an meinen Ehemann und genoss seine Zärtlichkeiten.
Gleichwohl mich die Eifersucht und der Gedanke an andere Frauen, mit denen er
zusammen gewesen sein konnte innerlich zerfraß. Was ich weg wischte. In Grund
und Boden trat. In die alle letzte Ecke meines Herzens, hinter tausend Türen
verbannte.
Beinahe genau so schnell,
wie ich mich an meinen Ehemann, welchen ich zweifelsfrei über alles liebe, so wie
er mich, gewöhnte, scheine ich Troels
vergessen zu haben.
Aber das stimmt nicht.
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Gunnar war den ganzen
Morgen bei Christine im Office, und ich mit meinem Notebook.
Noch davor, so gegen fünf,
während ich noch schlief, hatte er mit Adam und Marie geskypt. Es war sein
Wunsch Inula Castanes und Óðinn Aron zu sehen, und er wollte, dass die Kinder ihren Vater zu
Gesicht bekommen.
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Gleich nach dem Lunch
begab sich Gunnar erneut an die Arbeit. Da war selbstredend eine ganze Menge
nachzuholen.
Gegen vier kam er kurz zu
mir und ging dann zu Taylor, Paul und Chris.
Es war nicht einmal eine Stunde vergangen, als zu mir zurückkam. Was mich
verwunderte. Er setzte sich zu mir, legte den Arm um meine Schulter und begann mit
mir über meine Gesundheit zu reden. Das ich meine Bauchmuskulatur regelmäßig
entspannen müsse, es gut wäre, mit den Speisen zu experimentieren, und vor
allem müsse ich meine Mahlzeiten in aller Ruhe einnehmen. Nicht dabei fernsehen
oder am Notebook sitzen. Ebensowenig mich während des Essens in aufregende
Gespräche vertiefen...usw...
Urplötzlich sank er zu Boden. Kniete vor mir nieder. Umklammerte meine
Beine und brach in Tränen aus. “Es tut mir leid! Es tut mir alles so schreklich
leid. Es ist meine Schuld.”
“W-a-s ist deine Schuld?”. Fragte ich stotternd. Alldieweil ich nicht
wusste, worauf das ganze hinauslief.
Er schluchzte. “Du hattest Recht mit deinen Vermutungen. Ich sah sie in
deinem Kopf. Ich landete tatsächlich bereits am Mittwochabend in Stockholm.”
Ich sah ihn an und mein Atem stockte. Mein Mund blieb offen stehen. Ich
wartete jedoch. Sagte kein Wort, denn ich sah, dass er weiter sprechen wollte.
“Ich gedachte Elena nur kurz aufzusuchen. Aber sie warf sich mir an den
Hals. Bost sich mir an. Ließ mir keine Ruhe, bis”, er hielt kurz inne und sein
Tränen gefüllter Blick streifte die Meinen, “ich nachgab und ich mit ihr
fickte.”
Ich schluckte. “J-a, und weiter?”
“Das Treffen mit Siv war bereits vereinbart.”
Dieser Satz brachte mich in der Tat zum Hüsteln.
“Anschließend ging ich zu ihr. Es gab eine Sesion mit ihren Schwestern. Ich
blieb bei ihr bis zum nächsten Tag und kam dann hier her zu dir.” Seine Stimme,
sowie sein Kopf senkten sich. Er blickte vor sich auf den Boden. Kaute auf
seiner Lippe und atmete schwer.
Ich wusste es. Meine Vermutungen erwiesen sich tatsächlich als richtig. Daher
war ich nicht wirklich überrascht ob seines Geständnisses. Jedoch, was meinte
er mit “Schuld”?
Sein Kopf sank erneut auf meine Kniee. Ich strich ihm (verständnidvoll) mit
der Hand über das blonde, glänzende Haar. “Was meintest du mit Schuld?”
Er hob den Kopf und sah mir in die Augen. “Es ist meine Schuld, dass du an
andere Männer denkst und das du bei Troles gewesen warst.”
Damit hatte er vollkommen Recht. Dachte ich so. Formulierte jedoch ein Wort
mit meinem Tonfall zu einer Frage.
“Troels?” Meine Vermutungen schienen
sich in diesem Fall ebenso zu bestätigen. Er wusste Bescheid.
“Natürlich .”, sagte er und antwortete so auf DAS, was ich soeben dachte.
“Dein Kopf war voll von ihm. Du hast ihn gesucht. Nicht wahr. Ist er jetzt als
Politiker wieder reizvoll für dich.”
Er schien alles zu wissen. Daher fragte ich nicht weiter nach. Versuchte zu
realisieren, was hier eigentlich lief und entwickelte Strategien in meinem
Kopf. Doch vorerst, hielt ich den Mund. Aber genau genommen, hätte ich ebenso
alles ausplaudern können, denn er sah meine Verwirrung. Bis es mir dämmerte,
das der Masochismus in Gunnar durchgebrochen sein musste. Er wollte von mir
Bestrafung. Aber welche??
Möglicherweise war genau DAS die Strafe, die er wollte, dass ich
gelegentlich ebenso einen anderen Mann aufsauchte. Nur, lief dies mit seiner
Aussage, dass er mich liebe und eifersüchtig auf andere Männer sei, in keinster
Weise konform.
Welche verschlungenen Pfade bahnten sich da einen Weg aus Gunnars Kopf?
Ich verstand nun überhaupt nichts mehr.
Waren es masochistische Launen? Stimmungen? Kapriolen, die er selbst nicht
vorhersehen konnte? Die sich spotan ihren Weg nach außen bahnten?
Ich leugnete nichts. Versuchte ihm jedoch zu erklären, dass seine zunehmende
Abwesenheit Schuld daran sei. „Es
liegt nicht daran, dass ich Quitt pro Quo dir alles heimzuzahlen gedenke“. Ich erklärte ihm,
dass ich viel lieber MIT ihm zusammen wäre.
Er Stand auf und schien wütend zu werden. Entgegnete, dass man schließlich
nicht beständig aufeinander hocken müsse.
Mit einem Mal sprach er Wanja und den plötzlichen Rückzug der Russen aus
unserem Zentrum an. Fragte, was ICH dafür hätte tun müssen. Gleich anschließend
erkundigte er sich nach Ian und Kevin. Er schien in diesem Augenblick über die
Maßen eifersüchtig zu sein.
Er wiedersprach sich forwährend. Redete von Siv. Schwor, dass er nichts für
sie empfand. Bemängelte jedoch im gleichen Atemzug, dass ICH nicht bereit wäre,
seinen Neigungen zu folgen. Sogar Felicio sprach er an, und dass ich ihn
seinetwegen damals am Altar hätte stehen lassen.
Alles, alles wurde auf den Tisch gepackt. Nur wofür??? Hatten wir das nicht
bereits hinter uns gelassen?
Im Grunde vermochte ich nicht zu sagen, was er eigentlich von mir wollte!
Gunnar stand einige Meter von mir entfernt. Kaute an seinen Nägeln und warf
mir von Weitem einen Blick zu, den ich mit Nichen zu deuten vermochte.
Am Ende ging er wortlos aus dem Haus, stieg in seinen Wagen und fuhr davon.
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Ich war wütend. Verwirrt.
Wusste nicht, was ich tun sollte.
Genau genommen kam mir der
Gedanke es Gunnar gleich zu tun. In meinen Wagen zu steigen und zu Troels zu
fahren. Jedoch tat ich vorerst das Vernünftigste, was ich tun konnte und ging
zu Christine. Ich erzählte ihr freimütig, was geschehen war und fragte SIE, ob
sie wüsste, was das zu beheuten hätte. Sie zuckte mit den Schultern. „Was weiß
ich denn schon, in welche Richtung Gunnars Gehirn während seines Aufenthaltes
in der Sekte verdreht wurde.“ Sie sah mich an und ich wusste, dass sie log.
Ihre Finger trommelten nervös auf den Tisch vor ihr. Sie drehte mir den Rücken
zu und sah schweigend aus dem Fenster.
Was nun? War das etwas
alles, was sie zu sagen hatte? Sollte ich etwa gehen?
„Alles scheint eine Last
auf seinen Schultern, die ihn erdrückt.“, sprach sie weiter ohne sich mir
zuzuwenden. „Die Erlebnisse in dieser Sekte müssen traumatisch gewesen sein,
dass sie ihn so derart veränderten.“
„Traumatisch?“, fragte ich
mit Zweifel und Unverständnis in der Stimme. „Wie kann fortwährendes Ficken
nach Wahl traumatisch sein?“
Christine drehte sich
jetzt zu mir um und sah mich vorwurfsvoll an. „Er wurde dazu gezwungen.“
Nun war ich in der Tat
verwundert. Was hatte er ihr davon erzählt? Und was mir? Hatte Gunnar für jede
eine andere Wahrheit?
Was in der Götter Namen
war mein Ehemann eigentlich?
Bisexuell? Ein Masochist?
Ein Lügner? Ein Betrüger? Liebte er mich tatsächlich so sehr, wie er
behauptete? Oder war alles nur eine Farce?
Was es mein Geld? Sein Ego?
Der Wunsch seiner Mutter nach einem spirituellen Zentrum?
In diesem Augenblick
stellte ich alles in Frage.
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Es ging mir nicht Gut. Ich
hätte Gunnar an meiner Seite dringlichst benötigt. Jedoch war ER nicht bei mir,
und ich wusste ebenso wenig WO er sich aufhielt. Bis, nun, bis ich nach einiger
Zeit eine kurze SMS von ihm bekam, in der er mir mitteilte, dass ich mich nicht
sorgen müsse. Er wäre nur so verzweifelt und von Sinnen gewesen. Die Last zu
groß. (Welche Last???) Es tue ihm leid und er würde in Kürze nach Hause kommen.
Wäre nur ziellos mit dem Wagen durch die Gegend gefahren. Nicht mehr.
Er kam nicht.
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Es war bereits dunkel, als
ich in meinen Wagen stieg und auf die Straße nach Stockholm abbog. Mein Magen
knurrte. Ich hatte bis dato vor Aufregung noch nicht einmal etwas gegessen.
Wie sollte man denn unter
derartigen Umständen gesünder werden?!
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Ich hatte es mir in Troels
Wohnung gemütlich gemacht. Fühlte mich beinahe wie zu Hause (??). Hatte
geduscht und mir eines von Troels Hemden übergezogen. Mir Speisen aus einem
nahe liegendem Restaurant kommen lassen und lenkte mit dem Schreiben des diarys
meine Gedanken in andere Bahnen. Ich hoffte dadurch ruhiger zu werden. Es war
zweifelsfrei nicht vorteilhaft für meine Gesundheit, beständig in dieser
Anspannung zu bleiben.
Troels war einigermaßen
überrascht, als er gegen zehn seine Wohnung betrat und mich darin vorfand.
Denn, er war nicht allein.
Eine großbusige Frau mit
dunklen, langen Haaren, Anfang oder Mitte vierzig war bei ihm. Als sie mich
erblickte, schlief ihr förmlich das Gesicht ein und sie nahm eine hör- und
sichtbar trotzige Haltung ein.
Troels kam freudestrahlend
auf mich zu und küsste mich. Die Frau kochte vor Wut. Ich konnte mir ein
Lächeln nicht verkneifen.
Er stellte sie mir als
seine Kollegin vor, sagte, dass sie noch zu arbeiten hätten und entschuldigte
sich dafür.
„Okay. Kein Problem.“,
antwortete ich und legte meine nackten Beine vor mir auf den Tisch. Troels
grinste.
Ich hatte nicht vor für
diese Birgitte Skovgaar „das Feld“ zu räumen. Obgleich ich gestehen muss, dass
sich da erneut in meinem Bauch ein Gefühl der Eifersucht meldete, und ich hatte
mehr als eine Stunde Zeit es zu nähren. Meine anfängliche Überlegenheit
schrumpfte auf ein kaum mehr sichtbares Maß. Denn so nach und nach wurde mir
bewusst, dass diese Frau in den Jahren von Troels ehrenamtlicher Parteiarbeit
zur Genüge Gelegenheiten hatte, ihm näher zu kommen.
War da tatsächlich etwas
zwischen ihnen? Hatten sie heute etwa doch nicht nur arbeiten wollen?
Es dauerte länger als eine
Stunde, bis diese Frau widerwillig die Wohnung verließ. In dieser Zeit beging
ich einen Fehler (?), der nun vorerst nicht wieder gut zu machen ist. Ich
sprach mit Wanja.
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Wir waren beide erschöpft.
Troels und ich. Gingen rasch zu Bett und schliefen sogleich ein. Doch vorher
hatte ich den Signalton meines iPhon auf zwei Uhr eingestellt.
Natürlich sprachen wir
vorher kurz über die Geschehnisse mit Gunnar und warum ich heute hier bei ihm
war.
Infolge unseres Gespräches
hatte Troels Hoffnung geschöpft, dass ich bei ihm blieb. Endgültig. Versteht
sich.
Jedoch war er mir noch
immer zu alt für eine wirklich feste Beziehung. Politiker hin oder her.
Wanja hatte die
Gelegenheit meiner Unsicherheit, meiner Zweifel an allem und meiner Eifersucht
auf alles genutzt um mich zu überreden zu ihm zu kommen. Ich hatte sein Angebot
angenommen. Gab jedoch zu bedenken, dass ich zum Zentrum zurückfahren müsse, um
Kleidung und Medikamente zu holen. Er hingegen meinte, dass dies nicht nötig
sei und dass er mir alles was ich benötige sogleich nach Ankunft kaufen würde.
Gleichgültig, was es sei. Ich stimmte schnaufend zu. Rief aber zumindest bei
Sarah an, welche ich Mitten in der Nacht zu meinem Haus beorderte, um
nachzusehen, ob Gunnar nun doch wieder zurückgekommen sei oder nicht.
Es dauerte etwa fünfzehn
Minuten, als sie zurückrief und verneinte.
Gunnar war noch immer
nicht zu Hause. Ich war enttäuscht. Frustriert und traurig.
Mit einem flauen Gefühl im
Magen, schlicht ich mich klammheimlich nächtens aus Troels Wohnung und fuhr zum
Flughafen, wo Wanjas Maschine gelandet war und auf mich wartete.
Nun bin ich hier. In
Moskau.