Sonntag, 6. Oktober 2013

Abwägen. Was ist richtig und was falsch?


Ich bin eine unentschlossene, treue Idiotin!

Natürlich war ich einkaufen. Natürlich war ich bei Troels. Verlies ihn jedoch innerhalb kürzester Zeit unter fadenscheinigen Gründen.
Als ich die Wohnung betreten hatte sah ich Frieda. Sie saß mit Troels auf der Couch und der Fernseher lief. Obgleich ich meine Eifersucht zu zügeln versprach, stellte sich augenblicklich Unwillen ein. Ein Gefühl der Wut stieg in mir auf.
Troels kam mir Freude strahlend entgegen. Umarmte und küsste mich. „Setzt dich doch.“, sagte er und wies mit der Hand auf den Platz neben Frieda.
„Nein danke.“, kamen die Worte unwillkürlich aus meinem Mund, welche ich mit Nichten hätte sagen sollen. Dabei fiel mir ein Spruch ein, welchen ich als Kind so oft gehört hatte. „Gesagtes Wort, geworfener Stein. Holt niemand wieder ein.“
Wieso benahm ich mich so degoutant?
Aus welchem Grund gab ich erneut diesem unnützen Gefühl der Eifersucht nach?
Troels bemerkte rasch meine Widerwilligkeit. Zog die Augenbrauen nach oben, wendete sich ab und setzte sich neben Frieda.
„Ich kam nur kurz vorbei, weil ich ohnehin in Stockholm unterwegs gewesen war, um Geschenke zu kaufen.“, sprach ich weiter und gestand mir nach kurzer Prüfung zu, dass dies nicht gelogen war. Andererseits belog ich mich selbst. Oder war ich nur unschlüssig?
Alles in allem suchte ich ausschließlich eine billige Ausrede vor mir selbst, um meinen Zorn auf Frieda und vor allem mich selbst zu besänftigen, da ich nun keine andere Wahl mehr hatte, als zügig wieder zu gehen. Vor Frieda wollte, konnte ich nicht unentschlossen da stehen. Ich musste „Taten“ folgen lassen.
Troels zuckte mit den Schultern. „Wenn du das musst?“ Er gab sich gelassen. Was selbstredend ebenso wenig wie mein Verhalten der Wahrheit entsprach.
Nein. Ich würde mich nicht noch einmal zu Troels umsehen. Würde die Tür schlicht und einfach hinter mir schließen. Basta!
Ich dachte darüber nach, was ich hier genau genommen „verloren“ hatte? Kam in diesem flüchtigen Augenblick zu dem Schluss, dass es mit Troels kein beständiges Bleiben oder Da-sein geben wird. Bemerkte jedoch sofort, dass diese Gedanken lediglich meiner Wut und meinem Trotz der vorgefunden Situation gegenüber entsprangen.
Die gesamte Rückfahrt über, ärgerte ich mich über mich selbst.

Zu Hause angekommen, warf ich die Geschenke in eine Ecke und ließ mich missmutig auf die Couch sinken.
Poch. Poch. Poch.
„Herein.“
Jason stand in der Tür. „Alles okay bei dir?“, fragte er in vertraulicher Manier, welch mir nicht wirklich zusagte. Trotz alledem bat ich ihn herein und sich zu setzen. Wir unterhielten uns oberflächlich und sahen gemeinsam fern.
Nach einer Weile zwinkerte er mir zu und ich wusste genau, was er damit andeuten wollte.
„Nein.“, sagte ich und dachte erneut gegen meine Gefühle zu handeln. Aber das stimmte nicht. Mir war in der Tat NICHT danach, einfach nur mit einem Mann zu ficken. Ich bereute es noch immer, nicht bei Troels geblieben zu sein!
Jason begleitete mich noch zum Restaurant. Zurück ging ich allein und traf Paul Bradley. Wir unterhielten uns eine Weile und ich ging allein zurück ins Haus, um die nächste Niederlage einzustecken. Als ich so durch die Kanäle zappte, sah ich Wanja und bereute in seinem Fall abermals und noch viel mehr, dass ich gleichwohl zu ihm NEIN gesagte hatte.
Ich bin eine Idiotin, sagte ich mir immer wieder und ging wütend auf mich selbst und ALLEIN zu Bett.
Ich schlief unruhig. Wälzte mich hin und her. Vermisste DEN Mann, nein, einen Mann, an meiner Seite. Letztendlich stand ich auf. Kochte mir einen Tee, ging zum Fenster und sah Gedanken versunken und an meiner Tasse nippend in die Nacht  hinaus.
Poch, poch, poch.
Ich erschrak. „Wer ist da?“, fragte ich ängstlich.
„Paul.“
„Oh!“ Ich ging zur Tür und öffnete sie. „Kommen sie doch herein.“
„Können sie nicht schlafen?“, fragte er lächeln.
„Nein. Möglicherweise vermögen sie das ja zu ändern, Paul.“ Ich nahm einen Schluck aus meiner Tasse und sah ihn von unten her schmunzelnd an.
Er räusperte sich.
„Oh, NEIN, nein Paul.“, schickte ich meinem aufreizenden Blick Worte hinterher, die  ihn entschärfen sollten. Denn er dachte sicherlich, ich wolle mit ihm ficken. Zudem vermochte ich ihm mit Nichten zu gestehen, dass ER bei Weitem NICHT so attraktiv wie Jason war.
„Ich will nicht mit ihnen...“ Ich biss mir kurz auf die Lippe, als augenscheinliches Zeichen der Verlegenheit. „Sie wissen schon, was ich meine und kennen mich doch verhältnismäßig gut. Ich würde mir nur ein paar starke Arme wünschen, in denen ich mich geborgen fühlen und in Ruhe einzuschlafen vermag.“
Paul lächelte und kam am Ende meiner Bitte nach.
Wir frühstückten noch gemeinsam und er fragte mich, warum ich nicht wie in Berlin mit Jason diese Nacht verbracht hätte.
Ich seufzte. „Er hat Frau und Kind.“
„Skrupel?“
Wir mussten beide lachten. „Nein.“, sagte ich mit ruhiger Stimme. „Ich will nur keinen Mann, der ausschließlich am Ficken interessiert ist und eher weniger an mir.“
„Ah. Die Männer, mit denen sie schlafen, sollen also in sie verliebt sind?“
Ich antwortete nicht. Verzog nur den Mund ein wenig.
„Sie sind sehr anspruchsvoll.“
„Nein. Ich lege nur viel Wert auf Gefühle.“
„Romantik?“
Ich lachte. „Ja. Das auch.“
Wir redeten noch eine Weile und ich sagte dann ganz spontan: „Ich mag sie Paul.“
„Warum?“, fragte er unmittelbar zurück.
„Weil sie ehrlich sind und loyal.“
„Es ist mir nicht entgangen, dass sie mich mögen.“, sagte er nach einer kurzen Weile, sah mich prüfend an und sprach dann weiter. „Vielleicht mag ich sie ja auch.“
Ein eher ernüchternde „Hmm.“, entsprang meinen Lippen. Denn ich dachte an unser Gespräch, damals im Flughafen, wo er über seine Neigungen plauderte. „Nur erwähnten sie dies bislang nicht. Sie quälen sich nicht etwa selbst damit? Ich dachte sie seien viel mehr Sadist als Masochist? Was offenkundig einer intimeren Beziehung zwischen uns beiden im Wege steht. Außerdem gestanden sie mir, dass sie keine Frau in ihrem Leben brauchen könnten. Sich besser NICHT verlieben.“
Er blickte nachdenklich mit gesenktem Kopf auf die vor ihm stehende Tasse und drehte sie mit den Fingern nach rechts und nach links.
„Sie sind verheiratet.“, sagte er dann ehr feststellend kühl und lenkte das Gespräch urplötzlich in eine andere Richtung, bevor ich auf seine Worte einzugehen vermochte. Denn ich gedachte ihn zu fragen, wie er mich zuvor: `Skrupel´? Nur wohin hätte das geführt? In eine Sackgasse für mich, wo ich doch kurz zuvor Liebe und Romanik beschworen hatte. Oder war es ihm etwa peinlich über seine Gefühle zu reden? Möglicherweise empfand er jedes weitere Wort als sinnlos, alldieweil er ziemlich nüchtern festgestellt hatte, dass es da einen Ehemann gab, welchen er wahrscheinlich sogar respektierte.
„Ich sah ihren Wagen heute Nachmittag nicht? Ich dachte, sie seien möglicherweise bei Troels?“
„Ja. War ich auch.“, erwiderte ich und gestand ihm mein aberwitziges Debakel.
Er lachte. „Warum fahren sie nicht noch einmal zu ihm?“
Ich dachte an Troels und wie oft ich ihn bereits aus Gründen der Einsicht um meine sinnlose Eifersucht um Verzeihung gebeten hatte.
„Sie haben Recht.“, sagte ich, stand auf, zog Mantel und Schuhe über und ging nach draußen, wo ich in meinen Wagen stieg und in Richtung Stockholm aufbrach.
Unterwegs dachte ich darüber nach, dass Gunnar mir begegnen könne. Oder er möglicherweise, nein, ganz sicher früher als ich zurück sein würde. Aber ich wendete nicht.

Diesmal war ich es, die Freude strahlend die Tür öffnete und in Troels Schlafzimmer stürmte. Jedoch blieb ich abrupt stehen und hielt die Türklinke in meiner Hand. Da lag Frieda in Troels Bett.
Bevor Troels begriff, was geschehen war, hatte ich bereits gewendet und war auf dem Weg nach draußen.
Er sprang auf und rannte mir hinterher. „Warte doch Rea. Es ist NICHT wie du denkst. Sie hat doch nur hier übernachtet.“
Ich stoppte mitten im Gehen und drehte mich Wut schnaufend zu Troels um, der geradewegs auf mich prallte, mich festhielt und küsste.
Ich riss mich los. „Warum liegt sie dann in deinem Bett?“ Ich sah ihn vorwurfsvoll an. „Hätte sie nicht ebenso gut auf der Couch schlafen können?“
„Ja. Natürlich.“ Er griff nach meiner Hand. „Aber das Bett ist doch groß genug für uns beide.“ Er sah mir mit einem verzweifelten, aber dennoch treuen Blick in die Augen. „Hattest du nicht versprochen nicht mehr Eifersüchtig zu sein?“
Ich schnaufte. „Ja.“, gestand ich leise. „Jedoch für heute ist es zu spät zum bleiben. Ich muss zurück. Zurück zu Gunnar, der im schlimmsten Fall bereits zu Hause ist.“
Währenddessen ich meinen Wagen startete, dachte ich darüber nach, bei Elena vorbei zu fahren. Zu prüfen, ob Gunnars Wagen vor ihrem Haus stand? Lies es dann jedoch aus Zeitnot besser sein.

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Nein, zum Glück kam er erst vor etwa einer halben Stunde. Verhältnismäßig spät zu den vorhergehenden Übernachtungen bei seinem Bruder.
Und erneut war da wieder die „Eifersucht“, die ich jedoch seufzend, rasch und kapitulierend beiseite legte um ihn mit liebenden, offenen Herzen und innigen Küssen zu begrüßen.