Während
Gunnar im Office arbeitete, legte ich gestern, so kurz vor dem Flug nach
Manitoba einen Beauty-day ein. Mit Nagelstudio, Friseur und Kosmetik.
Am
Nachmittag fuhr Gunnar nach Stockholm zum Arzt, um sich das „Go“ für die Reise
geben zu lassen. Allerdings kam er nicht zurück. Sendete mir stattdessen eine
SMS, dass er noch seinen Bruder Hjalmar besuche, und dass es später werden würde.
Später.
Okay. Später. Was bedeutet „später“?
Als
er nach dem Dinner, so gegen sieben, halb acht noch immer nicht zurück war und
ich ihn gleichwohl nicht erreichte, stieg ich zornig in meinen Wagen und fuhr
in Richtung Stockholm. Was ich dort nun so genau wollte, wusste ich jedoch bis
dato nicht. Gunnar suchen? Nun gut. Infolgedessen war mein erster Stopp bei
Hjalmars Wohnung. Ich ging die Treppen nach oben und klingelte. Magnus,
Hjalmars Freund öffnete mir und ich fragte höflich nach Gunnar.
„Der
war kurz hier, ist aber wieder gegangen.“, sagte er mit einem freundlichen
Lächeln.
„Wohin
ist er den gegangen?“, fragte ich in der Hoffnung auf eine Antwort.
„Hm.
Nein. Sagte er nicht.“
Hjalmar
kam nun ebenfalls mit schlürfenden Schritten zur Tür. Er hatte ein Glas in
seiner rechten Hand, das er mit einen Tuch abtrocknete. „Gunnar war kurz hier.
Aber er wollte nach Hause fahren.“
„Nein.
Da ist er bislang nicht angekommen.“
„Vielleicht
habt ihr euch verpasst und seid aneinander vorbei gefahren.“ Er dreht sich um
und ging zurück in die Küche.
Ich
verabschiedete mich von Magnus und fuhr zu Elena. Sie war erstaunlicher Weise
überaus freundlich, wie ich sie erst seit kurzem kannte. „Komm doch rein.“ Sie
trat einen Schritt zurück und nickte mir zu, währenddessen ich keuchend, der
vielen Stufen wegen, vor ihr stand. „Aber Gunnar ist und war auch nicht hier.
Du suchst ihn doch sicherlich? Oder nicht?“
„Ja.
Du hast es erraten.“
„Bei
Hjalmar vielleicht?“
„Da
komme ich gerade her.“
„Dann
ist er bestimmt bei dieser Siv und lässt sich den Arsch versohlen.“ Es schien,
als wäre sie wütend darüber. Fauchte beinahe wie ein Tiger und lief ebenso wie einer
hin und her.
„Komm,
wir fahren zu ihr.“, forderte sie mich zu meinem Erstaunen auf. Zog sich ihr
Schuhe an, nahm Tasche und Jacke und wandte sich zum Gehen.
„O-k-a-y.“,
war alles, was ich hervor brachte bei dieser vehementen Entschlossenheit, welche
sie an den Abend legte.
Es
fiel mir schwer Sivs Wohnung zu finden. Ich war nur einmal dort gewesen, als
Gunnar mit ihr auf Wohnungssuche war.
Da
war kein Licht in den Fenstern zu sehen. Ich stieg trotz alldem aus und
klingelte.
Nichts
rührte sich.
Ich
zuckte mit den Schultern und ging zum Wagen und Elena zurück.
„Möglicherweise
ist sie im Dienst.“, sagte ich laut. „Und was nun?“
Ich
fuhr Elena zurück in ihre Wohnung und rief von dort aus Sarah an, um sie zu
bitten, nachzusehen, ob Gunnar möglicherweise bereits zurückgekommen sei. Ich
erreichte sie bedauerlicherweise nicht.
Ryan.
Dachte ich und rief ihn an. „Schickst du bitte jemand zu unserem Haus, der
nachsieht, ob alles in Ordnung ist.“, befahl ich in gebieterischem Tonfall.
„Okay.“,
antwortete er hörbar überrascht.
„Und
rufe mich bitte umgehend zurück.“ Ich legte auf und wartete in Elenas Wohnung.
Es
hatte eine gute halbe Stunde gedauert, in der ich ein wenig mit Elena plauderte
und sie sich über diese Siv ereiferte. Wie abartig sie sei, usw.
Ich
gab erneut zu bedenken, dass Gunnar genau darauf stand.
„Dann
ist er ebenfalls abnormal.“, stellte sie trocken fest.
Ich
musste schmunzeln.
„Ich
kenne solche Männer.“, begann sie zu erzählen und ich lauschte auf.
„Sie
wollen immer mehr und mehr Schmerzen fühlen. Das macht sie an. Bis alles
ausgereizt ist.“
Also
war sie doch nicht so unbescholten, wie sie vorgegeben hatte. Dachte ich es mir
doch.
„Dann
gehen sie zur nächsten Domina, in der Hoffnung, neue Freuden“, bei diesem Wort
rollte sie mit den Augen, „zu erfahren.“
Ich
sagte nichts und wartete auf Ryans Rückruf. Welcher
feststellte, dass am Haus alles in Ordnung sei.
„Ist
Gunnar dort gewesen“, fragte ich scheinheilig und mit unschuldiger Stimme.
Eine
kurze Pause entstand. Er schien nachzudenken.
„Nein.
Sein Wagen war nicht dort. Da war niemand.“ In seiner Stimme schwang ein
gewisses Misstrauen, was nicht zu überhören war.
Ich
beendete das Gespräch und wendete mich Elena zu. „Da wir Gunnar nicht fanden, er ebenso wenig zu Hause ist und ich nicht mehr weiß, wo ich suchen
sollte, fahre wieder nach Hause.“, sagte ich zu ihr, verabschiedete mich und
ging.
Natürlich
fuhr ich NICHT nach Hause, sondern zu Troels.
Noch
bevor ich den Schlüssen ins Schloss steckte, hörte ich Troels Stimme. Es klang
gerade so, als würde er mit jemanden in Deutsch diskutieren.
Als
ich die Tür öffnete hielt ich inne. Da war Troels, der unruhig hin und her
lief, mit lauter Stimme irgendetwas politisches faselte und mit seinen Händen überschwänglich
gestikulierte. Die beiden Frauen, die aussahen wie eineiige Zwillinge, eine
davon war Brigitte
Skovgaard, tanzten mit jeweils einem Glas Rotwein in ihren Händen um ihn herum.
Ich stutzte.
WAS war DAS bitteschön??
„Oh Rea!“ Troels hatte mich bemerkt und kam auf mich zu.
„Komm doch herein. Wir arbeiten nur noch ein wenig.“, sagte er grinsend,
angesichts der drei leeren Rotweinflaschen auf dem Tisch.
„Brigitte kennst ja bereits, und das“, er wies mit einer flotten
Handbewegung zu der anderen Dame, „ist Natalie Werner. Eine deutsche Kollegin.“
Ich begrüßte
beide höflich und lächelte entgegenkommend. Ich wusste genau, dass es JETZT
darauf ankam die Contenance zu wahren, vor allem NICHT das „Feld“ zu räumen und
wenn möglich, ihnen noch die Show zu stehlen.
Trotz alldem
die beiden Frauen überaus ansehnlich waren, war ich mir durchaus bewusst, dass
ich zum einen jünger und zum anderen viel attraktiver war als die beiden
zusammen. Also, was hatte ich denn zu befürchten? NICHTS!
Ich gab mich
selbstsicher. Küsste Troels auf den Mund, der mich anstrahlte, als würde er
mich zum ersten Mal sehen, legte Mantel und Schuhe ab und ging zum Bad, als
wäre ich zu Hause.
Ich dachte an
Troels, und dass es sicherlich schmeichelhaft für ihn gewesen war, wenn sich zwei Frauen um ihm bemühen. War
jedoch viel zu erschöpft und müde um unsinniger Weise eifersüchtig zu sein.
Überhaupt schien mir jedwede Eifersucht nun urplötzlich so sinnlos zu sein, als
wäre gerade ein Engel vom Himmel gekommen und hätte mich mit einer seiner
Flügelspitzen berührt. So unvermittelt hatte sich meine innere Haltung
verändert.
Ich stützte
mich mit den Händen auf den Rand des Waschbeckens und sah in den Spiegel. Was
ich dort sah, ließ ein inneres Lächeln in mir aufsteigen, welches eine gewisse
Zufriedenheit und Gleichmut nach sich zog, wie ich sie lange Zeit nicht gespürt
hatte.
Ich begann
mich auszuziehen, mich abzuschminken und für die Nacht fertig zu machen. Selbst
ohne Make up, was ich ohnehin nur spärlich auftrug, sah ich um Längen besser
aus, als die beiden. Als Frieda. Ja, sogar als Elena. Also, worüber sich
beklagen? Jeder Mann, der einer anderen als mir den Vorzug gab, war ein Idiot.
Oder befangen von meiner Schönheit. Bewegungsunfähig.
Als ich das
Bad verließ, sah ich, wie Troels den Abend beendete und die beiden
hinaus(expedierte) begleitete. Natürlich warfen sie mir unverholen missgünstige
Blicke zu. Was nicht zu übersehen war. Ich schwebte, mit den Füßen kaum den
Boden berührend in meinem Neglischee zum Schlafzimmer. Wie eine Magierin. Eine
Wissende. Eine in sich selbst Ruhende. Mit aufrichtiger Liebe im Herzen, welche
allen Wesen, allen Leben, dem gesamten Universum galt, und die ich gelassen
nach außen strahlte. Wie eine Fee aus einer anderen Welt, die sie nie sehen,
nie erreichen würden. Aber es war keine Arroganz. Kein Dünkel. Keine
Überheblichkeit. Da war in der Tat ausschließlich Liebe im Herzen, und mein
Herz war so weit, so groß, so offen.
Was für ein
großartiges Gefühl! Es war viel besser als Eifersucht und alle anderen
negativen, niederen Regungen, die so nutzlos, ohne jegliche Selbstachtung und
zerstörerisch waren. Die mich einengten und kleiner machten, als ich war.
Also, wozu den
Kopf einziehen, wenn ich ein selbstsicheres, strahlendes Lächeln zeigen kann!
Und noch so viel mehr.
Troels schloss
die Tür, kam auf mich zu und blieb vor mir stehen. Sah mich mit einem zufriedenen Lächeln in seinem Gesicht von oben nach unten an und kniete vor mir nieder.
„Meine Schöne,
meine Königin. Ich lege dir mein Herz zu Füßen.“ Er verneigte sich
theatralisch, grinste, stand auf, drückte mich fest an sich und küsste mich
innig.
Obgleich es
spät und ich erschöpft gewesen war, zog ich Troels mit verführerischem Blick
zum Bett. „Beeile dich. Ich bin müde.“, sagte ich ernüchternd und sah ihm
begierig in die Augen.
Kaum hatte sich
Troels nach einem kurzen, hingebungsvollen Ineinandersein, neben mir
niedergelassen, schmiegte ich mich an seinen warmen Körper und schlief ein.
Ich hörte nur noch,
wie er fragte: „Warum bist du nicht immer so?“
Was meinte er
mit so? Dachte ich noch und war bereits im Land der Träume angekommen.
Am Morgen ein
schnelles Frühstück. Bevor Troels zu Arbeit und ich nach N. aufbrachen.
„Denkst du
Gunnar ist bereits zu Hause und sucht dich?“, fragte Troels und sah mir doch
eher besorgt in die Augen.
„Wäre er zu
Hause und würde mich suchen, hätte er schon längst angerufen. Aber da war nicht
einmal eine SMS.“
Ich fuhr geschwind zurück zum Zentrum. War gut gelaunt. Der Tag
schien trotz aller Vorhersagen sonnig zu werden. Bei angenehmen 14 Grad.
Gunnar, ist bisher noch nicht erschienen.