Gunnar schien zu
schmunzeln, als ich zu ihm kam.
„Verstehst du dich etwa
doch mit Elena?“
„Das könnte dir so
passen.“, entgegnete ich in scherzhafte, Ton.
Ich dachte noch lange
darüber nach, ob es gut wäre Elena näher zu kommen. Gunnar war es ohnehin
bereits (bis zur Intimität).
Aber ist SIE nicht
eigentlich „der Feind“?
Genau genommen sind das
vermutlich alle Frauen, die sich Gunnar nähern oder sich ganz und gar zwischen
ihn und mich stellen. Dazu gehört selbstverständlich ebenso Elena.
Also was tun? Die Freund-(Feind-)schaft
vertiefen? Oder ihr besser aus dem Weg gehen. Sie abweisen. Ihr
unmissverständlich zu verstehen geben, dass ICH sie in unserem Haus nicht
willkommen heiße. Gleichwohl Gunnar das auch tun mag.
Ich entschloss mich für
ein diplomatisches, belauerndes und vor allem achtsames Beobachten und
Abwarten.
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Anstößigkeiten?
Genau genommen ist es
(zunehmend) so, dass ich mit mir selbst genügend belastet bin. Mich nicht noch
um andere zu kümmern vermag. Stattdessen selber Hilfe nötig bräuchte. Wie
beispielsweise während meiner Panick-Attacken und den gewöhnlichen Beschwerden
dieser beschissenen Krankheit. Oder nur den schlichtesten Dingen, wie auf
meinen Atem zu achten und darauf, meinen Tag zu planen. Entscheidungen zu
treffen und die ausgesuchten Speisen lange und ausgiebig zu kauen. Was sich am
Vortag als simples Mittel gegen die Magenschmerzen bewährte. Wie könnte ich
zudem noch einen kränkelnden Mann versorgen? Nur gut, dass seine Genesung rasch
voran schreitet. Überdies befleißigte sich Elena bereits zur Genüge.
Sogleich nachdem am
gestrigen Nachmittag ihre Arbeit als Auszubildende Physiotherapeutin beendet
war, klopfte sie an unsere Tür und fragte, ob sie helfen könne. Ich verneine
freundlich aber bestimmt, war gerade eben dabei sie wegzuschicken, als Gunnar
hinter mir rief: „Lass sie doch. Wenn sie helfen will.“
Nun gut. Dann soll es so
sein. Dachte ich und gab ihr mit einer eleganten Handbewegung zu verstehen,
dass sie eintreten könne.
Ich schickte Sarah in
ihren verdienten Feierabend und übertrug Elena vorübergehend dieses Amt. Dennoch war es gewiss NICHT meine
Absicht, den gesamten Abend mit ihr zu verbringen.
Sie befleißigte sich in
der Tat als passable Krankenschwester, sodass ich entlastet wurde.
Ich gab Gunnar vor Elenas
Augen einen Kuss auf seinen Mund, sagte ihm, dass ich für eine kurze Weile nach
draußen gehen würde. Zog Schuhe und Mantel über, steckte mein iPhone ein und
ging.
Zuerst rief ich Troels an
und berichtete ihm über die neusten Geschehnisse. Dann sprach ich mit Wanja,
welcher mich einlud am kommenden Samstag seinem großen Event beizuwohnen.
Als ich zurück ins Haus
kam, war niemand mehr da.
Ich stand ruhig und
lauschte. Hörte Geräusche aus dem Bad. Wahrscheinlich hatte Elena Gunnar zur
Toilette gebracht.
Dann ging ich ein, zwei
Schritte weiter und blieb erneut stehen. Gunnar zischte irgendetwas, was ich
nicht verstand. Er schien verärgert. Ich ging noch die restlichen Schritte bis
zur Tür und drückte die Klinke herunter. Es war abgeschlossen.
Stille.
Sie hatten offensichtlich
bemerkt, dass ich zurückgekommen war.
Ich klopfte. „Alles in
Ordnung?“
„Ja. Ja.“, hörte ich
Gunnar sagen. „Komm doch herein.“
„Es ist abgeschlossen.“
Stille.
„Verzeih, Die Gewohnheit.
Verzeih.“
Welche Gewohnheit? Er
schloss die Tür zum Bad niemals ab. Im Gegenteil. Ließ sie meist offen stehen.
Das Schloss klickte. Ich
öffnete die Tür. Gunnar saß auf der Toilette und Elena wusch sich am
Waschbecken die Hände und schien Wasser zu trinken.
„Der Sprudel steht im
Kühlschrank, wenn du Durst hast.“, sagte ich und sah mich skeptisch an.
Sie drehte sich nicht zu
mir um. Im Spiegel sah ich jedoch ein kurzes Grinsen.
„Sprudel.“, sagte sie.
„Ja. Natürlich“. Sie wendete sich mir zu, lächelte und ging an mir vorüber in
die Küche.
Ich sah Gunnar an, der
mich natürlich nicht sehen konnte. „Was ist geschehen?“, fragte ich.
„Nichts weiter. Alles
okay.“
Ich beließ es dabei und
bohrte nicht weiter nach. Zumindest vorerst.
Nachdem wir zu Abend
gegessen hatten und Elena die Ordnung in der Küche wieder hergestellt hatte,
versuchte ich sie loszuwerden. „Du kannst jetzt beruhigt gehen. Danke. Ich
schaffe das schon.“
Sie sah mich an. Dann zu
Gunnar, der sie natürlich nicht sehen konnte. Dann wieder zu mir.
Ich wies mit einer
eindeutigen Geste zur Tür.
„Vielleicht könnten wir
noch ein bisschen Karten spielen?“ Sie sah mich mit flehenden Augen an. Wie ein
Kind, das um Süßigkeiten bettelt. Ihre Lippen hatte sie zu einem
Schmollmundgeformt. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Ich war schließlich
keiner dieser Männer, welcher auf dergleichen, gespielten und kindlichen
Anzüglichkeiten hereinfiel. Ebenso wenig eine Mutter, die ihr Kind vor sich
hatte.
„Ein anderes Mal.“,
antwortete ich zügig und wiederholte die Bewegung mit meiner Hand.
Nachdem sie (tatsächlich)
gegangen war, stellte ich Gunnar zur Rede.
„Was ist da im Bad
eigentlich passiert?“
„Nichts. Was soll schon passiert
sein.“
„Jetzt halte mich nicht
zum Narren. Du selbst erzähltest mir, wie unanständig und aufdringlich dankbar
sie sei. Hat sie dir den Schwanz gelutscht? Oder was?“, kam ich zur Sache.
„Nein. Natürlich nicht.“,
sagte Gunnar mit besänftigender Stimme.
„Das soll ich dir
glauben?“
„Ja. Gewiss doch. Komm
jetzt. Setzt dich zu mir und beruhige dich. Es ist nichts passiert.“
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Zeit
Ich hätte es nicht für
möglich gehalten, jedoch gab es bis dato keinerlei Gelegenheit mit Gunnar über
die Dinge zu reden, welche wir uns vorgenommen hatten. Wie beispielsweise die
Reinkarnationsarbeit. Oder die Ursachen meiner Panik-Attacken. Über die ich
ohnehin nicht reden wollte. Ebenso wenig über die Einnahme von Bierhefe oder
Salzsäuretabletten. Die Auswertung des Deltascans hingegen wäre durchaus
interessant gewesen. Aber auch darüber hatten wir bisher noch nicht gesprochen.
Nun war ich am Abend doch
eher erfreu, mich in aller Ruhe an Gunnars Schulter lehnen zu können und mit
ihm gemeinsam unserem Hörbuch zu lauschen.
Hätte ICH womöglich
versuchen sollen ihm den Schwanz zu lutschen? Dachte ich, begann Gunnar vorsichtig zu küssen und ließ
meine Hand zwischen seine Beine gleiten. Er hielt sie fest. „Nicht heute.“
„Ist es nicht genau DAS,
was du bevorzugst. Mit „verbundenen Augen“ nicht zu wissen, wo die nächste
Berührung sein wird?“
Gunnar schmunzelte leicht.
„Ja. Du hast Recht. Aber die geringste Anstrengung schmerzt an den Wunde.
Jedoch könntest du mir versprechen, das wir demnächst noch einmal darauf
zurückkommen werden?“
Ich räusperte mich. „Nur
wir beide?“
„Wenn du vermagst die
Dinge richtig anzupacken?“ Er lachte.
„Sehr witzig.“
„Nein. Überhaupt nicht.“
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Heute
Während ich bei bester, strahlender
Herbstsonne allein zu meinem Massagetermin aufbrach, kam der Arzt, um Gunnar
die Verbände abzunehmen.
Nun vermag er mich wieder
zu sehen. Elenas „Hilfe“ ist also nicht mehr von Nöten. Was für ein Glück!