Mittwoch, 25. Mai 2016

Der Stoff, aus dem Alpträume sind




Es vergeht in der Tat beinahe kein einziger Tag, ohne das etwas Eigenartiges geschieht.

Nun, da Gunnar seiner Geliebten beizustehen gedachte, bei ihren (imaginären?) so plötzlich aufgetretenen Schmerzen im Unterleib und der nun folgenden Phase der Ruhe, war ich mit Kevin und vor allem mit Derek zusammen.
Wir arbeiteten noch bis zwei im Büro und ich ging dann mit Derek, zum späten Lunch, ins Restaurant.
So weit so gut.
Kevin war nach Hause, zu seiner Janina gerollt. Ich wusste nicht, ob er am Nachmittag noch einmal wieder kam, oder was er sonst noch zu erledigen hatte.
Als wir, Derek und ich, das Restaurant, welches sich verhältnismäßig nahe am Eingangtores befindet, verließen, gab es genau dort einen Tumult.
In weiser Voraussicht hatte ich bereits vor einiger Zeit an allen Eingängen zum Zentrum und speziell an dieser Haupteinfahrt, vermehrt Sicherheitskräfte platzieren lassen. Was ich eigens mit Ryan, dem Chef des Teams, während eines Briefings  abgesprochen hatte. Genau diese Entscheidung war es, die in jenen Minuten nicht nur mir das Leben rettete. Sondern vermutlich auch einigen der zu dieser Zeit, an diesem Ort, befindlichen Menschen.
Mein Sicherheitsteam leistet hervorragende Arbeit. Und das nicht nur am Tor. Alldieweil auch die rein zufällig an diesen Platz, vor allem in meiner Nähe  befindlichen Männer unseres Teams, die nicht im Dienst waren, spontan, unaufgefordert und Ziel orientiert handelten. Denn nur in wenigen Sekunden, ich hatte die Gesamtsituation noch nicht einmal gänzlich erfasst, bildeten vier Männer einen Kreis um mich herum, die Derek geistesgegenwärtig mit Rufen koordinierte und die mich zu schützen versuchten. Erst jetzt erkannte ich, dass sich nicht weit von uns entfernt am Tor ein Pulk von dunkelhaarigen- bis dunkelhäutigen jungen Männern gebildete hatte, die wild gestikulierten und mit Messern fuchtelten und die dort gerade befindlichen Menschen, samt unseres Personals bedrohten. Eine durchaus gefährliche Situation.   
In diesem Augenblick, als ich dem allen gewahr wurde, schossen mir Bilder durch den Kopf und ich dachte an ein Ablenkungsmanöver. Eine alte Kriegsstrategie der Männer. Ich drehte meinen Kopf so rasch hin und her und sah dann endlich Ryan, der in sein Walki Talki sprach und offenbar alle Sicherheitskräfte im Zentrum koordinierte, was er mir zu einem späteren Zeitpunkt bestätigte. Sein Gedanke war der Gleiche. Schließlich kannte er solch’ Situationen nur zu gut. Sie waren ihm nicht fremd. Ebenso wenig wie mir selbst.
Ich hörte Dereks Stimme wie er immer wieder rief: „Schützt die Chefin!“ Er war der fünfte Mann, der sich in den Kreis um mich herum eingegliedert hatte. Seine Arme waren ausgebreitete. Die Beine gespreizt. Die Füße standen fest am Boden. Es sah aus, wie eine Art Kampfstellung, welche beispielsweise die Karatekämpfer einnahmen, wenn sie einem Feind gegenüber standen und bereit waren zur Verteidigung.
Die vier Männer, samt Derek, mit mir in der Mitte, gingen rasch, aber dennoch unauffällig, Schritt für Schritt von der Gefahrenzone weg. Genau DAS war ihre Aufgabe. Und sie erfüllten sie bravourös. Jeder einzelne von ihnen. Ich bin ihnen zu Dank verpflichtet. Denn so ungefährlich war für mich die Situation durchaus nicht.
Diese jungen, dunkelhaarigen und dunkelhäutigen Männer gebärdeten sich bedrohlich. Sie wollten durch das Tor und schreien die bekannten Rufe, wie sie auch in Deutschland und in anderen europäischen Ländern zu hören sind. Sie gaben einfach keine Ruhe. Versuchten durchzubrechen.
Schlussendlich griff Ryan zum Äußersten und glücklicher Weise befand er sich dabei NOCH auf dem Gelände des Zentrums. Er zog seine, mit scharfer Munition geladene Waffe und schoss in die Luft. Dadurch entstand ein kurzer Augenblick der Ruhe. Ermutigt durch Ryans couragierte Aktion, griffen jetzt auch die anderen Sicherheitskräfte nach ihren Waffen, was zum Glück und zu guter Letzt die Angreifer davon laufen ließ.
WIE kann so etwas überhaupt geschehen??? Ist man denn nirgendwo mehr sicher?

Dieses ganze Spektakel hatte etwa eine halbe Stunde angedauert.
Natürlich wird darüber nichts in den Medien erwähnt werden......(.....da ich ohnehin vielen von den Politikern ein Dorn im Auge bin. Weil ich mich ihren Regeln NICHT beuge. Die sie von wem auch immer aufdiktiert, eingeflösst und wofür sie gewiss ihren Lohn bekommen.)


Ich vermag nicht zu sagen, ob ich es einen Zufall nennen soll, oder ob das Ganze inszeniert worden war, um mir Angst einzuflößen und mich unter Druck zu setzen. Wofür, oder wogegen auch immer. Denn man hört immer wieder so allerlei von bezahlten Störenfrieden. Gleich welcher Couleur. Und gleich, in welchem europäischen Land.

Derek brachte mich umgehend zu mir nach Hause, wo ich blieb. Er selbst blieb bei mir. Rief allerdings sicherheitshalber seine Mutter an. Selbstverständlich sorgte er sich auch um sie. Es ging ihr gut. Sie hatte von all dem nichts mitbekommen. Zum Glück.

Ein wenig später, als sich die Lage entspannt und ich mich weitestgehend beruhigt hatte, rief ich Kevin an. Er hatte selbstredend bereits davon gehört und war genauso aufgeregt wie wir anderen. Wir kamen darin überein, gleich am nächsten Morgen mit Ryan über alles zu sprechen, auszuwerten und gegebenenfalls die Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen. Sowie die Männer des Sicherheitsteams in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen und zu halten.


An Gunnar hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gedacht. Erst, als es Zeit für das Dinner war, fiel mir auf, dass er sich bis dato noch nicht gemeldet hatte.
Sollte ICH ihn anrufen? Oder sollte ich abwarten, bis er kam?
Ich entschied mich....zu wissen und rief ihn an.

Als ich ihm mit knappen Worten berichtete, was geschehen war, war er bereits im Aufbruch und auf dem Weg zu mir. Wie er sagte. Allerdings hörte ich im Hintergrund Alexas Stimme. Gunnar hatte darauf nicht reagiert und mit mir weiter gesprochen, als wäre er nicht bei ihr. Allerdings wusste ich, dass es so war. Was er mir einige Minuten später bestätigte.
„Ich bin schon unterwegs zu dir. Verlasse gerade Alexas Apartment.“
„Wie geht es ihr? Wolltest du vielleicht noch bei ihr bleiben?“, fragte ich höflichkeitshalber.
„Nein. Ich war nach der Arbeit nur noch einmal zu ihr gegangen, um nach ihr zu sehen. Nichts weiter. Ich bin auf dem Weg zu dir.“
Gunnar vergewisserte sich noch, ob Derek bei mir war und beendete das Gespräch.
Eine halbe Stunde später, war er bei mir.....und Derek.......ging.

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Gunnar sorgte sich um mich. Fragte immer wieder: „Schatz, geht es dir gut? Wie fühlst du dich?“
„Besser, wenn du mich nicht ständig daran erinnerst.“, erwiderte ich schließlich mit einem Augenzwinkern.
„Oh! Ja. Natürlich. Du hast Recht. Verzeih.“
Wir sahen noch eine Weile fern und es wurde, wie so oft, sehr spät. Es muss so gegen eins gewesen sein, als wir zu Bett gegangen sind.

Heute Morgen Sex. Gleich zwei Mal. Er hatte es nicht gewagt, aus gesundheitlichen Gründen, mit Alexa zu ficken.
„Ich habe Angst, sie verliert das Kind. Wo es ihr doch so wichtig ist, es zu bekommen.“, hatte Gunnar am Abend noch zu mir gesagt.
Am Morgen dann eine Diskussion darüber, WER nun mit ihm auf Dienstreise geht. Denn noch am gestrigen Abend hatte mir Gunnar gestanden, dass er, rein dienstlich,  heute nach Kopenhagen fliegt.
Gunnar gedachte die Reise mit Tom anzutreten. Nicht mit Magnus. Offenbar empfand er ihn für diese Mission kompetenter als Magnus. Obgleich er doch erst wenige Monate bei ihnen war. Nur, würde Magnus dann Ann Maria nicht mit Gunnar fliegen lassen. Weil er mit ihr zusammen war. Stattdessen würde er mit Gunnar eine Debatte darüber beginnen, WER der alt Eingesessenen war und WER der Neue. Danach hatte Gunnar keinerlei Verlangen.
„Hast du vielleicht eine Sekretärin für mich?“, fragte er so halb im Scherz.
„Amaja Ji.“, fiel mir sofort ein.
Gunnar sah zweifeln zu mir herüber. „Denkst du wirklich, sie würde zusagen, mit mir auf Dienstreise zu gehen? Du weißt, dass sie mich hasst.“
Ich antwortete ihm nicht und spielte gleichwohl nicht darauf an, aus welchem Grund Amaja ihn nicht begleiten würde. Es musste nicht ausgesprochen werden. Wir wussten es beide. Infolgedessen blieb es bei einem kurzen, strafenden Blick meinerseits.
„Was ist mit Kate?“, fragte er dann.
Kate? Gerade Kate dachte ich SO laut, dass Gunnar es einfach lesen musste. Es sprang ihn gewiss förmlich an.
„Ach komm. Es passieret schon nichts.“ Gunnar zwinkerte mir zu.
„DAS willst du mir doch etwa nicht erzählen?“, zweifelte ich seine Aussage an.
Er erwiderte nichts. Lächelte nur zu mir herüber. Das Brummen seines Rasierers hätte ohnehin das Reden erschwert.
Ich rief das Sicherheitsbüro an, um Kats Nummer in Erfahrung zu bringen. Ich hatte sie schon längst gelöscht und Gunnar offenbar auch. Dann rief ich Kate an. Sie zögerte und gab mir schlussendlich recht zügig ein JA.
Gunnar musste sich eilen. Noch bevor er ging, richtete ich Worte des Bedauerns an ihn. Ich schnaufte. „Ich sehe dich kaum.“
Er drückte mich fest an sich und hauchte mir seinen Liebesschwur ins Ohr, welchen ich ihm glaubte. Warum auch nicht. In seinem Herz sah ich, dass er meinte, was er sagte.

Da Gunnar so früh gegangen ist und ich nicht noch einmal zu Bett gehen und schlafen wollte, gab es mir die Zeit, heute recht früh hier die Ereignisse des vergangenen Tages nieder zu schreiben.
Was der Tag bringen mag, weiß ich selbstverständlich nicht. Nur, dass Gunnar erst Morgen zu mir zurückkommen wird. Er sagte, sie bleiben über Nacht in Kopenhagen. Zudem wird er für Alexa zumindest noch ein, zwei Stunden erübrigen wollen. Gleichwohl es ihr besser gehen mag, verstehe ich sie doch nur zu gut, wenn Gunnar ihr fehlt und sie ihn sehen möchte.

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Denke ich noch einmal in aller Kürze (!) über die gestrigen Ereignisse nach, fällt mir auf, wie rasant sich alles ereignete. Nur gut, dass Derek die Fähigkeit besitzt, so rasch zu reagieren. Ich gehöre eher zu denen, die erstarrt.
Erst im Nachhinein, im Rekapitulieren, während ich es Gunnar erzählte, wurde mir die ganze Tragweite des Geschehenen bewusst. Allerdings gedachte ich, wenn möglich, nicht mehr all zu lang und häufig darüber nachzudenken. Vergessen, würde ich es sicherlich nicht......so leicht.
Zweifelsohne würde dieser Zwischenfall, auch unter den Leuten im Zentrum, noch für einige Zeit Gesprächsstoff sein. Ich hoffe inständigst, es kommt kein neuer der gleichen Art hinzu.


So nun, auf zum Briefing!