Gunnar ließ mich am Morgen allein. Ging unerlaubter Weise
ein Stück walken. Nicht joggen. Wie sonst.
Wir trafen uns im Restaurant zum Lunch. Gingen dann
gemeinsam, bei Sonnenschein und angenehmen elf Grad zurück zum Haus.
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Die erste Reinkarnationsarbeit
„Das kluge Kämpfen brachtest du aus einem anderen Leben
mit. Du warst ein Krieger. Ein Krieger des Geistes, der keinen Krieg führen
wollte. Versuchtest durch Diplomatie die anstehenden Probleme zu lösen.“, sagte
Gunnar, welchen ich in diesem Augenblick erneut als meinen „magischen Ehemann“
wahr zu nehmen vermochte. Ach, könnte er doch nur immer so sein!
„Ein Krieger?“, fragte ich.
„Du magst es nicht bemerken, aber dein Handeln basiert auf
gründlichen Überlegungen. Du wägst alles gut ab und bedenkst die Variablen.
Siehst die Vergangenheit und schaust in die Zukunft deiner und anderer Menschen
Handlungen.“ Gunnar lächelte mich zufrieden und in sich ruhend an. ”Integrität besitzt
du bereits.Wissen wirst du erlangen und die Selbständigkeit dahinter es
auszustrahlen. Dann wirst du erkennen, dass du nie allein bist. Gleichgültig,
ob ich oder jemand anders bei dir ist.”
Erstaunlich, dachte ich und sah Gunnar Stirn runzelnd an.
„Ja. Du warst tatsächlich ein Mann und ich einer deiner
wenigen Vertrauten. Ich war eine deiner Frauen. Unsere Rollen waren damals vertauscht.
Das ist jedoch nicht von Belang.”
Diese Vorstellung schien mir nicht wirklich so weit her
geholt. Ich schmunzelte.
„Obgleich du am aller liebsten allein sein wolltest, war
ich stets an deiner Seite. Beriet und unterstützte dich. Sowie jetzt auch. Arbeitete
dir zu und vermittelte. Auch die Eigenschaften der Ungebundenheit und des
Allein-sein-wollens brachtest du in dieses Leben mit.“
”Ja. Natürlich.“, sinnierte ich laut darüber nach. „Es
scheint offensichtlich der Grund dafür zu sein, dass ich mir keine eigenen
Kinder wünsche und ich mich in größeren Gesellschaften nie wohl fühlte. Trotz
meines Geldes nichts für Glanz und Gloria übrig hatte und habe. Am liebsten
allein“, ich sah zu Gunnar hinüber, „oder mit dir zusammen bin. Wahrscheinlich,
gerade WEIL ich dich so gut aus vielen anderen Leben kenne. Und ich ohne dich,
die einsame Wölfin war und bin.“
„Es ist unausweichlich, dass wir uns wieder und wieder
treffen, und wie auch immer, zusammen sind.“ Gunnars Gesichtsausdruck zeigte große
Zufriedenheit. Mit mir. Mit sich. Mit uns.
Der Inhalt unserer Gespräche erweiterte sich. Blieb jedoch
überwiegend im spirituellen Bereich.
Wir redeten über Machtstrukturen. Konfuzius und Tao. Die
Welt der Männer an sich und wie sie ihre Spiritualitat in verschiedenen Teilen
dieser Erde in unterschiedlichen Epochen zu leben pflegten.
Elena kam hinzu und lauschte uns beiden. ”Ich will nach
Tibet. Zum Dalai Lama.”, sagte sie dann mit Enthusiasmus und Freude strahlendem
Gesicht. ”Ich glaube, der Buddhismus ist das Richtige für mich.”
Gunnar und ich sahen uns mit zweiflender Miene an und
lächelden ihr nickend zu.
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Ich mag Gunnar vertrauen und Elena nicht mehr als Bedrohung
sehen. Denn ich vermute, sie sucht womöglich nur nach dem Weg ihres Lebens. Ist
wissbegierig. Vermag sogar noch kindlich zu staunen.
Man hat ihr offensichtlich nicht wirklich viel beigebracht.
Auf irgend eine Weise erreicht sie auf mehr oder weniger
unbewusste Art mein mitfühlendes Herz. Eifersucht hin oder her.
Wir spielten am gestrigen Abend sogar noch gemeinsam
Karten.
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Gunnars Genesung schreitet rasch voran. Und ich, freue mich
auf die Reise nach Manitoba.
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Wanja drängt mich zu sich zu kommen. Er würde mir am aller
liebsten umgehend sein Flugzeug schicken. Nun wünscht er sich nicht nur, dass
ich seinem großen Auftritt beiwohne, sondern gleich anschließend mit ihm zu den
Malediven fliegen soll.
”Wirst DU mich nicht begleiten, wird es eine andere tun. Du
weißt, wer das sein wird?”, fragte er und zwang mich so eine Entscheidung zu
treffen, welche mein Herz mit tausenden Steinen beschwerte. Natürlich würde ich
liebend gern mit mit ihm gehen. Gleichgültig wohin auch immer Was denkt er
denn? Er ist im Grunde so eine gute Seele. Ein guter Mann. Zwar mit strenger, militätischer
Erziehung, was ihm gleichermaßen dazu animierte stets seinem älteren Bruder
nacheifern. Aber dennoch ein sanftmütiger, gutherziger Mensch. So Grund anständig
und ehrenhaft. Mit klar blickenden, heiteren, braunen Rehaugen.
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Troels
fehlt mir. Am liebsten würde ich ihn für ein, zwei Stunden besuchen. Was jedoch
im Moment unmöglich ist.
Gelegentlich
wähnt mir, ich fühle in den meisten Augenblicken ausschließlich eine
Verpflichtung ihm gegenüber. Ist dies tatsächlich SO? Oder ist jeder Augenblick
ein anderer?
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Gunnar
war heute bereits frühmorgens, gleich nach unserem gemeinsamen Frühstück ins
Office gegangen. Ich zur Massage und anschließend zu ihm, um zu helfen. Es gab einiges
von mir zu entscheiden und zu unterzeichnen, welches keinen Aufschub duldet. Dem
selbstredend langwierige Diskussionen voraus gingen.
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Ich
denke, dass ich mir nun ein wenig Zeit für mich selbst gönnen werde.
Ein
kurzer Spaziergang.
Ein
Telefonat, oder skypen mit Kevin.
Einen
Film.
Oder
schlicht und einfach nur mit dem Kopf an Gunnars Schulter gelehnt auf unserer
Couch sitzen....